Deutscher Nachwuchs im Halbfinale U21-Handballer bei der WM - das Geheimnis des Erfolges
Im Gegensatz zu ihren Altersgenossen im Fußball liefern die U21-Handballer: Bei der Heim-WM stehen sie im Halbfinale. Und einige Spieler könnten bald schon im A-Team auflaufen. Die Nachwuchsarbeit des Deutschen Handball-Bundes (DHB) funktioniert.
Schwächelnde Abwehr? Lahmender Angriff? Mangelnde Euphorie? Solche Probleme kennt Martin Heuberger nicht. Im Gegensatz zu ihren Altersgenossen im Fußball schwimmen Deutschlands U21-Handballer mit ihrem Bundestrainer Martin Heuberger auf einer Erfolgswelle und haben Kurs auf den Titel genommen.
Getragen vom Heim-Publikum könnte es am Sonntag (02.07.2023) das erste WM-Gold seit zwölf Jahren geben. "Wir holen den Titel, davon bin ich überzeugt", sagt Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse Berlin und Experte im Nachwuchshandball. Für den deutschen Nachwuchs wäre es nach 2009 (in Ägypten) und 2011 (in Griechenland) der dritte WM-Triumph.
Einige Spieler "mittelfristig auch im A-Team"
Das 31:26 im Viertelfinale gegen Dänemark, dem Nachwuchs des aktuellen Weltmeisters und Olympia-Silbermedaillengewinners, war der sechste Sieg in Serie. In der Runde der letzten vier Teams geht es nun am Samstag in Berlin gegen Serbien. Das zweite Halbfinale bestreiten Ungarn und Island.
Einige der aktuellen Spieler werde man "mittelfristig auch im A-Team sehen", sagt Hanning, was einmal mehr die zurzeit gute deutsche Nachwuchsarbeit unterstreicht. Einen so hoffnungsvollen Jahrgang wie den aktuellen, da sind sich Experten einig, hat der Deutsche Handballbund (DHB) lange nicht mehr gehabt.
Torwart Späth überragend
Gegen die Dänen ragte vor den Augen von Bundestrainer Alfred Gislason vor allem Torwart David Späth mit starken Paraden heraus. Erst zuletzt hatte der 20-Jährige von den Rhein-Neckar Löwen seinem Klub beim Final Four um den deutschen Pokal den Cup gesichert. Mit einem parierten Siebenmeter Sekunden vor Schluss rettete der 1,97-Meter-Mann sein Team im spektakulären Finale gegen Magdeburg erst in die Verlängerung und wuchs in der Overtime über sich hinaus. Dabei war er nach seinem Bundesliga-Debüt mit 18 Jahren wegen eines Kreuzbandrisses lange außer Gefecht gesetzt. Löwen-Spielmacher Juri Knorr adelte Späth hinterher als das derzeit "größte Torwart-Talent in Europa. Er wird einen ganz großen Weg gehen." Für die Heim-WM 2027 müsse man Späth "auf dem Zettel haben", sagt auch Heuberger.
Uscins gilt als Riesen-Talent
Als großes Versprechen für die Zukunft gilt auch der hoch veranlagte Linkshänder Renars Uscins. 2021 führte er Deutschland zum EM-Gold bei der U19 und wurde anschließend ins All-Star-Team des Turniers gewählt. Inzwischen ist der Rückraumspieler mit den lettischen Wurzeln 21 Jahre alt, Kapitän der U21 und spielt in der Bundesliga für Hannover-Burgdorf. Auch seine ersten A-Länderspiele hat er schon gemacht.
Renars Uscins beim Torwurf
"Renars ist eine wichtige Persönlichkeit dieser Mannschaft", sagt Heuberger und lobte vor allem die "hohe Spielintelligenz" seines Führungsspielers. Die A-Länderspiele im Frühling hätten ihm "einen Schub gegeben auf seinem leistungssportlichen Weg ganz nach oben". So ist Uscins sogar ein Kandidat für die Heim-EM der A-Mannschaft im Januar.
Lichtlein setzt Familientradition fort
Ebenfalls auf Gislasons Liste steht Nils Lichtlein. Der Rückraumspieler kommt aus einer Handball-Familie. Sein Großvater Artur Lichtlein sowie sein Onkel Carsten Lichtlein spielten im Tor. Carsten ist aktuell Torwarttrainer der U21. Seine Mutter Silke Lichtlein spielte in der 2. Bundesliga für Regensburg. Im Viertelfinale gegen Dänemark war Lichtlein mit sieben Toren bester Werfer.
Nils Lichtlein im Spiel gegen Tunesien
In der Bundesliga spielt der 20-Jährige für die Füchse Berlin. Der Klub steht wie kein anderer für die deutsche Nachwuchsarbeit. Bauherr der dortigen Kaderschmiede ist Bob Hanning, der sich leidenschaftlich um die Nachwuchsarbeit kümmert. So stellen die Füchse bei der WM auch das Gerüst der Kaders. Mit Lichtlein, Lasse Ludwig, Max Beneke, Moritz Sauter, Matthes Langhoff und Tim Freihöfer sind sechs Spieler dabei.
Wettkampf-Härte und Erfolge
David Späth, Renars Uscins und Nils Lichtlein sind längst angekommen in der Handball-Bundesliga und spielen dort teils schon eine tragende Rolle. Und das ist es auch, was die deutsche Nachwuchsarbeit in diesen Tagen ausmacht. Die Spieler haben Wettkampf-Härte, können mit Druck umgehen und feiern auch schon Erfolge - so wie Späth mit dem Sieg im DHB-Pokal und Lichtlein mit dem Erfolg in der EHF European League mit den Füchsen.
Mentalität, Leidenschaft, Freude
Neben hoher individueller Qualität ist das Team in der Breite sehr gut aufgestellt. Den Hauptgrund für den aktuellen Erfolg sieht Hanning aber in der "herausragenden Mentalität und Leidenschaft" des deutschen Teams. Das sieht auch Sportvorstand Axel Kromer so. Die Mannschaft habe "unglaublich Freude an Leistung", sagte er im ZDF-Morgenmagazin: "Sie bringen Emotionen und zeigen, dass sie sich vor nichts verstecken wollen, sondern einfach bereit sind zu sagen: 'Jawoll, wir wollen hier Großes erreichen.'"
Nachwuchsarbeit ist viel mehr als nur Training
Und was ist das Erfolgsgeheimnis der deutschen Junioren? "Wir kümmern uns mit voller Begeisterung darum, dass Menschen zum Handball kommen, dass Kinder beim Handball gebunden werden, dass die Familien sich wohlfühlen", sagte Kromer: "Wir legen viel Fokus auf Werte, die auch außerhalb des Handballs gefragt sind. Wir haben unglaublich viele engagierte ehrenamtliche Trainer in kleineren und größeren Vereinen, die dafür sorgen, dass die Spielerinnen und Spieler dauerhaft beschäftigt sind und eine Liebe zum Sport entwickeln."
So werde auch das A-Nationalteam bald schon wieder Erfolg haben. Man habe mit Dänemark, Frankreich und Spanien "zwei, drei Mannschaften, die vom Leistungsniveau aktuell noch über uns stehen", so Kromer: "Aber wir wollen daran rütteln. Da ist die Heim-EM im Januar für uns eine gute Gelegenheit, mit dem Publikum im Rücken mit der Begeisterung, die wir in Deutschland jedes Mal im Januar entfachen können, dann vielleicht mehr zu erreichen als in den vergangenen Jahren." Ein WM-Sieg der U21 würde da sicherlich helfen.