UEFA vor Statutenänderung Etwas Kritik, aber kaum echte Opposition gegen Ceferin
Die UEFA tagt heute auf einem Kongress in Paris. Eine mögliche Statutenänderung könnte Präsident Aleksander Ceferin bis 2031 statt nur bis 2027 im Amt halten. Sportrechtler sehen eine Abkehr der UEFA von dem, was eine gute Verbandsführung ausmacht - doch die Opposition dagegen ist klein.
In der UEFA gab es vergangene Woche ungewohnten Widerspruch. Die geplanten Statutenänderungen, über die am Donnerstag (08.02.2024) beim Kongress des europäischen Verbandes in Paris entschieden wird, könnten die Macht von Ceferin und des Exekutivkomitees deutlich ausbauen - die vorgesehen Maßnahmen führten zum Rücktritt des bisherigen "Bereichsleiters Fußball" Zvonimir Boban, der bis dahin einer der engsten Vertrauten von Präsident Ceferin war.
Zvonimir Boban, bislang Bereichsleiter Fußball bei der UEFA
Boban wandte sich gegen die geplante Statutenänderung, laut der Ceferins Amtszeit von 2016 bis 2019 nicht bei der Amtszeitbegrenzung angerechnet werden würde. Dadurch könnte er bis 2031 statt bis 2027 im Amt bleiben, es wären dann bis zu 15 statt der eigentlich vorgesehen maximal zwölf Jahre. "Er verfolgt seine persönlichen Ziele", sagt Boban mit Blick auf Ceferin und fügte an: "Mit diesen Gedanken bin ich nicht alleine."
Der UEFA-Präsident entgegnete daraufhin in einem Interview mit der englischen Zeitung "The Guardian": "Er verdient es nicht, dass ich ihn kommentiere." Ceferin hat sich öffentlich noch nicht festgelegt, ob er sich 2027 bei einer Annahme der Statutenänderung möglicherweise ein viertes Mal zur Wahl stellt.
Die Statutenänderung, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) öffentlich unterstützt, wird nach Informationen der Sportschau von einigen Nationalverbänden kritisch gesehen. Bei einer Sitzung des UEFA-Exekutivkomitees in Hamburg im Dezember 2023 sprach sich der englische Vertreter David Gill gegen das Vorgehen der UEFA-Spitze aus. Und auch Juristen melden Bedenken an.
UEFA argumentiert mit notwendiger Anpassung an Schweizer Recht
Die UEFA und Ceferin argumentieren, dass die Änderung notwendig sei, um die Statuten dem Schweizer Recht anzupassen, dem die in der Schweiz ansässige UEFA unterliegt. Sie dürfe zudem "nicht rückwirkend gelten". Die geplanten Änderungen sehen vor, dass künftig alle Amtszeiten, die vor dem 1. Juli 2017 begonnen wurden, nicht bei der Amtszeitbegrenzung mitgezählt werden.
Bislang gilt das nur für Amtszeiten, die vor dem 1. Juli 2017 auch zu Ende gebracht wurden. Ceferin wurde 2016 beim Kongress in Athen ins Amt gewählt. Die Formulierung der Amtszeitbegrenzung müsse korrigiert werden, da sie in ihrer jetzigen Form nicht wirksam sei, sagte Ceferin im "Guardian".
Der Jurist Miguel Maduro aus Portugal sieht das anders. "Die Regeln waren aus meiner Sicht klar", sagt Maduro, der zwischen 2016 und 2017 bei der FIFA als Vorsitzender des Governance-Komitees über korrektes Verhalten wachte und von Präsident Gianni Infantino aus dem Amt befördert wurde.
Miguel Maduro, früherer Leiter der Governance-Abteilung der FIFA
"Für mich bedeutet die Änderung für Ceferin eine weitere Amtszeit. Bislang hätte seine erste Amtszeit bei der Begrenzung gezählt werden müssen, weil sie nicht vor dem 1. Juli 2017 beendet wurde", sagt Maduro."Mit der Änderung würde sie nicht mehr zählen. Das sendet ein falsches Signal."
Antikorruptionsexperte: "Die Präsidenten der Verbände erinnern mich an Putin"
"Die UEFA bewegt sich weg von dem, was eine gute Verbandsführung ausmacht", findet auch Professor Stephen Weatherill von der Universität Oxford im Gespräch mit der Sportschau. Amtszeitbegrenzungen und ihre Durchsetzung seien gerade im Sport sehr wichtig. "Sie sorgen dafür, dass neue Menschen mit frischen Ideen reinkommen. Und sie stellen sicher, dass Verbände nicht immer autokratischer geführt werden, je länger die Führungsriege im Amt ist. Aber wir sehen: Viele Verbände bewegen sich in die andere Richtung."
Professor Stephen Weatherill von der Universität Oxford
Das spricht auch der Schweizer Rechtswissenschaftler und Antikorruptionsexperte Professor Mark Pieth von der Universität Basel an. Pieth war von 2011 bis 2013 Vorsitzender einer Kommission für Verbandsführung bei der FIFA. Zur Lage bei der UEFA teilte er auf Anfrage der Sportschau mit: "Ich habe bereits öffentlich gesagt, dass mich die Bemühungen von Präsidenten von internationalen Sportdachverbänden, ihre Amtszeit zu verlängern, stark an (Russlands Staatspräsident Wladimir) Putin erinnern würden. Das meine ich auch in Bezug auf die UEFA."
