Einsatz bei EM-Auftakt 130 Länderspiele: Thomas Müller zieht mit Podolski gleich
Ein Jubiläum ist nochmal schöner, wenn man es im eigenen Wohnzimmer feiern darf. Thomas Müller kam in diesen Genuss. Der deutsche EM-Auftakt gegen Schottland (5:1) in München war für den Bayern-Profi der 130. Länderspieleinsatz.
Damit zog Müller mit Lukas Podolski gleich. Die beiden Legenden stehen nun gemeinsam auf Rang drei der Rangliste mit den meisten Einsätzen fürs DFB-Team. An der Spitze thront Lothar Matthäus, der Weltmeister von 1990 kam insgesamt zu 150 Spielen. Auf Rang zwei folgt Miroslav Klose mit 137 Partien.
Julian Nagelsmann schätzt die Qualitäten von Thomas Müller
Den WM-Rekordtorjäger kann Müller im Verlauf der Heim-EM nicht mehr einholen, bei einem optimalen Verlauf für die deutsche Mannschaft - sprich dem Finaleinzug und einem Einsatz in jedem Spiel - könnte Müller bis zum Ende des Turniers auf 136 Länderspiele kommen. Der 34-Jährige ist zwar kein zwingender Kandidat für die Startelf der Nationalmannschaft mehr, als Joker greift DFB-Coach Julian Nagelsmann aber immer wieder gerne auf die Dienste von Müller zurück. Nach wie vor gilt der Offensivspieler als "Raumdeuter". Als einer, der ein Näschen für brenzlige Situationen hat, diese antizipiert und zudem durch sein unkonventionelles Spiel etwas Anarchie mit einbringt.
Müller bewies gegen die Schotten, dass er als Joker sofort ein Faktor sein kann. Gegen den tiefstehenden Gegner, der in Unterzahl mit nahezu der kompletten Mannschaft den eigenen Strafraum verteidigte, kam Müller in der 74. Minute für den starken Jamal Musiala ins Spiel. Er brauchte nur zwei Minuten, um mit einer Flanke aus dem linken Halbfeld einen Treffer von Niclas Füllkrug vorzubereiten, der allerdings nach VAR-Prüfung wegen Abseits korrekterweise zurückgenommen wurde.
Müller sorgte in der schottischen Abwehr für Unruhe
Auch in der Folge zeigte Müller, dass er mit seiner unorthodoxen Spielweise gegen dicht gestaffelte Kontrahenten eine Hilfe ist. Er war für Schottland schwer zu greifen, fand immer wieder freie Räume und kam schließlich in der Nachspielzeit noch zu seinem Assist. Nach einer Kombination über Leroy Sané und Müller kam der Ball zu Emre Can, der aus knapp 18 Metern mit einem überlegten Schlenzer ins rechte Eck zum 5:1 einnetzte.
"Man wünscht sich einen Auftaktsieg, man wünscht sich Tore - das haben wir alles gesehen. Wir haben auch nicht nachgelassen und hatten Energie", sagte Müller nach der Partie, bremste aber gleichzeitig die Euphorie: "Darauf können wir aufbauen, doch die Rückschläge kommen oft von alleine. Das zweite Spiel ist immer sehr schwierig."
Ein schönes Jubiläum also. 130 Länderspiele bedeuten eine lange Reise mit dem DFB-Team. Müller hat sehr viel erlebt. So unberechenbar wie die Spielweise des Angreifers verlief bereits sein Einstand bei der deutschen Nationalmannschaft. Müller feierte im März 2010 in der Münchner Arena gegen Argentinien (0:1) sein Debüt. Er stand in der Startelf und wurde nach 67 Minuten ausgewechselt.
Diego Maradona erkennt Müller nicht
So weit, so normal. Doch nach dem Spiel gab es einen handfesten Eklat. Müller wurde für die Pressekonferenz einbestellt und saß bereits auf dem Podium, als der argentinische Trainer, kein Geringerer als Legende Diego Maradona, den Raum betrat. Der Weltmeister von 1986 erblickte Müller völlig entgeistert, hielt den Deutschen für einen Balljungen und echauffierte sich fürchterlich.
Es wirkte, als empfinde Maradona die bloße Anwesenheit von Müller als respektlos und unter seiner Würde. Er gestikulierte wild und verließ den Raum, ohne Müller überhaupt zu grüßen. Der Jungstar wusste zunächst nicht, wie ihm geschah und verließ nach Aufforderung der DFB-Offiziellen schließlich das Podium wieder, nahm die Situation aber mit dem ihm bereits damals eigenen Humor. Als der vermeintliche Balljunge weg war kehrte dann auch Maradona zurück und gab zu: "Ich wusste nicht, dass das ein Spieler war."
