EM-Sensation VAR-Pech und Chancenwucher: Belgien unterliegt Slowakei
Die Slowakei hat bei der Fußball-EM in Deutschland für die erste Sensation gesorgt. Der Außenseiter bezwang am Montagabend (17.06.24) in Frankfurt den ewigen Turniermitfavoriten Belgien glücklich mit 1:0 (1:0).
Ivan Schranz erzielte in der siebten Minute das goldene Tor gegen die angebliche "goldene Generation" Belgiens. Der Erfolg des Teams von Coach Francesco Calzona war allerdings äußerst glücklich. Die Mannschaft von Trainer Domenico Tedesco hatte jede Menge gute Chancen, war im zweiten Durchgang drückend überlegen und beklagte zwei nicht gegebene Treffer nach Eingriff des Videoassistenten.
"Ein Unentschieden wäre in jedem Fall möglich gewesen. Wir hatten Chancen, haben aber einfach das Tor nicht gemacht", trauerte Belgiens Kapitän Kevin De Bruyne den vielen vergebenen Möglichkeiten nach: "Aber das Glück muss man eben erzwingen."
Doku erst brillant, dann amateurhaft
Die ersten sieben Minuten standen ganz im Zeichen von Belgiens Offensivmann Jérémy Doku. Der Rechtsaußen stellte zunächst zweimal eindrucksvoll seine Sprinterqualitäten unter Beweis und war damit Ausgangspunkt der Chancen von Romelu Lukaku und Leonardo Trossard, die jeweils an Keeper Martin Dúbravka scheiterten (3., 5.). Dann aber patzte Doku folgenschwer.
Nach einem Einwurf an der Eckfahne passte der 22-Jährige den Ball in den eigenen Strafraum direkt in die Füße von Schranz. Der legte sofort per Hacke auf Juraj Kucka ab, dessen Abschluss Koen Casteels zwar noch parieren konnte, aber im Nachschuss war Schranz dann zum 1:0 für die Slowaken erfolgreich.
Belgien schwerfällig, aber mit zwei Top-Chancen
Tedesco war verständlicherweise not amused über den törichten Querpass Dokus, den man so selbst in Kreisliga-Niederungen selten sieht. Und auch das, was seine Elf nach dem Fauxpas zeigte, löste beim früheren Bundesliga-Trainer keine Begeisterungsstürme aus. Viel zu selten lief der Ball flüssig und schnell durch die Reihen der "Roten Teufel". Dem furiosen Auftakt mit den beiden Chance in den ersten fünf Minuten folgte eine fast schwerfällige, aber allemal uninspirierte Darbietung.
Tedesco hadert mit der Chancenverwertung
Nach der Partie wirkte Tedesco hin- und hergerissen. "Ganz grundsätzlich haben wir es gut gemacht", sagte er im Sport-Interview zwar, kritisierte aber auch: "Wir müssen das Tor machen, wenn Du führst, ist vieles einfach." Vor allem mit der mangelhaften Verwertung der "extrem vielen und qualitativ hochwertigen Torchancen" haderte er.
Das Kuriose dabei: Belgien hätte dennoch zur Pause führen können. Denn nach einem Patzer von Keeper Dúbravka war das slowenische Gehäuse verwaist. Dass Trossard das Spielgerät überhastet in die Zuschauerränge schoss (21.), war sinnbildlich für die belgische Leistung. So auch die vergebene Möglichkeit von Lukaku kurz vor der Pause (42.).
Keeper Casteels verhindert zweites Slowaken-Tor
Zur Ehrenrettung des Tedesco-Teams sei allerdings gesagt: Die Slowakei spielte nach der defensiv wackeligen Anfangsphase gut. Sehr gut sogar. Die "Sokoli" ("Falken") arbeiteten im "Adlerhorst" der Frankfurter Eintracht konzentriert gegen den Ball und setzten offensiv immer wieder Nadelstiche. Die Mannschaft von Coach Calzona überbrückte nach Balleroberungen schnell das Mittelfeld und war auf rasche Abschlüsse aus.
Lukas Haraslin besaß in der 40. Minute sogar die Chance, auf 2:0 zu erhöhen. Er scheiterte mit seiner Volleyabnahme aber am glänzend parierenden Casteels. Eine Zwei-Tore-Führung des Außenseiters wäre dann jedoch des Guten zu viel gewesen.
Lukaku-Tor zählt nicht
Die zweite Hälfte begann, wie die erste angefangen und aufgehört hatte: mit einer Lukaku-Chance. Der 31-Jährige kam im Strafraum frei zum Abschluss, scheiterte jedoch erneut an Dúbravka (55.). Die anschließende Ecke führte Belgien kurz aus: Trossard flankte zu Amadou Onana, der legte per Kopf für Lukaku auf, der den Ball per Ausfallschritt ins Gehäuse beförderte. Das große Pech des neuen belgischen EM-Rekordspielers (elf Turniereinsätze): Er stand im Abseits.
Die "Roten Teufel" ließen sich von dem aberkannten Treffer nicht demoralisieren. Der WM-Dritte von 2018 zog nun ein Powerplay auf und hätte durch den eingewechselten Johan Bakayoko zum Ausgleich kommen können, nein: müssen. Der 21-Jährige kam aus wenigen Metern frei zum Abschluss, schoss aber zu unpräzise und traf so den auf der Linie stehenden David Hancko (63.).
Belgien wird weiteres Tor aberkannt
Unvermögen und Pech hatten sich bei den Belgiern längst vermischt. Aus dem Spiel heraus wollte es gegen aufopferungsvolle Slowaken einfach nicht klappen mit dem Toreschießen. Und was kann in solchen Fällen helfen? Beispielsweise die gute, alte Brechstange. Im Fall von Belgien wäre dieses Stilmittel vielleicht sogar optimal gewesen, haben sie im Angriff in Lukaku doch einen Mann, der fraglos auch als Türsteher eine sehr gute Figur abgeben würde.
Doch die Tedesco-Elf versuchte weiter, mit spielerischen Mitteln zum Erfolg zu kommen. Und sie wurde dafür scheinbar belohnt: Dodi Lukebakio setzte sich auf der linken Seite durch, passte zurück auf Lukaku, der mühelos zum 1:1 einschob. Der Jubel war groß bei den Belgiern, aber er währte nur kurz. Denn Schiedsrichter Umut Meler (Türkei) verwehrte dem Treffer nach Sichtung der TV-Bilder die Anerkennung, weil Lois Openda in der Entstehung des Tores ein Handspiel begangen hatte (89.). So blieb es bei der äußerst bitteren Auftaktpleite für die "Roten Teufel".
Die Belgier stehen nun in ihrer zweiten Partie am Sonnabend (22.06.24, 21 Uhr, im Audiostream und Live-Ticker bei sportschau.de) gegen Rumänien bereits unter großem Druck. Die Slowakei tritt bereits am Freitag (21.06.24, 15 Uhr, im Audiostream und Live-Ticker bei sportschau.de) gegen die Ukraine an.