Das DFB-Team in der Einzelkritik Viele Zauberfüße und ein Bodyguard
Im EM-Eröffnungsspiel gegen Schottland überbietet sich die DFB-Offensive im Erzielen von Traumtoren. Ein Eigentor sorgt für einen kleinen Schönheitsfehler - die Einzelkritik.
Manuel Neuer
Ein ruhiger Abend für Deutschlands Nummer eins. Wurde von harmlosen Schotten nie in Gefahr gebracht. Das übernahm Antonio Rüdiger kurz vor dem Ende, als er unglücklich den eigenen Torwart überwand. Neuer hätte vielleicht allzu gerne die schwelende Torhüterdiskussion durch ein paar Glanzparaden erlöschen lassen. Darf sich aber bei seinen Teamkollegen bedanken, dass sie mit diesem deutlichen Sieg für anderen Gesprächsstoff gesorgt haben.
Joshua Kimmich
Sollte gegen die schottische Verteidigung das Spiel breit machen und durch Pässe in die Schnittstellen für Gefahr sorgen. Machte das bravourös. Nach zehn Minuten fand er einen freistehenden Florian Wirtz, nach 42 Minuten Ilkay Gündogan im Strafraum. Er leitete die Aktion, die zum Elfmeter führte ein und war somit an zwei Toren entscheidend beteiligt. Und auch in der Rückwärtsbewegung dirigierte er. Ein gelungener EM-Auftakt für den Rechtsverteidiger.
Antonio Rüdiger
Agierte als Abwehrchef. Sicherte den aufrückenden Kimmich gut ab, räumte hinten kompromisslos ab, was Schottland in seine Richtung schickte - und schaltete sich später mangels Beschäftigung auch in die Offensive ein. Wurde kurz vor Schluss nicht durch den VAR bewahrt, seine gute Leistung durch ein Eigentor mit einem kleinen Schönheitsfehler zu versehen.
Jonathan Tah
Überließ Rüdiger die Chefrolle und machte in seinem Schatten ein gutes Spiel. Bereinigte Pässe, die das Potenzial hatten, gefährlich zu werden. Spielte im Aufbauspiel kaum einen Fehlpass, kassierte aber in der 62. Minute eine unnötige Gelbe Karte und bringt sich für die kommenden Gruppenspiele in Bedrängnis, da bereits eine weitere Verwarnung zur Sperre führt.
Maximilian Mittelstädt
Hatte im fünften Länderspiel seiner Karriere direkt die Aufgabe, den ersten langen Ball in Richtung schottisches Tor zu schicken und somit den Ton der Partie vorzugeben. Agierte anschließend unaufgeregt und unauffällig, was durchaus positiv zu bewerten ist.
Toni Kroos
Durch schnelle Seitenwechsel wollte Deutschland die schottische Defensive überwinden. Wie gut für Nagelsmann, dass er Kroos von einem Comeback überzeugen konnte. Bewies, dass er solche Seitenwechsel so gut wie kaum ein anderer spielen kann. Schickte in der 10. Minute genau solch einen in Richtung Kimmich, der für Wirtz zum 1:0 auflegte. Und spielte auch in den restlichen 80 Minuten 100 Pässe, die beim Mitspieler ankamen.
Robert Andrich (bis zur 45. Minute)
Hatte von Julian Nagelsmann vor dem Turnier die Rolle des Bodyguards für die feinen Füße im Mittelfeld bekommen. Nahm diesen Auftrag sehr ernst. Setzte immer wieder durch harte Tacklings Zeichen, übertrieb es allerdings: Drei Fouls in dreißig Minuten bedeuteten die frühe Gelbe Karte. Spielte anschließend vorsichtiger und musste in der Halbzeit vom Platz.