Argentiniens Trainer Diego Armando Maradona verlässt genervt die Pressekonferenz, weil er nicht ohne einen Deutschen Spieler an der PK teilnehmen will. Thomas Müller (l.) erkennt er nicht.
Bei der WM 2010 in Südafrika machte Müller sich dann auch auf der ganz großen Bühne einen Namen. Im ersten deutschen Gruppenspiel gegen Australien (4:0) erzielte Müller sein erstes Länderspieltor und bereitete einen weiteren Treffer vor.
Thomas Müller jubelt nach seinem ersten Länderspieltor gegen Australien bei der WM 2010.
Süße Rache an Diego Maradona
Im Achtelfinale gegen England (4:1) traf Müller dann doppelt, beim 4:0 im Viertelfinale gegen Argentinien erzielte er bereits in der dritten Minute per Kopf das 1:0 und stellte damit früh die Weichen auf Sieg. Spätestens jetzt kannte ihn auch Coach Maradona - eine süße Rache für den damals 20-Jährigen. Leider sah Müller gegen die Südamerikaner auch seine zweite Gelbe Karte, sodass er im Halbfinale gegen Spanien (0:1) gesperrt fehlte.
Schiedsrichter Ravshan Irmatov zeigt Thomas Müller die Gelbe Karte im WM-Spiel gegen Argentinien.
"Goldener Schuh" bei der WM 2010 in Südafrika
Im Spiel um Platz drei gegen Uruguay (3:2) durfte Müller wieder mitwirken - und erzielte erneut das 1:0. Sein fünfter Treffer im Turnier sorgte zusammen mit den drei Torvorlagen dafür, dass der Jungstar mit gerade einmal 20 Jahren den "Goldenen Schuh" bei der WM 2010 in Südafrika erhielt.
Thomas Müller bei der WM 2014 ein Hauptdarsteller
Seine WM-Form konservierte Müller für die WM 2014 in Brasilien, wo er mit der deutschen Mannschaft den Titel holte. Auch damals war der Bayern-Profi einer der Protagonisten im DFB-Team. Im ersten Gruppenspiel gegen Portugal (4:0) steuerte er einen Dreierpack bei, im dritten Match gegen die USA (1:0) den goldenen Treffer. Beim surrealen 7:1 gegen Gastgeber Brasilien im Halbfinale erzielte er das wichtige 1:0. Müller stand beim Turnier 2014 in sämtlichen Spielen in der deutschen Anfangsformation, erzielte fünf Treffer und leistete fünf Assists - eine herausragende Bilanz.
Thomas Müller dreht zum Jubeln ab nach seinem Tor im WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien.
Seine weiteren Weltturniere - 2018 und 2022 - verliefen indes für Müller weit weniger erfolgreich. Zweimal schied er mit dem deutschen Team bereits nach der Vorrunde aus, zweimal blieb er ohne Torbeteiligung. Dass er 2022 in Katar beim deutschen Eröffnungsspiel gegen Japan (1:2) in der Startelf stand und somit zu seinem 100. Länderspiel kam, dürfte für den ehrgeizigen Müller kein Trost gewesen sein.
Müller und die Europameisterschaften - noch kein Match
Ähnlich mau wie bei seinen letzten beiden Weltmeisterschaften sieht Müllers bisherige EM-Bilanz aus. Bei der EM 2012 blieb er ohne Tor und Vorlage, bei der EM 2016 leistete er zumindest einen Assist. Bei beiden Turnieren schied Deutschland im Halbfinale aus. 2021 (Aus im Achtelfinale gegen England) ging er beim Kontinentalturnier erneut leer aus, sodass nach drei Europameisterschaften in seiner Trefferbilanz noch die Null steht.
Thomas Müller kann es nicht fassen: Er hat gerade die große Chance zum Ausgleich im EM-Achtelfinale 2021 gegen England liegen lassen.
Kaum zu glauben bei so einem torgefährlichen Spieler, noch dazu mit diesem Riecher für brenzlige Situationen. Vielleicht hübscht Müller seine traurige EM-Bilanz ja noch beim Heimturnier 2024 auf. Sein Jubiläum hat er mit der 130. Partie für Deutschland nun gefeiert, der logische nächste Schritt wäre, endlich den "Euro-Bann" zu brechen. Im Idealfall hat Müller noch sechs weitere Spiele Zeit, das zu schaffen.