Kritik an UEFA und FIFA Varane über Frankreich-Rücktritt - "Habe das Gefühl zu ersticken"
Vor einigen Tagen ist Raphael Varane aus Frankreichs Nationalmannschaft zurückgetreten. Nun hat er seine Entscheidung begründet - und dabei Kritik am Terminkalender im Profifußball geübt.
"Fußball auf allerhöchstem Niveau ist wie eine Waschmaschine, man spielt die ganze Zeit und hört nie auf", sagte Varane am Sonntag (05.02.2023) dem französischen Fernsehsender Canal Plus. "Im Moment habe ich ein bisschen das Gefühl, zu ersticken."
Varane, 29, ist seit zwölfeinhalb Jahren Fußballprofi, seit anderthalb Jahren steht er bei Manchester United unter Vertrag. Er hat in seiner Karriere 20 Titel gewonnen und 505 Pflichtspiele bestritten. Er ist Weltmeister geworden mit Frankreich, das war 2018. Und mit Real Madrid hat er viermal die Champions League gewonnen.
Interviews sind für einen wie Varane ein Teil des Jobs, er hat einige gegeben. Aber dieses war anders, man wird es so schnell nicht vergessen.
Varane sagt: "Bin da, ohne da zu sein"
Wenige Tage zuvor hatte Varane überraschend seinen Rücktritt aus Frankreichs Nationalmannschaft bekanntgegeben, nach 93 Länderspielen in zehn Jahren. Und nun saß er vor der Kamera von Canal Plus und erklärte, wieso er nicht mehr für Frankreich spielen möchte.
Er sprach nicht über Frust nach dem verlorenen WM-Finale im Dezember, er beklagte auch nicht Entscheidungen des Nationaltrainers Didier Deschamps. Varane ging es um den Terminkalender eines Profifußballers und um Pausen, von denen es seiner Meinung nach zu wenige gibt. Er sagte: "Der Spieler verschlingt den Menschen. Ich bin da, ohne da zu sein."
Gündogan und Courtois haben Kritik geübt
Mit seiner Kritik am Terminkalender steht Varane nicht alleine da. Es sind gerade die Spieler europäischer Spitzenvereine, die sich beklagen. Ihnen geht es um Länderspielreisen und auch um die Reform der Champions League, sie wird die Anzahl der Spiele ab 2024 noch einmal erhöhen. Ilkay Gündogan etwa hat an den Reformplänen Kritik geübt, das war im April 2021. Bei Twitter schrieb er: "Mehr und mehr und mehr Spiele, denkt denn niemand an uns Spieler?"
Auch dem Torhüter Thibaut Courtois gefällt diese Entwicklung nicht. In den Tagen, bevor er mit Belgien im Oktober 2021 das Spiel um Platz drei in der Nations League absolvieren sollte, hat Courtois die UEFA für den Spielplan kritisiert. "Es gibt immer mehr Spiele und immer weniger Ruhe für uns", sagte er. "Wir sind keine Roboter."
FIFPRO beklagt "Überlastung"
Zu den Kritikern gehört auch FIFPRO, die internationale Gewerkschaft für Spielerinnen und Spieler. Dort beobachten sie die Belastungen im Frauen- und Männerfußball mit einiger Sorge. Also setzen sie sich auch für einen Spielkalender ein, der Fußballer vor "körperlichen, geistigen und sozialen Auswirkungen" von Überbelastung schützen soll. Es ist nicht der Kalender von UEFA und FIFA.
Der FIFPRO-Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann hat der Deutschen Welle einmal gesagt: "Die heutige Menge an Spielen belastet das psychische und physische Wohlbefinden der Spieler zu sehr." Das war ein halbes Jahr vor der WM der Männer in Katar, aber er wird seine Meinung kaum revidiert haben.
FIFPRO hat vor dem Turnier einen Bericht herausgegeben. Die Spielergewerkschaft sagt, sie habe dafür über tausend Fußballer aus England, Frankreich, Italien und Spanien befragt. Und dass 55 Prozent der Befragten von Verletzungen gesprochen hätte, die sie auf Überbelastungen zurückführten. Fast 40 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass die Anforderungen ihre psychische Gesundheit belaste.
Weil die Weltmeisterschaft im Winter stattfand, hatten viele europäische Ligen für diesen Zeitraum eine längere Pause vorgesehen. Zuvor allerdings hatten oft sehr viele Spiele in sehr kurzer Zeit stattgefunden. FIFPRO hat errechnet, dass die Vorbereitungs- und Erholungszeit einiger Spieler, die ihr Land bei der WM vertraten, viermal so kurz war wie gewöhnlich.
Kurze Pause, gerade für Premier-League-Spieler
Und es stimmt, man sieht das am Beispiel der Premier League - es ist die Liga, in der auch Raphael Varane spielt. Sie ist ein Extrembeispiel - eine Winter-WM und eine Liga, die keine Winterpause kennt, das verträgt sich nicht. Zwischen dem letzten Premier-League-Spieltag und dem WM-Auftaktspiel lagen nur sieben Tage. Und zwischen dem WM-Finale und dem folgenden Premier-League-Spieltag waren auch nur neun Tage.
Varane war in den Wochen vor der Weltmeisterschafts-Endrunde am Bein verletzt. Er kam angeschlagen nach Katar und saß im ersten Spiel nur auf der Bank. Anschließend aber spielte Varane immer, in allen sechs Spielen stand er in der Startelf, insgesamt 521 Minuten. Im Finale spielte er bis zur 113. Minute - und stand neun Tage später wieder in der Startelf von Manchester United.
Nun, als er dem Sender Canal Plus das Interview gab, sagte Varane: "Wir spielen die ganze Zeit, wir hören nie auf." Aber so ganz richtig war das nicht. Varane hat ja aufgehört, zumindest ein wenig.