Der Schweizer Rechtswissenschaftler und Antikorruptionsexperte Professor Mark Pieth von der Universität Basel
Gemeint sind damit weitere Größen der Funktionärswelt im Sport. FIFA-Präsident Gianni Infantino bestand darauf, dass seine erste Amtszeit nicht bei der Amtszeitbegrenzung zählt, weil sie nur drei statt vier Jahre dauerte. Er ließ sich diese Sichtweise vom FIFA-Rat bestätigen und kann nun bis 2031 im Amt bleiben.
IOC-Präsident Thomas Bach schloss zuletzt nicht aus, mit einer möglichen Statutenänderung länger als vorgesehen im Amt zu bleiben. Ceferin, der 2016 mit maßgeblicher Unterstützung Russlands ins Amt kam, verwahrt sich dagegen, mit Autokraten und Diktatoren verglichen zu werden. "Die Änderungen bedeuten nicht viel, aber sie wurden mit einem 'Wow!' dargestellt und ich soll nun Kim Jong-un aus Nordkorea geworden sein."
"Flexibilität in den Statuten? Das ist gefährlich"
Neben der Amtszeitbegrenzung legt die UEFA den Delegierten beim UEFA-Kongress weitere Änderungen vor. Dabei sollen alle 19 UEFA-Kommissionen, beispielsweise die für Klubfußball, Nationalmannschaftsfußball und Finanzen, aber auch für Beach Soccer, Schiedsrichter oder Klublizenzierung aus den Statuten gestrichen werden. Stattdessen soll das Exekutivkomitee "nach Bedarf" darüber entscheiden, welche Kommissionen gebraucht werden und welche nicht.
Die UEFA schreibt dazu, dass das Exekutivkomitee "mehr Flexibilität" haben solle. In den Kommissionen sollen die Vorsitzenden und alle Mitglieder zudem künftig vom Exekutivkomitee "ernannt" statt wie bisher in den Statuten vorgesehen "gewählt" werden.
Die UEFA teilt auf Anfrage der Sportschau mit, dass man mit der Änderung nur der Tatsache Rechnung trage, dass die Kommissionsmitglieder schon länger "ernannt und nicht gewählt werden". Jurist Weatherill sagt: "Die UEFA macht mit der Änderung klar, dass die bislang in den Statuten vorgesehenen Wahlen nie stattgefunden haben. Posten können also handverlesen verteilt werden." Er weist zudem auf den Begriff "Flexibilität" hin. "Flexibilität ist gefährlich. Sie birgt das Risiko, dass die Prozesse weniger nachvollziehbar und noch intransparenter werden. Und sie vergrößert die Macht derjenigen, die an der Macht sind."
Person | Verband |
---|---|
Aleksander Ceferin* | UEFA |
Karl-Erik Nilsson** | Schweden |
Zbigniew Boniek** | Polen |
Armand Duka** | Albanien |
Gabriele Gravina** | Italien |
Laura McAllister** | Wales |
David Gill** | England |
Servet Yardimci | Türkei |
Andrii Pavelko | Ukraine |
Jesper Möller | Dänemark |
Alexander Dyukov | Russland |
Just Spee | Niederlande |
Philippe Diallo | Frankreich |
Petr Fousek | Tschechien |
Levan Kobiashvili | Georgien |
Hans-Joachim Watzke | Deutschland |
Nasser Al-Khelaifi | ECA |
Karl-Heinz Rummenigge*** | ECA |
vakant**** | Europäische Ligen |
* Präsident
** Vizepräsident/in
*** scheidet aus, soll beim Kongress durch Miguel Angel Gil Marin (Atletico Madrid) ersetzt werden
**** hinzukommen wird außerdem Pedro Proença (Ligapräsident Portugal), der auf dem Platz der europäischen Ligen auf den zurückgetretenen Javier Tebas (Spaniens La Liga) folgen soll.
Keine Opposition in Sicht
Doch selbst wenn einige Verbände mit dem Vorgehen nicht einverstanden sind, bildet sich keine echte Opposition gegen Ceferin oder auch nur gegen die Statutenänderungen. Manche Verbände sehen England in einer Führungsrolle in einer Gruppe der Unzufriedenen. Medial werden dem Rumänen Razvan Burleanu Ansprüche nachgesagt, eines Tages gegen Ceferin anzutreten. Ceferin selbst sprach im Interview mit dem "Guardian" von "einem Clown", der im Hintergrund gegen ihn agiere, ohne einen Namen zu nennen.
Rumäniens Verbandspräsident Razvan Burleanu
Doch kaum ein Verband hat wirklich den Willen, Ceferins Vorhaben und die Statutenänderungen zu stoppen. Das 44 Seiten lange Dokument mit den vorgeschlagenen Änderungen wird dem Kongress als Gesamtpaket zur Abstimmung vorgelegt. Nur wenn eine Mehrheit über jeden Artikel einzeln diskutieren und abstimmen will, wäre dieses Vorgehen möglich. "Das wird nicht passieren", sagt ein Verbandsvertreter im Gespräch mit der Sportschau. "Die Änderungen sind im Grunde beschlossene Sache." Auch Rumäniens Burleanu kündigte inzwischen an, zuzustimmen.