Handball-EM in Deutschland Gislasons Youngster - Trümpfe in der Hinterhand
Mit einem jungen Team geht die deutsche Nationalmannschaft in die bevorstehende Heim-EM. Die von Bundestrainer Alfred Gislason berufenen Youngster könnten eine wichtige Rolle im Turnier spielen.
Als Gislason seinen 19er-Kader für die Europameisterschaft am 21. Dezember bekannt gab, gehörten vor allem einem jungen Quartett die Schlagzeilen: Gislason beruft vier U21-Weltmeister in sein EM-Team, lauteten die Headlines und galten Nils Lichtlein (21 Jahre alt), David Späth (21), Renars Uscins (21) und Justus Fischer (20), die die Nachwuchskrone im Juni nach Deutschland holten.
Nun sollen diese vier dazu beitragen, dass sich Deutschland den Traum von einer Medaille beim Turnier im eigenen Land erfüllt. Hinzu kommt ein weiterer Newcomer: Martin Hanne (22) vom TSV Hannover-Burgdorf, der im Januar bei den letzten beiden Tests vor der EM gegen Portugal seine ersten Länderspiele überhaupt bestreiten wird.
U21-Weltmeister Renars Uscins, Torwart David Späth, Nils Lichtlein und Mathis Häseler (von links)
Bei der Kaderzusammenstellung habe das Alter jedoch keine Rolle gespielt. "Wir haben die Spieler geholt, weil sie in ihren Vereinen Leistung gebracht haben. Diese Jungs sind richtig gut", sagte der Bundestrainer bei einem Mediengespräch am Freitag (29.12.2023). Spieler, die fünf Jahre älter seien und zur Verfügung stünden, habe er nicht gefunden, so Gislason.
Heiner Brand hatte vier 23-Jährige dabei
Schon in der Vergangenheit standen bei Welt- und Europameisterschaften immer wieder auch junge Handballer im Kader der deutschen Mannschaften. Gleich eine Handvoll ganz junger Spieler ohne Erfahrung bei Großturnieren gab es allerdings noch nie.
So war etwa Jannik Kohlbacher (diesmal wieder dabei) mit 21 Jahren der Benjamin im Team, das unter Dagur Sigurdsson im Jahr 2016 mit Deutschland die Europameisterschaft gewann. Heiner Brand hatte beim Wintermärchen 2007 vier 23-Jährige dabei: Dominik Klein, damals der Jüngste, sowie Holger Glandorf, Michael Haaß und Michael Kraus.
Altersdurchschnitt bei 26,5 Jahren
Im Schnitt jedoch waren die deutschen Teams bei den vergangenen großen Titelgewinnen älter. 26,5 Jahre beträgt bei dieser EM der Altersdurchschnitt von Gislasons Team. 2016 beim Gewinn des EM-Titels lag der Schnitt bei 27,3 Jahren, im Jahr 2007 beim Gewinn der Weltmeisterschaft im eigenen Land bei 27,1 Jahren.
Berücksichtigt werden muss dabei, dass Gislason bis zum Turnierstart seinen Kader noch auf 16 Spieler reduzieren muss. Diese Kaderverkleinerung könnte auch den einen oder anderen Newcomer treffen, der aber im Turnierverlauf nachnominiert werden kann.
Zudem ist der Fakt, dass Gislason auf die "Jugend" setzt, natürlich auch dem Umstand geschuldet, dass erfahrene Spieler wie etwa die Berliner Fabian Wiede oder Paul Drux verletzungsbedingt fehlen oder eine Absage einreichten wie der Kieler Hendrik Pekeler. Trotzdem könnten die Jungen dem Team ihren Stempel aufdrücken.
Gislasons junges Quintett im Kurzporträt
David Späth (Torwart, Rhein-Neckar Löwen): Der 21-Jährige ist die Entdeckung im deutschen Tor im Jahr 2023. Bei der EM wird Späth das Torwart-Duo gemeinsam mit Routinier Andreas Wolff bilden. Ins Rampenlicht bugsierte sich der gebürtige Pfälzer im April, als er mit seinen Siebenmeter-Paraden den Rhein-Neckar Löwen den Sieg im Finale des DHB-Pokals gegen den SC Magdeburg sicherte. Auch am Gewinn des U21-WM-Titels hatte Späth großen Anteil.
