Niederlage im EM-Finale Englands Trainer Southgate - immerhin der König ist zufrieden
Gareth Southgate hat England zweimal nacheinander ins EM-Finale geführt, aber keinen Titel geholt. Nun wird über sein Wirken diskutiert. Neu ist diese Diskussion nicht. Die Frage ist nun: Bleibt er Nationaltrainer?
Am Ende war der Fußballlehrer Gareth Southgate als Pädagoge gefragt. In den Minuten nach dem Abpfiff, als England das EM-Finale gegen Spanien verloren hatte, kümmerte sich Southgate um seine Spieler. Da war zum Beispiel Jude Bellingham. Er hockte auf dem Rasen, den Blick nach unten gerichtet. Southgate kam zu ihm, er flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er kümmerte sich auch um Kobbie Mainoo. Ihn nahm Southgate in den Arm.
Bellingham, 21, und Mainoo, 19, waren bei diesem Turnier zwei Gesichter einer Mannschaft, die nicht immer überzeugte, aber am Ende doch im Endspiel stand. Ihnen gehört die Zukunft bei den "Three Lions", wie die Engländer ihre Nationalmannschaft nennen. Die Frage ist nur, ob der Trainer dort in Zukunft noch Gareth Southgate heißen wird.
Als Southgate, 53, später bei der Pressekonferenz saß, ist ihm diese Frage natürlich auch gestellt worden. "Ich verstehe, dass Sie diese Frage stellen müssen", sagte Southgate. "Aber ich muss diese Gespräche erst mit den wichtigen Leuten hinter den Kulissen führen und kann das natürlich nicht zuerst öffentlich diskutieren."
Southgate sagt: "Ein Finale zu verlieren, das ist sehr, sehr hart"
Als Southgate die Nationalmannschaft übernahm, war die gerade bei der EM 2016 gegen Außenseiter Island im Achtelfinale ausgeschieden. Nun stand England zum zweiten Mal nacheinander im Finale einer Europameisterschaft. Vor drei Jahren hatte die Mannschaft im Elfmeterschießen gegen Italien verloren. Nun, nachdem England auch gegen Spanien verloren hatte, sagte Southgate: "Ein Finale zu verlieren, das ist sehr, sehr hart."
In acht Jahren als Nationaltrainer hat Southgate keinen Titel gewonnen - und trotzdem nicht wenig erreicht, nicht nur wegen der beiden Endspiel-Teilnahmen. Schon die Statistik: Southgate war in 102 Spielen verantwortlich, in denen England im Schnitt 2,08 Punkte holte. Unter ihm gewann England neun K.o.-Spiele bei Welt- und Europameisterschaften - so viele wie in knapp 60 Jahren zuvor.
Und doch war da immer auch Kritik: Der ehemalige Verteidiger Southgate stelle zu vorsichtig auf. Der Fußball, den er spielen lasse, sei zögerlich, zu zögerlich. Er hole aus den Spielern nicht das Optimum heraus.
Zu den Kritikern des Trainers Southgate gehört auch der Ex-Nationalspieler Gary Lineker, 63, der heute ein Experte im Fernsehen ist. In den Tagen vor dem Endspiel hat Lineker der ARD ein Interview gegeben. Darin hat er Southgate auch gelobt. Lineker sagte, Southgate habe bei den "Three Lions" für eine "Harmonie und ein Zusammengehörigkeitsgefühl" gesorgt, "wie wir es schon lange nicht mehr hatten".
Lineker sprach auch über die Zukunft des Trainers Southgate. Er hatte so eine Ahnung. Lineker sagte: "Ich denke, er wird nach diesem Turnier gehen, egal, was passiert." Nach der Niederlage gegen Spanien hat Lineker noch einmal über Southgate gesprochen. Als möglichen Nachfolger empfiehlt er dem Verband Jürgen Klopp - doch der nimmt gerade eine Auszeit.
Kane sagt: "Hätten verdammt gerne für ihn gewonnen"
Zu denen, die wohl gerne weiter unter Southgate spielen würden, gehört der Torjäger Harry Kane. Er ist auch Englands Kapitän. Sie hätten "verdammt gerne für ihn gewonnen", sagte Kane und meinte Southgate. Aber sie gewannen nicht. Bei der EM traf Kane, 30, dreimal, er ist damit zusammen mit fünf weiteren Spielern Torschützenkönig des Turniers.
Doch überzeugt hat Kane nicht immer. Das könnte auch an seiner körperlichen Verfassung gelegen haben. Er sei mit einer Verletzung in das Turnier gegangen, sagte Southgate später. Der "Guardian" schrieb nach dem Endspiel über Kane: "Der Kapitän bewegte sich nach seiner Einwechslung zielstrebiger als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt des Abends."
Kane jedenfalls hat seine Meinung zum Wirken des Trainers Southgate schon lange vor dem Finale geäußert. Als England in der Vorrunde um das Weiterkommen zitterte, sagte er, es gebe leichtere Jobs als den des englischen Nationaltrainers. "Aber er ist absolut der richtige Mann für den Job."
Das war vor dem Spiel gegen Slowenien, in dem keine Tore fielen und England enttäuschte. Als Southgate sich nach dem Spiel für die Unterstützung der Fans bedanken wollte, gab es von einigen Applaus, andere pfiffen. Dann flogen Bierbecher.
Nie spielte England bei dieser EM besser als gegen die Niederlande
Im Achtelfinale war es Bellingham, der England rettete. Sein Fallrückzieher gegen die Slowakei dürfte in keinem EM-Rückblick fehlen. Fortan spielten die Engländer besser, zumindest ein wenig. Manchmal mit einer Dreierkette in der Defensive, mit etwas Tiefe und auch mit Mut. Im Viertelfinale gegen die Schweiz zeigten sie, dass sie nun auch Elfmeterschießen können. Im Halbfinale gegen die Niederlande machten sie ihr bestes Spiel bei diesem Turnier. Dann kam das Endspiel.
Spanien sei "das beste Team im Turnier" gewesen, sagte Southgate. Ihren Erfolg nannte er verdient. Auf seine Mannschaft war er trotzdem stolz. Und stolz war nicht nur der Trainer Southgate, stolz war auch der englische König. Charles III. hat Southgate eine Nachricht zukommen lassen, veröffentlicht wurde sie auf dem Portal "X". Der König schrieb: "Seien Sie sich bitte bewusst, dass Ihr Erfolg, das Finale der Europameisterschaft erreicht zu haben, an sich schon eine großartige Leistung ist."
Er erwähnte auch Erfolge, die "zweifellos noch vor uns liegen". Auf Spieler wie Bellingham und Mainoo mag das zutreffen, sie stehen für die Zukunft des englischen Fußballs. Ob das auf auch Southgate zutrifft, das ist noch offen.