EM 2024 Das nachhaltige Turnier - und die Zuverlässigkeit der Bahn
Die EM 2024 wird von UEFA und DFB als grünes und nachhaltiges Turnier beworben. Viel hängt dafür von einem Akteur und dessen Zuverlässigkeit ab: der Deutschen Bahn.
Schon zu Jahresbeginn 2022 machte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin klar, welchen Markenkern die EM haben soll. "Es wird eine grüne EM, sehr umweltfreundlich. Es wird eine nachhaltige EM sein." Es geht ums Klima und damit ist das Thema Mobilität der Fans und Teams unweigerlich eines der größten. So wurde die Bahn zu einem offiziellen Sponsor der UEFA und zu einem entscheidenden Faktor für das "grüne Turnier".
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Vergünstigte Tickets sollen die Fans vom Flugzeug auf die Schiene bringen, mehr als 100.000 wurden nach Angaben der Bahn bislang verkauft, was im Vergleich zu 2,7 Millionen Eintrittskarten steht. In Deutschland gibt es für Fahrten innerhalb Deutschlands Fahrkarten zum Preis von 30 Euro in der 2. Klasse (40 Euro für die 1. Klasse) für Ticketinhaber.
Aus dem Ausland können Fans mit vergünstigten Interrailtickets anreisen, 4.000 wurden laut Bahn verkauft. An den Stadien gibt es kaum Parkplätze, die wenigen verfügbaren kosten 24 Euro. In sozialen Netzwerken wirbt die UEFA bei den Fans: "Helft uns, eine grüne EM durchzuführen, nutzt öffentliche Verkehrsmittel." Doch wie zuverlässig sind die? Die Süddeutsche Zeitung titelte vom "Angstgegner Deutsche Bahn".
Journalist aus England: "Es ist noch schlimmer als bei uns"
Verspätungen, Zugausfälle, übersprungene Halte - die Ärgernisse bei Bahnreisen erleben nun auch Menschen, die zum Turnier aus dem Ausland angereist sind. Journalist Miguel Delaney arbeitet für die britische Zeitung "The Independent". "Es ist wirklich erstaunlich", sagt Delaney im Gespräch mit der Sportschau. Er kam wie viele andere Besucher mit der Annahme eines perfekt organisierten Deutschlands.
Im Süden Großbritanniens reise er oft mit der Bahn, sagt Delaney. Nun sei er in Deutschland schon nach kurzem Aufenthalt mit erheblichen Verspätungen konfrontiert gewesen. "Es ist noch schlimmer als bei uns - und ich hätte nicht gedacht, dass ich das je sagen würde."
Miguel Delaney, Journalist bei der Zeitung "The Independent" aus Großbritannien
Bahn: Fans sollten Puffer einplanen
Die Bahn teilte auf Anfrage mit, dass die Hauptstrecken zum EM-Start zum größten Teil voll befahrbar seien. Allein zwischen Nürnberg und Würzburg bleiben durch einen Erdrutsch nach dem Hochwasser in Süddeutschland Schäden. Auf dieser Strecke verspäten sich die Züge um etwa 30 Minuten - das kann wichtig werden, wenn man beispielsweise von München nach Frankfurt will oder noch nördlicher. Bei den Kapazitäten erwartet die Bahn nach eigenen Angaben keine großen Engpässe, weil sich das Turnier auf zehn Austragungsorte verteile und damit auch der Verkehr der Fans.
Der Start des Turniers wird zeigen, ob größere Probleme für EM-Reisende entstehen. Die Bahn teilte auf Anfrage mit, dass nur rund zwei Prozent der Züge mehr als 60 Minuten Verspätung hätten. Wenn ein Zug im Fernverkehr zu spät kommt, "tut er das durchschnittlich mit rund neun Minuten". Michael Peterson, Vorstand Personenfernverkehr, sagt trotzdem: "Kein Fußballfan setzt sich vier Stunden vor Anpfiff ins Auto, wenn die Fahrt voraussichtlich vier Stunden dauert. Da plant man einen Puffer ein. Das gleiche Prinzip sollte auch für die Bahn gelten."
