"Sommermärchen"-Prozess gestartet Das Brüllen von der Anklagebank
Am ersten Tag des Prozesses gegen drei ehemalige Spitzenfunktionäre des DFB sind die Angeklagten und ihre Verteidiger in die Offensive gegangen. Ob das Erfolg haben wird, ist schwer zu sagen.
Der erste Verhandlungstag war gerade beendet, da bildete sich eine Traube um Theo Zwanziger, einen der drei Angeklagten im sogenannten "Sommermärchen"-Prozess. "Es ist nicht so, dass, wenn man eine Robe trägt, man im Besitz der Wahrheit ist", sagte Zwanziger in die etlichen Mikrofone, die an seinen Mund gehalten wurden.
Zwanziger trug früher auch Robe. Er war Richter und Anwalt, und er hörte sich am Montag (04.03.2024) vor dem Landgericht in Frankfurt am Main so an, als habe er auf jeden Fall recht. Zwanziger, viele Jahre ein Spitzenfunktionär des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und zwischen 2006 und 2012 sein Präsident, hält sich für unschuldig, ja sogar zu Unrecht angeklagt. Das hat er mit Wolfgang Niersbach, ebenfalls ehemaliger DFB-Präsident, und Horst R. Schmidt, ehemals Generalsekretär des DFB, gemein.
Der "Sommermärchen-Prozess"
Den drei Angeklagten Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach wird Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall zur Last gelegt. Sie hatten eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung des DFB für das Jahr 2006 als Betriebsausgabe angegeben. Damit hätte sie eine geringere Steuerschuld zur Folge gehabt. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass der Grund der Zahlung (Zuschuss für eine Gala der FIFA, die nie stattfand) den wahren Zweck verschleiern sollte. Sie erkennt die gewinnmindernde Ausgabe nicht als solche an und geht daher von Steuerhinterziehung aus.
Die Angeklagten beteuern ihre Unschuld.
Doppelverfolgung als zentraler Begriff
Bei der Begründung fiel häufig ein Begriff, der auch aus dem Fußball bekannt ist: die Doppelbestrafung. Sie besagt - genau wie die Doppelverfolgung - im Rechtswesen, dass niemand wegen des gleichen Vergehens zweimal vor Gericht gestellt werden könne. Da ein Verfahren in der Schweiz gegen die selben Beschuldigten eingestellt worden sei, dürfe in Frankfurt also gar nicht nochmal verhandelt werden.
Das hatte das Landgericht Frankfurt auch mal so entschieden, der Beschluss wurde jedoch vom Oberlandesgericht kassiert mit der Begründung, die vorgeworfenen Taten seien nicht identisch. Darauf bezog Zwanziger seinen Spruch mit der Robe, die nicht für Wahrheit garantiere.
Aber nun waren sie da, mussten da sein und die "Torturen des Verfahrens" ertragen, wie Niersbachs Anwältin sagte.
Gemeinsamer Antrag von Niersbach und Schmidt
Wie lange das noch so gehen wird, hängt auch von der Antwort auf die Frage ab, ob die Strafkammer eine Doppelverfolgung als gegeben ansieht. Auf dieser Annahme basiert ein gemeinsamer Antrag von Niersbach (73) und dem noch neun Jahre älteren Schmidt.
Zwanziger hingegen möchte, dass in die Beweisaufnahme gegangen wird, um den Freispruch zu bekommen, den alle Anwälte prognostizierten.
Eva-Maria Distel als Vorsitzende Richterin der 2. Großen Strafkammer hatte zu Beginn um "Ruhe und professionelle Gelassenheit" gebeten, auch wenn sie wisse, dass der Prozess wegen der lange zurückliegenden Tatvorwürfe und des überwältigenden Interesses der Öffentlichkeit "nicht alltäglich" sei.
Zwanziger-Anwalt: "Prominentenverfolgung vor Wahrheitsfindung"
Im Umgang folgten die Beteiligten der Bitte, im Ton allerdings wurde es scharf. Hier gehe wohl die "Prominentenverfolgung vor Wahrheitsfindung", sagte Zwanzigers Anwalt. Auch dessen Kollegen warfen der Staatsanwaltschaft vor, dass das Verfahren um des Verfahrens willen durchgezogen werde.
Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel wies die Vorwürfe zwar von sich, aber sehr defensiv. Mehrmals äußerte er Verständnis für die Angeklagten, die einer "massiven Belastung" ausgesetzt seien, auch wegen ihres Alters.
Er bot den Angeklagten auch an, weitere Gespräche über eine Einstellung des Verfahrens gegen eine wahrscheinliche Geldauflage zu führen. Das wäre dann weder ein Freispruch noch ein Schuldeingeständnis, aber ein frühes Ende des Prozesses, der bis in den Herbst hinein terminiert ist. Schmidts Verteidigung sprach sich für die Verhandlungen über einen Deal aus, Richterin Distel zeigte sich offen, "aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt".
Neue Erkenntnisse über die 6,7 Millionen Euro?
Es gibt Gerichtsverfahren, bei denen am ersten Tag deutlich wird, in welche Richtung es geht. Beim Prozess gegen die ehemaligen DFB-Funktionäre ist die Prognose schwierig.
Sollte lange verhandelt werden, wird es dann auch Erkenntnisse darüber geben, wofür die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro wirklich diente? Oder wird es nur die Antwort darauf geben, ob die Zahlung - wie von der Anklage behauptet - in der Steuererklärung des DFB 2006 falsch deklariert wurde und eine Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall darstellt?
"Eine Strafbarkeit ist ausgeschlossen", sagte ein Anwalt von Horst R. Schmidt, bevor er mit dem Satz endete: "Es bleibt dabei: Das 'Sommermärchen' war großartig, und es bleibt die beste WM aller Zeiten."