Ilkay Gündogan
Hatte am Ende der Partie wahrscheinlich mehr Anweisungen gegeben als Ballberührungen gesammelt. War ständiges Sprachrohr des Bundestrainers. Hatte er doch den Ball, wurde es gefährlich. Sein Steilpass auf Kai Havertz leitete in der 19. Minute das 2:0 ein. Brachte kurz vor der Pause einen gefährlichen Kopfball aufs Tor von Angus Gunn, wurde per Foul am Nachschuss gehindert und holte so den Elfmeter zum 3:0 heraus.
Florian Wirtz (bis 62.)
Hatte in der Anfangsphase Probleme mit der intensiven Bewachung durch die Schotten. Prallte immer wieder an den bulligen Verteidigern ab. Nutzte nach zehn Minuten eiskalt aus, dass er für einen Moment unbeobachtet war und brachte Deutschland mit einem sehenswerten Distanzschuss auf die Siegerstraße. Auch anschließend immer wieder mit feinen Offensivaktionen. Schoss so oft aufs Tor wie kein anderer Spieler.
Jamal Musiala (bis 73.)
Ähnlich wie Wirtz hatte er in den ersten Minuten der Partie durchaus seine Mühe mit der harten Gangart der schottischen Verteidiger. Nutzte dann genauso wie sein Kumpel die erste Möglichkeit, die sich ihm bot und erhöhte nach 20 Minuten auf 2:0. Wechselte oft die Position, tauchte überall auf, wo es gefährlich werden konnte und wurde verdient "Man of the Match". Wurde schließlich durch Thomas Müller ersetzt.
Jamal Musiala bejubelt seinen Treffer zum 2:0.
Kai Havertz (bis 62.)
Tat sich als Sturmspitze gegen eine körperliche und tief stehende Defensive schwer. Konnte selbst über weite Strecken nicht den größten Einfluss aufs Spiel ausüben. Wurde nach 20 Minuten von Gündogan geschickt und legte lieber zurück zu Musiala, anstatt den schnellen Abschluss zu suchen. Traf damit die richtige Entscheidung und bereitete so das 2:0 vor. Sorgte in der 44. Minute per Elfmeter für die Vorentscheidung.
Pascal Groß (ab 45.)
Kam für Andrich zur Halbzeit. Hatte deutlich mehr Spielanteile als sein Vorgänger, hatte gegen dezimierte und enttäuschte Schotten allerdings auch deutlich mehr Platz.
Leroy Sané (ab 62.)
Wurde direkt nach seiner Einwechslung von Kimmich ins Tempodribbling geschickt, konnte seine Chance aber nicht nutzen. Zog immer wieder in den schottischen Strafraum, deutete an, warum er im weiteren Turnierverlauf sehr wichtig werden kann, blieb aber im Auftaktspiel glücklos.
Niclas Füllkrug (ab 73.)
Kam rein und zeigte, wie effektiv er im Trikot der Nationalmannschaft ist. Machte mit seiner ersten Chance das 4:0. Nur wenig später traf er sogar erneut ins Tor, musste aber einen Jubel abbrechen, weil er bei seinem Schuss im Abseits gestanden hatte.
Thomas Müller (ab 73.)
Wurde schon vor seiner Einwechslung mit Sprechchören gefeiert. Bekam eine Standing Ovation und setzte sich in der 73. Minute neben Lukas Podolski auf Platz drei der Nationalspieler mit den meisten Länderspielen. Zeigte in seinem 130. Einsatz für den DFB Spielfreude und legte nur kurz nach seiner Einwechslung ein Tor auf, das allerdings wegen einer Abseitsposition von Füllkrug aberkannt wurde. Bediente in der Nachspielzeit Can und konnte doch noch einen Assist feiern.
Emre Can
Wurde erst wenige Tage vor dem Auftaktspiel für Aleksandar Pavlović nachnominiert und musste seinen Urlaub abbrechen. War aber sofort voll da und sorgte mit seinem schönen Schuss zum 5:1 für den Schlusspunkt eines spektakulären Siegs.