Belgiens Trainer Tedesco Domenico ärgert sich über die Pleite gegen die Slowakei
analyse

Lukaku im Mittelpunkt Belgien verzweifelt an sich selbst und am VAR

Stand: 18.06.2024 14:27 Uhr

Der ewige Geheimfavorit Belgien offenbart bei der bitteren Auftaktniederlage gegen die Slowakei alte Schwächen und hat dann Pech mit neuer Technik. Unglücksrabe Romelu Lukaku wird zum Sinnbild.

Von Mark Weidenfeller, Frankfurt

Es gehört zu den Eigenheiten dieser Europameisterschaft, dass Wiederholungen von entscheidenden Szenen bereits während des Spiels im Stadion gezeigt werden. Bei Toren jubeln die meist freudetrunkenen Fans oft einfach noch mal, bei vergebenen Chancen wird kollektiv geraunt. 

Auch Lois Openda, der belgische Angreifer von RB Leipzig, nutzte am Montagabend (17.06.2024) diese neue Möglichkeit des Live-Videostudiums und schaute sich während einer Verletzungspause in der Nachspielzeit noch einmal sein vermeintliches Handspiel vor Romelu Lukakus vermeintlichem Ausgleich (86.) auf dem Frankfurter Videowürfel an. Seine Reaktion: verzweifeltes Kopfschütteln. 

VAR kassiert späten Ausgleich ein

"Ich wurde von hinten gestoßen und berühre den Ball nicht absichtlich", gab Openda wenige Minuten später in der Mixed Zone zu Protokoll und fasste damit das zusammen, was er bei der entscheidenden Szene der bitteren 0:1-Niederlage seiner Belgier gegen die Slowakei erlebt und viele andere gesehen hatten. Ball an der Hand: ja. Irreguläres Handspiel: maximal jein. 

Dass Schiedsrichter Umut Meler, der vom VAR und einem neuen im Ball eingebauten Chip auf den Regelverstoß aufmerksam gemacht worden war, dem Treffer die Anerkennung verweigerte, besiegelte die erste echte Überraschung dieser EM und passte letztlich zum gebrauchten Abend der Belgier.

Das Team von Trainer Domenico Tedesco stand sich gegen die erstaunlich mutigen Slowaken entweder selbst im Weg oder wurde vom VAR ausgebremst. Ein weiteres Tor von Pechvogel Lukaku war zuvor schon wegen einer Abseitsstellung einkassiert worden. 

Tedesco ist bedient

"Es tut sehr weh", resümierte deshalb auch Coach Tedesco. Der 38-Jährige, der sich im Nachgang der Partie nicht explizit zu der definitiv sehr harten und für Belgien maximal unglücklichen Handspiel-Entscheidung äußern wollte, hatte in den Katakomben des Frankfurter Stadions sichtlich an seiner ersten Niederlage als belgischer Nationaltrainer zu knabbern.

Die Euphorie ist erst einmal dahin, die vermeintlich leichte Gruppe mit der Slowakei, Rumänien und der Ukraine entpuppt sich plötzlich als durchaus knifflig.

Belgien - teuflisch viele Fehler

Erschwerend hinzu kommt, dass die Belgier pünktlich zum EM-Auftakt offenbar von ihren alten Schwächen eingeholt wurden. Neben allem VAR-Pech, das gehört zur ganzen Wahrheit der Partie auch dazu, leisteten sich die "Roten Teufel" an beiden Seiten des Spielfelds einfach zu viele Fehler.

Die spielerische Idee und die taktische Flexibilität waren über weite Strecken zwar klar zu sehen. Die Belgier wechselten je nach Bedarf zwischen Vierer- und Fünferkette hin und her, das Tempo und das Talent in der Offensive sind zudem unverkennbar.

Ein verheerender Fehlpass von Jeremy Doku vor dem 0:1 durch Ivan Schranz (7.) und zahlreiche vergebene Chancen machten den insgesamt ordentlichen Gesamteindruck aber zunichte. Das belgische Team, das sich nach einem durchwachsenen ersten Durchgang in der zweiten Hälfte klar steigerte, hat sicher Potenzial. Gegen die Slowakei fehlten aber Konstanz und Kaltschnäuzigkeit.

Lukaku wird zum Pechvogel

Sinnbildlich dafür stand vor allem Mittelstürmer Lukaku. Der 31-Jährige, der trotz namhafter Konkurrenz das volle Vertrauen von Tedesco im Sturmzentrum genießt, hätte die Slowakei eigentlich im Alleingang abschießen müssen. Allein: Er tat es nicht.

Noch weit vor seinen beiden bereits erwähnten aberkannten Treffern scheiterte der Profi von Inter Mailand stattdessen gleich dreimal aus aussichtsreichster Position (3./5./42.) entweder am slowakischen Keeper Martin Dúbravka oder den eigenen Nerven und offenbarte damit das größte belgische Problem: Wie schon beim Vorrunden-Aus bei der WM 2022, bei dem die Belgier gegen Marokko (0:2) und Kroatien (0:1) ohne eigenen Treffer geblieben waren, fehlt es ganz offensichtlich an Effizienz.

Jetzt wartet Tabellenführer Rumänien

Noch ist es natürlich zu früh, nach weiteren Parallelen zum blamablen Ausscheiden beim Wüsten-Turnier zu suchen. Die Belgier stehen aber schon jetzt unter Druck und müssen am Samstag (21.00 Uhr) gegen Überraschungs-Tabellenführer Rumänien dringend ein anderes Gesicht zeigen.

"Uns war klar, dass wir eines Tages verlieren werden", betonte Tedesco am Ende seiner Ausführungen: "Jetzt müssen wir irgendwie damit umgehen." Belgien braucht dringend Lösungen, die Verzweiflung könnte sonst noch größer und das Turnier frühzeitig beendet sein.