"Sommermärchen" 2006 Niersbach-Anwalt beantragt Einstellung des Prozesses
Zum Auftakt des "Sommermärchen"-Prozesses gegen die früheren DFB-Funktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt haben deren Anwälte den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall strikt zurückgewiesen.
Der Rechtsbeistand des Ex-DFB-Präsidenten Niersbach hat am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht Frankfurt die Einstellung des Verfahrens beantragt.
Wegen des Verbots der Doppelverfolgung und Doppelbestrafung liege ein Verfahrenshindernis vor, sagte Niersbachs Rechtsanwalt Sven Diener am Montag (04.03.2024).
Wolfgang Niersbach
Zwanziger will keine Einstellung des Prozesses
Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger wird im Gegensatz zu Niersbach nicht die Einstellung des Verfahrens beantragen. "Ich habe den Eindruck, dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind und dass es einen Freispruch geben kann und geben wird für alle drei Angeklagten", sagte der 78-Jährige.
Deshalb sei es ihm und seinem Rechtsbeistand "sehr viel sympathischer, wenn es zu der vom Gericht angekündigten Beweisaufnahme kommt", so Zwanziger weiter. Man habe sich dem Einstellungsantrag nicht angeschlossen, "weil wir möchten gerne die Steuerfahndung erleben, wie sie das begründen, was sie von November 2015 bis zum Mai 2018 gemacht haben".
Theo Zwanziger
Verfahren angeblich von der Staatsanwaltschaft aufgebläht
Schmidts Rechtsbeistand Tilman Reichling sagte in seinem Eingangsstatement: "Eine Steuerhinterziehung im Jahr 2006 ist ausgeschlossen." Die Staatsanwaltschaft habe zudem den angeblich entstandenen Steuerschaden seit dem Jahr 2015 "mehr als vervierfacht, um das Verfahren aufzublähen", sagte Reichling weiter.
Damals habe die Staatsanwaltschaft den Steuerschaden noch auf 2,7 Millionen Euro beziffert. In der zur Eröffnung der Verhandlung verlesenen Anklage warf die Staatsanwaltschaft den drei Beschuldigten eine Steuerhinterziehung von 13,7 Millionen Euro im Jahr 2006 vor.
Demzufolge sei eine im April 2005 an den Weltverband FIFA getätigte Zahlung von 6,7 Millionen Euro, mit denen ein Privatdarlehen von Franz Beckenbauer bei dem französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus aus dem Jahr 2002 getilgt worden war, in der Steuererklärung 2006 unzulässigerweise als Betriebsausgabe geltend gemacht worden.
Dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) war deshalb rückwirkend für das betreffende Jahr die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Der Verband musste 2017 rund 22,5 Millionen Euro an Steuern nachzahlen. Eine Klage des Verbandes beim Finanzgericht Kassel wurde bis zum Abschluss des Sommermärchen-Prozesses ausgesetzt.
Nur Spekulationen?
Nach Ansicht von Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz sei bei den Ermittlungen der Eindruck entstanden, dass es der Staatsanwaltschaft mehr um "eine Prominenten-Verfolgung ging als um die Wahrheitsfindung. Außer Spekulationen finden wir in den Ermittlungsakten nichts. Es fehlt an den Voraussetzungen und Tätern für eine Steuerhinterziehung", sagte er.
Niersbachs Anwältin Renate Verjans kritisierte, dass es auf Anordnung des Oberlandesgerichts Frankfurt überhaupt zu diesem Verfahren gekommen sei. Das OLG hatte im Vorjahr den 2022 getroffenen Einstellungsbeschluss des Landgerichts aufgehoben und das Verfahren wieder in Gang gesetzt. "Es macht fassungslos, dass wir mehr als acht Jahre nach Beginn der Ermittlungen hier sitzen", sagte Verjans und äußerte die Erwartung, dass Niersbach mit einem Freispruch "Gerechtigkeit widerfährt".