Michael Peterson, Vorstand Personenverkehr Deutsche Bahn
Füllkrug kam einen Tag früher als geplant
Der deutsche Angreifer Niclas Füllkrug übererfüllte diesen Puffer, als er nach dem Champions-League-Finale mit Borussia Dortmund ins Trainingslager des DFB-Teams in Herzogenaurach nachreiste: "Ich bin gestern schon angereist, weil ich ein bisschen Respekt vor der Deutschen Bahn hab." Die deutsche Mannschaft war zuvor aus Blankenhain in Thüringen mit dem Zug in das Teamcamp in Herzogenaurach gefahren - 17 Minuten Verspätung.
Sieben EM-Teams mit der Bahn unterwegs
Auch einige Teams reisen mit der Bahn. Bei der EM 2016 in Frankreich seien noch mehr als 75 Prozent der Reisen von Teams zu den Spielen mit dem Flugzeug erfolgt, in Deutschland 2024 seien nur noch 25 Prozent der Reisen per Flugzeug geplant, teilte die UEFA auf Anfrage mit. Bei den Reisen am Boden wird viel der Mannschaftsbus genutzt, auch vom deutschen Team, doch es gebe auch mehr Bahnreisen, so die UEFA. Es würden sieben Teams bei der EM mit der Bahn zu den Spielen fahren, 2016 sei es nur eins gewesen. Im Sponsoringvertrag mit der Bahn sei auch "die Bereitstellung spezifischer Vereinbarungen für Nationalmannschaften" geregelt. Die Teams bekommen teilweise separate Wagen.
Belgien reist einige Strecken mit der Bahn, auch die Mannschaft aus der Schweiz. Deren Teammanager Pierluigi Tami sagte vor dem Turnier: "Wir hoffen, dass die Deutsche Bahn bei dieser EM ihre beste Leistung zeigt." Dass die oft als unzuverlässig wahrgenommene Bahn ein Faktor wird, sprach auch die EURO 2024 GmbH an, die als gemeinsames Unternehmen von UEFA und DFB das Turnier organisiert. "Die Bahn ist sich der Thematik bewusst, dass alle sehr, sehr genau hinschauen", sagte Geschäftsführer Marcus Stenger in der "Frankfurter Rundschau". "Wenn es auf einmal heißen würde, ein Team bleibe bei ausgefallener Klimaanlage drei Stunden auf freier Strecke liegen, wäre mächtig Druck auf dem Kessel."
Fußmatte am Einstieg eines ICE während der Fußball-EM 2024
Schienennetz wird saniert - Beginn am Tag nach dem EM-Finale
Druck herrscht seit Jahren, was die deutsche Infrastruktur betrifft. Im jüngsten Netzzustandsbericht der Bahn wird das Netz als "alt" und "störanfällig" bezeichnet. Teile der Technik seien in einem "schlechten, mangelhaften oder ungenügenden" Zustand. Trotzdem werde im europäischen Vergleich viel zu wenig in das Netz investiert, kritisiert das Verkehrsbündnis "Allianz pro Schiene". So werden mehr Züge genutzt, das Schienennetz wachse aber nicht mit. Wegen der Vernachlässigung musste die Bahn schon viel Geld in das Netz stecken und fuhr in der Folge 2023 einen Verlust von 2,4 Milliarden Euro ein.
Der Fahrgastverband Pro Bahn teilt auf Anfrage der Sportschau mit, dass das Bahnsystem zum gegenwärtigen Zeitpunkt "in einem sehr schlechten Zustand" sei. "Das zweite große Problem ist der Personalmangel und der hohe Krankenstand. Es fehlen ausgebildete Kräfte, vor allem Triebwagenführer und Stellwerker", so der Verband. Das System Bahn sei seit Jahren hoffnungslos unterfinanziert. Mitverantwortlich dafür sei "die Verkehrspolitik der Regierungen Kohl, Schröder und Merkel", Pro Bahn. "In Zukunft benötigt die Bahn deutlich mehr Geld von der Bundesregierung."
Das Schienennetz soll nun generalsaniert werden, wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Freitag erklärte. "Wir werden Milliarden investieren in den nächsten Jahren, die Hauptstrecken grunderneuern, damit es aufhört, dass wir ständig unvorhergesehene Baustellen haben, die zu diesen Unpünktlichkeiten und all den Problemen führen." Die Bahn schreibt: "Durch eine erstklassige Ausstattung soll damit aus den hochbelasteten Streckenabschnitten bis 2030 ein Hochleistungsnetz entstehen. Los geht es am 15. Juli." Das ist der Tag nach dem EM-Finale.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing