UEFA-Vizepräsidentin McAllister "Nur mit Männern arbeiten? Manchmal ist es seltsam"
Laura McAllister ist Vizepräsidentin der UEFA. Im Exekutivkomitee ist sie eins von 18 Mitgliedern - und die einzige Frau. Im Interview spricht sie über Hindernisse, Chancen und Veränderungen für Frauen in den Verbänden.
Sportschau: Laura McAllister, Sie sind die erste Frau, die als Vizepräsidentin für die UEFA arbeitet. Was bedeutet dieses Amt für Sie?
McAllister: Ich nehme diese Verantwortung sehr ernst. Ich denke, dass es für alle Frauen, die im Fußball arbeiten, wichtig ist, eine Frau zu sehen, die aus dem Fußball kommt und jetzt - wie ich hoffe - einen gewissen Einfluss auf die Entscheidungsfindung im europäischen Fußball hat.
Prof. Laura McAllister wurde beim UEFA-Kongress in Lissabon 2023 zum Mitglied des Exekutivkomitees gewählt und wurde danach als erste Frau in das Amt der Vizepräsidentin berufen. Die 59-Jährige kommt aus Wales und war früher Kapitänin des Nationalteams. Sie arbeitet als Wissenschaftlerin an der Universität von Cardiff.
Sportschau: Das UEFA-Exkekutivkomitee ist das mächtigste Gremium im europäischen Fußball. Es besteht aus 17 Männern und Ihnen. Wie ist es für Sie, nur mit Männern zu arbeiten?
McAllister: Nun, für mich ist es anders. Denn in Wales haben wir uns eindeutig der Vielfalt verschrieben. Es ist schon lange her, dass ich in einer rein männlichen Umgebung gearbeitet habe. Aber ich wusste, dass dies der Fall sein würde, weil ich die einzige Frau war, die auf dem UEFA-Kongress in Lissabon gewählt wurde. Ich war also darauf vorbereitet. Und ich möchte meinen männlichen Kollegen gegenüber fair sein, sie behandeln mich mit dem Respekt, den ich von ihnen erwarte. Ja, manchmal fühlt es sich seltsam an. Aber ich hoffe, dass ich nicht mehr lange die einzige Frau am Tisch sein werde.
UEFA-Vizepräsidentin Laura McAllister
Sportschau: Sie sitzen auf dem Platz, der für eine Frau garantiert ist. Ab 2025 soll es einen zweiten Quotenplatz im Exekutivkomitee geben. Ist das genug?
McAllister: Es wäre einfach, das zu kritisieren und zu sagen: Es sind weiterhin nur zwei Frauen. Es ist immerhin eine Verdoppelung. Auf die offenen Plätze abseits der Quotenplätze können sich Frauen auch zur Wahl stellen und ich hoffe, dass in Zukunft Frauen auf diesem Weg in das Gremium kommen. Ich verstehe die Kritik der Leute. Aber wenn ich in meiner Laufbahn in der Sportverwaltung eines gelernt habe, dann ist es, dass es lange dauert, bis sich etwas ändert. Man muss die Menschen von den Vorzügen der Modernisierung und der größeren Vielfalt überzeugen. Ich hoffe, dass wir genau das im Moment tun.
Sportschau: Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness setzt sich stark für Gleichstellung ein. Auch Belgiens Verband hat mit Pascale Van Damme eine Präsidentin. Debbie Hewitt in England, Heike Ullrich in Deutschland, Teresa Romao in Portugal oder Sie in Wales haben ebenfalls führende Funktionen - ändert sich gerade etwas?
McAllister: Es ist zumindest ein wichtiger Schritt nach vorne. All diese Frauen, die Sie erwähnt haben, kenne ich sehr gut. Nichts würde mich mehr freuen, als sie auch in den europäischen Entscheidungsgremien vertreten zu sehen.
DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich
"Ich bin ein großer Fan von Quoten"
Sportschau: Derzeit einer, bald zwei - sind Quotenplätze die richtige Lösung, um eine Vertretung von Frauen sicherzustellen?
McAllister: Ich bin ein großer Fan von Quoten, weil es keinen anderen Weg gibt, um sicherzustellen, dass Frauen überhaupt den ersten Schritt zu einer Vertretung machen können. Wenn Frauen dabei sind, dann können sie die kulturelle Modernisierung der Organisation beeinflussen. Aber eine zusätzliche Frau im nächsten Jahr bedeutet nicht, dass wir das Problem gelöst haben oder dass wir zufrieden sein sollten. Ich glaube, dass der Fußball stärker wird, wenn er seine Verhältnisse besser widerspiegelt. Heutzutage ist es sehr selten, dass man in einer Organisation eine Gruppe weißer Männer sieht, die allein eine Organisation leiten. Fast jeder Bereich hat die Vorteile einer vielfältigen Vertretung erkannt. Und ich denke, das hat auch die UEFA getan.
Lise Klaveness, Präsidentin des norwegischen Fußballverbands
Sportschau: Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness hat auch für das Exekutivkomitee kandidiert, wurde aber nicht gewählt. Sie wollte einen der offenen Plätze fernab der Quote haben. Sie sagte, sie möchte nicht als Frau, sondern als Präsidentin eines Mitgliedsverbandes gewählt werden. Können Sie diese Ansicht verstehen?
McAllister: Lise und ich sprechen sehr viel darüber, weil wir etwas unterschiedliche Ansichten über die Quotenplätze haben. Ich respektiere Lises Entscheidung, für einen der offenen Plätze zu kandidieren. Bedauerlicherweise wurde sie nicht gewählt. Ich würde mir wünschen, dass sie bald gewählt wird, auf welchem Weg auch immer. Denn auch ich finde, dass wir dahin kommen müssen, dass es für eine Frau selbstverständlich ist, bei den Wahlen für die offenen Plätze zu kandidieren.
