Nach jahrelangem Warten Marc-André ter Stegen - das Ende der Geduldsspirale
Marc-André ter Stegen hat viele Jahre überaus loyal auf diesen Tag gewartet. Jetzt ist er die neue Nummer eins im Tor der Nationalmannschaft.
So richtig kann sich wohl niemand an Marc-André ter Stegen erinnern. Er war zwar mitten drin bei dieser EURO 2024 in Deutschland. Aber eine Rolle - zumindest für die Öffentlichkeit - hat der 32-Jährige bei diesem Turnier eigentlich nicht gespielt. Hier und da erschien er mal am Rande, etwa im TV-Bild. Zu sagen hatte er eigentlich auch nichts. Das alles war aber Absicht.
Ter Stegen schwieg stoisch. Vermutlich biss er sich dabei auch häufiger auf die Lippen. Kein böses Wort über die Konkurrenten. Denn auch wenn er Team-intern eine in vielerlei Hinsicht wichtige Rolle als loyaler und integrer Profi spielte, musste er auf seine eigentliche Berufung im Nationalteam verzichten. Er war wieder einmal gezwungen - wie seit vielen Jahren - auf der Ersatzbank Platz zu nehmen.
Klare Nummer eins
Deshalb dürfte der heutige Mittwoch (02.09.2024) so etwas wie ein neuer Feiertag im Leben des Torhüters des FC Barcelona sein. Bundestrainer Julian Nagelsmann verkündete, dass nun die Zeit des Marc-André ter Stegen gekommen ist. "Marc ist jetzt verdientermaßen die klare Nummer eins", sagte Nagelsmann.
Nach schier unendlich langen Tagen des Wartens, Hoffens, Bangens: Dieser Satz aus berufenem Munde dürfte sich für ter Stegen in etwa so wie eine Art Erlösung anfühlen.
Leichter Anflug von Kritik
Denn: Immer stand ihm - vor allem wenn es bei den großen Turnieren ernst wurde, dieser eine Berufskollege im Weg. Manuel Neuer war ter Stegens Schicksal. Auch noch vor dieser Heim-EM, als viele dachten, nun könnte tatsächlich die Zeit des gebürtigen Mönchengladbachers gekommen sein.
Aber: Die Geschichte ist bekannt, wieder einmal stand Neuer zwischen den deutschen Pfosten. "Es war schon ein Schlag ins Gesicht für mich. Der Tag nach der Entscheidung ist schon so, dass du etwas zusammensackst", sagte ter Stegen im Vorfeld und mit Anflug leiser Kritik und Enttäuschung. "Ich als Spieler muss das respektieren, auch wenn ich vielleicht nicht einer Meinung bin. Es ist nicht meine Art, ein großes Ding draus zu machen."
Es habe immer wieder "enge Entscheidungen" gegeben, "die dann meistens in die Richtung von Manuel Neuer gingen", sagte ter Stegen zwei Tage vor seinem Spiel als neue Nummer eins in Düsseldorf gegen Ungarn. Sein Anspruch aber sei stets gewesen, "die Nummer eins zu sein, was mir ein Jahrzehnt lang leider Gottes nicht gelungen ist".
Haarsträubende Fehler in frühen Jahren
Es ist nicht so, als hätte ter Stegen noch keine Erfahrungen im Nationalteam sammeln können. In 40 Spielen hatte er schon den Adler auf der Brust. Sein erstes Spiel bestritt ter Stegen im Mai 2012 gegen die Schweiz (3:5).
Gerade in seinen früheren Jahren war es aber häufig so, dass ihm im deutschen Tor teils haarsträubende Fehler unterliefen. Etwa bei einer USA-Tour mit der DFB-Elf, wo er sich ein überaus kurioses Eigentor leistete.
Nah dran, aber nie ganz auf Augenhöhe
Das Problem mit den groben Schnitzern wurde im Laufe der Zeit deutlich kleiner. Aber viel folgenschwerer für ihn: Die Experten waren sich in all den Jahren einig darüber, dass ter Stegen mit seinen Leistungen ganz nah dran ist am Münchner. Aber eben nie auf Augenhöhe oder sogar einen Tick darüber. Ter Stegen hatte das Pech, zur falschen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Dennoch ist ter Stegen mit sich zufrieden. "Ich bin mir treu geblieben", sagte der Torhüter.
Nun hat ter Stegen nach vielen Jahren des Wartens sein Schicksal hinter sich gelassen. Das Ende der Geduldsspirale ist gekommen. Er kann jetzt ein neues, sein eigenes DFB-Kapitel schreiben. Ein paar Jahre bleiben ihm noch dafür.