Deutschlands Torwart Marc-André ter Stegen sitzt nur auf der Ersatzbank

Deutsche Torhüter bei der EURO 2024 Ter Stegens Geduld in Neuers Wartezimmer

Stand: 09.06.2024 16:38 Uhr

Manuel Neuer bleibt im Tor der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, auch wenn er sich zuletzt mehrere schwere Fehler leistete. Sein Konkurrent Marc-André ter Stegen bleibt in der Defensive. Er wartet geduldig, ob der Thron bald frei wird.

Die Frage, wie sie denn die WM 2006 erlebt haben, ist den deutschen Nationalspielern in den Tagen von Herzogenaurach häufig gestellt worden. Zum Stichtag des Eröffnungsspiels vor 18 Jahren war das allerdings nicht möglich, denn der nun endgültige Kader von Bundestrainer Julian Nagelsmann durfte nach dem 2:1-Sieg gegen Griechenland in Mönchengladbach nochmal kurz nach Hause. Das Basiscamp in der fränkischen Kleinstadt war daher am Sonntag (09.06.2024) verwaist, erst am Montagmorgen musste der Tross wieder komplett versammelt sein.

Marc-André ter Stegen ist zwar der jüngste Torhüter im endgültigen deutschen Kader, aber auch schon 32 Jahre alt. Er wird damals live und in Farbe erlebt haben, wie sich zwei Torhüter einen auch verbal erbitterten Kampf um den Platz im deutschen Tor lieferten. Dieser Kampf begann schon 2004, als der neue Teamchef Jürgen Klinsmann heftig am Thron von Oliver Kahn rüttelte und einen offenen Zweikampf mit Jens Lehmann ausrief.

Jener Lehmann stand dann am 9. Juni 2006 im Tor, kassierte zwei Treffer gegen Costa Rica, was aber nicht ins Gewicht fiel, weil Deutschland vier erzielte.

Ter Stegen: "Keine angenehme Situation"

Etwa zwei Monate vorher hatte sich Klinsmann für Lehmann entschieden, damit Kahns Thron gesprengt. Rudi Völler, Klinsmanns Vorgänger als Teamchef, sagte mal, dass er fest davon ausgegangen sei, Kahn würde auf das große Turnier verzichten. Doch der Torhüter des FC Bayern kündigte durchaus staatstragend an, dass er seine Rolle als Nummer zwei annehmen werde. Als Kahn vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien zu Lehmann ging und ihm Glück wünschte, wurde die Geste wie ein historischer Friedensschluss gewertet.

Sollte irgendwann mal wieder ein großes Fußballturnier in Deutschland ausgetragen und Spieler gefragt werden, wie sie die EM 2024 erlebt haben, könnte es sein, dass sie sich an eine Torhüterdiskussion erinnern. Sie unterscheidet sich wesentlich von der im Vorfeld der WM 2006, denn der Zweikampf ist weder offen noch gibt es verbale Duelle, die in der Idylle von Herzogenaurach als störend empfunden werden könnte.

"Es ist keine angenehme Situation. Aber der Trainer hat die Entscheidung getroffen. Die respektiere und akzeptiere ich, auch wenn ich nicht der gleichen Meinung bin", sagte ter Stegen im Trainingslager.

Nagelsmann bleibt bei seiner Torhüter-Entscheidung

Die Entscheidung von Nagelsmann lautete, lautet und wird mit höchster Wahrscheinlichkeit während der gesamten Europameisterschaft lauten, dass Manuel Neuer die Nummer eins ist, auch wenn der in den vergangenen Wochen krasse Fehler an krasse Paraden reihte. "Er ist zwischen Genie und Wahnsinn", sagte Sportschau-Experte Thomas Broich. Nagelsmanns Entscheidung, Neuer weiter vorzuziehen, hält Broich für richtig. 

Diese Entscheidung ist ein wesentlicher Teil des Lebens von Marc-André ter Stegen. Er steht vor seiner zweiten EM, an zwei Weltmeisterschaften hat er schon teilgenommen. Gespielt hat er noch keine Sekunde.

Die Entscheidung für Neuer fiel zweimal knapp aus. Das hatte aber nichts mit dessen Leistung, sondern mit dem Gesundheitszustand zu tun. Vor der WM 2018 in Russland hob Neuer nach seinem dritten Mittelfußbruch rechtzeitig den Daumen, vier Jahre später vor dem Turnier in Katar nach einer Schultereckgelenksprellung auch. Ob Manuel Neuer spielt, entscheidet Manuel Neuer. Kein Bundestrainer traute sich bislang, diesen aufgrund von nun schon jahrzehntelang erbrachter Leistung erarbeiteten Status zu ändern.

40 Länderspiele, keine Turnier-Sekunde

Auch unter den Konkurrenten war nie ein Lehmann zu finden. Am Dienstag (04.06.2024) beim "Media Day" des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sagte ter Stegen: "Ich glaube, ich kann mir nicht viel vorwerfen, gerade die letzten beiden Jahre. Ich habe viel gespielt und meine Leistung gezeigt, umso enttäuschter bin ich."

Das war vergleichsweise forsch für den Torhüter des FC Barcelona, der 40 Länderspiele bestritt, aber eben nie auf der großen Bühne, sondern im Wartezimmer.

Marc-André ter Stegen wartet und wartet und wartet. Ob er mal darüber nachgedacht habe, für die EM abzusagen, wurde er beim "Media Day" auch gefragt. Die Antwort lautete: "Ich habe dem Bundestrainer gesagt, dass man sich auf mich verlassen kann. Natürlich ist die Situation sehr enttäuschend, aber am Ende des Tages habe ich auch der Gruppe gegenüber eine Verantwortung. Ich werde helfen, wo ich kann.

Möglicherweise wird der Thron ja für die WM 2026 frei. Manuel Neuer wird dann 40 Jahre alt sein.