Sportschau: Sie haben 2021 die Wahl bei der UEFA um den europäischen Platz einer Frau im FIFA-Rat verloren und 2016 konnten sie nicht antreten, weil die Zahl von Vertretern aus Großbritannien beschränkt ist. Man kann behaupten, sie haben um einen solchen Platz gekämpft - warum ist Ihnen das wichtig?
McAllister: Es geht sicherlich nicht um mich. Es geht in erster Linie darum, die vielen, vielen Frauen zu vertreten, die sich für den Fußball engagieren. Ich habe einen Vollzeitjob, ich bin Akademikerin und ich war nicht auf der Suche nach mehr Arbeit. Aber ich habe erkannt, dass die Erfahrung, die ich als ehemalige Spielerin und als Funktionärin habe, wertvoll ist, um die Stimme der Frauen im Fußball zu vertreten. Ich denke, es ist auch notwendig, die Repräsentation von anderen Menschen zu verbessern, die derzeit auf den höchsten Ebenen des Fußballs nicht gut vertreten sind.
UEFA-Vizepräsidentin Laura McAllister aus Wales
Der Fall Rubiales - "Wir müssen sicherstellen, dass sowas nicht wieder passiert"
Sportschau: Machtmissbrauch ist ein entscheidendes Thema in der Beziehung zwischen Männern und Frauen im Fußball wie auch in der Gesellschaft. Glauben Sie, dass die FIFA und die UEFA mit dem Fall Luis Rubiales richtig umgegangen sind, oder hätten Sie sich eine andere Herangehensweise an diesen Fall gewünscht?
Luis Rubiales ist als Präsident des spanischen Fußballverbandes zurückgetreten.
McAllister: Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, auf einen Vorfall zurückzublicken und die Reaktion darauf zum damaligen Zeitpunkt zu analysieren. Ich habe ausführlich mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin darüber gesprochen und er hat mir versichert, dass er Reformen und Veränderungen unterstützt und sich mit diesen Problemen befasst. Ein Beweis dafür ist, dass er mich gebeten hat, den Vorsitz der Arbeitsgruppe Gleichstellung zu übernehmen.
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Sportschau: Rubiales war bis zu seiner Sperre ebenfalls Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee. Was war Ihre persönliche Reaktion, als Sie diese Vorfälle gesehen haben?
McAllister: Meine Reaktion war absolute Überraschung und Abscheu über das Verhalten. Aber ich finde, wir müssen etwas tun, statt unseren Abscheu über den Vorfall zu äußern. Wir müssen sicherstellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen, dass wir die Kultur des Fußballs so verändern, dass die Stimme und die Vertretung der Spielerinnen wichtig werden. Ich hoffe, dass wir jetzt an einem Wendepunkt angelangt sind.
"Meine Bahn bei der EM hatte nur eine kleine Verspätung"
Sportschau: Sie waren in mehreren Städten und Stadien bei der EM in Deutschland, wie ist Ihre Erfahrung?
McAllister: Bis jetzt hat es mir sehr gut gefallen. Ich finde, Deutschland ist ein wirklich wunderbares Land, so vielfältig mit seinen vielen Regionen. Es fühlt sich vor allem wieder mal an wie ein richtiges Fußballturnier.
Sportschau: UEFA-Präsident Ceferin bezeichnete die EM als ein grünes, ein nachhaltiges Turnier. Wie reisen die UEFA-Funktionäre? Reisen Sie mit dem Auto oder haben Sie die Deutsche Bahn benutzt?
McAllister: Ich lasse meinen Worten gerne Taten folgen und ich habe mich der Nachhaltigkeit verpflichtet, denn ich bin Vorsitzende der UEFA-Kommission für soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Deshalb habe ich den Zug benutzt.
Verspätungen und Zugausfälle sorgten bei einigen EM-Besuchern für Frust.
Sportschau: Wie war's?
McAllister: Ich weiß, dass es einige Probleme mit den Zügen gab und dass sie nicht so reibungslos liefen, wie wir vielleicht gehofft hatten. Es gab auch für mich eine kleine Verspätung - nichts, worüber man sich zu sehr aufregen müsste. Und es ist immer noch viel angenehmer, als zu einem Flughafen zu fahren und dort zu warten. Es ist auch ein sehr großes Turnier, und die Bewegungen der Fans zwischen den Städten sind enorm. Ich glaube, die UEFA hat sich auf organisatorischer Ebene wirklich Gedanken über die Nachhaltigkeit gemacht, beispielsweise mit der Regionalisierung der Spiele.
Sportschau: Die nächste EM steht 2025 an - die der Frauen in der Schweiz. Welche Bedeutung hat dieses Turnier?
McAllister: In der Schweiz wird die EM leicht mit dem Zug erreichbar sein. Auch das ist eine wirklich positive, nachhaltige Botschaft. Und der Fußball der Frauen entwickelt sich immer weiter. Das Finale der Champions League in Bilbao war ausverkauft. Das bedeutet für mich eine echte Etablierung des Frauenfußballs. Die Fans in Bilbao, das waren auch Gruppen junger Männer. Es waren nicht nur Familien, wie es vielleicht in der Vergangenheit beim Frauenfußball der Fall war. Ich glaube, dass der Frauenfußball weiter wachsen wird. Und das gibt mir mehr Zufriedenheit und Freude als alles andere.