Bei den Löwen verdrängte der 1,97-Meter-Mann Joel Birlehm zwischen den Pfosten und bildet inzwischen ein Gespann mit dem Schweden Mikael Appelgren. Mit einer Fangquote von mehr als 30 Prozent zählt er in dieser Saison zu den Top Ten in der Handball-Bundesliga. David Späth feierte sein Debüt in der Nationalmannschaft Anfang November im Länderspiel gegen Ägypten.
Nils Lichtlein (Rückraum Mitte, Füchse Berlin): Der gebürtige Regensburger war einer der Shootingstars beim Gewinn des U21-Titels im Sommer. Die erste Nominierung für das A-Team kam anschließend für ihn selbst überraschend, war allerdings nachvollziehbar.
Zu stark waren seine Leistungen bei den Füchsen Berlin in der Bundesliga, die in dieser Saison um die Meisterschaft mitspielen. Auf seiner Position hatte Jacob Holm den Klub im Sommer verlassen, Fabian Wiede fällt mit einer schweren Fußverletzung nach wie vor aus. Lichtlein, Neffe von Ex-Nationaltorwart Carsten Lichtlein, füllte die Lücke bravourös und ist nun entscheidend am Spielaufbau der Füchse beteiligt.
Nach Wiede und Paul Drux ist Lichtlein das dritte Eigengewächs der Berliner, das den Sprung in die A-Nationalmannschaft schaffte.
Renars Uscins (Rückraum Rechts, TSV Hannover-Burgdorf): Der gebürtige Lette, Sohn des ehemaligen Handball-Profis und jetzigen Trainers Armands Uscins, ist eines der ganz großen Rückraumtalente im deutschen Handball. Der Linkshänder wurde in der Nachwuchsakademie des SC Magdeburg ausgebildet. In der Saison 2020/21 kam er per Zweitspielrecht zu seinen ersten Bundesligaeinsätzen beim Bergischen HC.
Zur Saison 2022/23 wechselte er fest zur TSV Hannover-Burgdorf. Mit 56 Toren in 17 Bundesligaspielen zählt Uscins zu den Top-Torschützen seiner Mannschaft. Im April feierte er unter Gislason sein A-Nationalmannschaftsdebüt gegen Schweden. Im Juni gewann Uscins die Junioren-Weltmeisterschaft. "Renars ist eine wichtige Persönlichkeit dieser Mannschaft", befand U21-Nationaltrainer Martin Heuberger.
Martin Hanne im Trikot der TSV Hannover-Burgdorf
Martin Hanne (Rückraum links, TSV Hannover-Burgdorf): Mit der Nominierung Hannes sorgte Alfred Gislason für den größten Paukenschlag. "Er ist ein junger Spieler, der sich in Burgdorf sehr gut entwickelt hat. Ich habe die letzten zwei Jahre alle Spiele von ihm gesehen", erklärte der Bundestrainer seine Wahl.
Der 22-jährige gebürtige Peiner spielt eine starke Saison für die Hannoveraner, nachdem er im Jahr davor aufgrund einer schweren Rückenverletzung nicht wie erhofft zum Zuge kam. "Martin hat ein bisschen mehr Geduld gelernt, die Abwehr richtig lesen zu können und zu wissen, wann er angreift", sagt sein Heimtrainer und Ex-Bundestrainer Christian Prokop. Die große Stärke des Rückraumlinken ist seine große Wurfvariabilität.
Justus Fischer in Aktion für die TSV Hannover-Burgdorf
Justus Fischer (Kreis, TSV Hannover-Burgdorf): Wie Martin Hanne und Renars Uscins zählt auch Fischer zu den ganz großen Zukunftshoffnungen bei der TSV Hannover-Burgdorf und auch der A-Nationalmannschaft. Als einziger 2003er Jahrgang ist das Hannoveraner Eigengewächs der jüngste Spieler in Gislasons Team - und derjenige mit den größten Füßen, nämlich Schuhgröße 51 laut "Bild"-Zeitung.
Schon vor der WM 2023 berief Gislason ihn in den erweiterten Kader der deutschen A-Nationalmannschaft. Sein Debüt gab der Kreisläufer aber erst im April 2023 bei der Niederlage gegen Schweden. Drei Tage später erzielte er seine ersten beiden Tore beim Sieg gegen Spanien.
"Justus ist ein unglaublicher Kämpfer. In der Abwehr zeigt er hohen Einsatz, hechtet nach jedem Ball", sagt U21-Nationaltrainer Martin Heuberger über seinen Ex-Schützling. "Außerdem ist seine Einstellung tadellos. Er gibt in jedem Training Vollgas, das imponiert mir sehr."