Häufung von Kreuzbandrissen Verletzungen bei Spielerinnen - Kalendergestaltung in der Kritik
Im Fußball der Frauen häufen sich derzeit Kreuzbandrisse, manche sprechen sogar von einer "Verletzungskrise". Kritisiert wird nun eine zu hohe Belastung der Spielerinnen im Kalender - doch der wird gerade weiter gefüllt.
Dass Alexia Putellas bei der EM 2022 gefehlt hat, war der bedeutendste Ausfall des Turniers. Wenige Tage vor dem ersten Gruppenspiel Anfang Juli zog sie sich im Training einen Kreuzbandriss zu, ihre Rückkehr steht immer noch aus.
Es folgten weitere Stars, die sich schwere Verletzungen zuzogen. Beth Mead, eine der prägenden Spielerinnen der EM, erlitt im November 2022 ebenfalls einen Kreuzbandriss. Nationalspielerinnen wie Vivanne Miedema (Niederlande), Giulia Gwinn, Dzsenifer Marozsan (beide Deutschland), Hanna Glas (Schweden), Catarina Macário (USA) oder Marie-Antoinette Katoto (Frankreich) zogen sich 2022 die gleiche Verletzung zu.
Sarina Wiegman, Trainerin des englischen Nationalteams, sieht die Ursache in der Belastung. "Im Allgemeinen ist der Zeitplan für die Top-Spielerinnen auf höchstem Niveau zu viel", sagte sie Ende Dezember. "Nach der EM zum Beispiel hatten die Spieler von Manchester City nur ein paar Tage frei, weil sie in der Champions League spielen mussten. Das ist nicht gut. Die FIFA, die UEFA und die Verbände müssen das besser machen. Wir müssen an die Spielerinnen denken."
Mead: "Wäre mehr getan worden, wenn es um Messi, Ronaldo oder Griezmann ginge"
Dass an die Spielerinnen gedacht wird, bezweifelt eine der betroffenen Frauen. Beth Mead sprach an, dass nun die beiden bestplatzierten Spielerinnen des Ballon d'Or feminin sowie weitere Nominierte unter den Verletzten seien. "Ich denke, wenn es um Messi, Ronaldo oder Griezmann ginge, wäre wahrscheinlich viel mehr getan worden. Wir sind robuste Spielerinnen, die nicht allgemein stark von Verletzungen betroffen waren", sagte sie. "Das müssen wir uns genauer ansehen." Das will sie nun voranbringen und fordert eine Studie dazu.
Englands Nationalspielerin Beath Mead verletzt am Boden.
Auch nach Ansicht der deutschen Nationaltorhüterin Almuth Schult besteht bei der Forschung Nachholbedarf. "Die Sportwissenschaft muss hier mehr leisten", sagt Schult im Gespräch mit der Sportschau. "Der Großteil der vorliegenden Studien beschäftigt sich mit Männern." Bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Frauen ein deutlich höheres Risiko als Männer haben, einen Kreuzbandriss im Fußball zu erleiden. Körperliche Grenzen und Unterschiede sowie die Reaktionen darauf zu erforschen, wird nun aber auch Zeit in Anspruch nehmen.
FIFPRO: Das System bei den Frauen muss mitwachsen
Für FIFPRO, die internationale Gewerkschaft für Spielerinnen und Spieler, besteht neben der Kalendergestaltung und dem Stand der Forschung ein weiteres Problem. "Der Fußball der Frauen wächst, aber die Unterstützungssysteme wachsen nicht in gleicher Weise mit", sagt Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann im Gespräch mit der Sportschau. Während vieles bei den Turnieren angeglichen werde, gehe die Schere beispielsweise bei der medizinischen Betreuung noch stark auseinander.
Und das, obwohl die Belastung für einige Spielerinnen stark gestiegen sei. "Eine kleine Gruppe von Topspielerinnen hat mittlerweile dieselbe Belastung wie Spieler auf dem Topniveau der Männer", sagt Baer-Hoffmann. "Eine weitere Gruppe an Spielerinnen ist zumindest zeitweise einer solchen Belastung ausgesetzt. Wenn man dann nicht unter optimalen Bedingungen spielen kann, ist das ein Problem." Und gleichzeitig füllt sich der Kalender.
FIFA und UEFA: Immer mehr Spiele auch bei den Frauen
Die internationalen Verbände versuchen auch bei den Frauen die Vermarktung und die Erlöse zu steigern. Die WM wurde ab 2023 vergrößert, das Olympische Turnier ab 2028 ausgeweitet, eine Nations League in Europa ab 2023 eingeführt und auch eine Gruppenphase seit 2021 in der Champions League. "Dazu kommen die Jugendturniere, an denen viele A-Nationalspielerinnen in jungen Jahren auch noch teilnehmen", sagt Schult. Viele der Maßnahmen ergeben sportlich, wirtschaftlich und organisatorisch Sinn - doch gesundheitliche Folgen für die Spielerinnen bleiben. "Die Champions League hat einiges spürbar verändert", sagt Schult. "Dort herrscht nun von Beginn an ein viel höheres Niveau, das sind andere Bedingungen, die sich bemerkbar machen."
Bei den Frauen ist zudem das Olympische Turnier viel bedeutsamer als bei den Männern. Es besteht bei den Frauen im Gegensatz zu den Männern eine Abstellungspflicht, die großen Stars spielen stets bei Olympia mit. Durch die Corona-Verschiebungen müssen die Topspielerinnen mit der EM 2022, der WM 2023, Olympia 2024 und der EM 2025 jahrelang ohne freien Sommer auskommen.
"Verrückt" nannte Bayern Münchens Trainer Alexander Straus bei einer Pressekonferenz im Dezember diesen Ablauf und fügte hinzu: "Man muss die Menschen, die Spielerinnen in den Vordergrund rücken, man muss sie schützen." FIFA-Präsident Gianni Infantino kündigte am Ende der Männer-WM 2022 zudem an, dass es künftig eine Klub-WM der Frauen geben soll. Magda Eriksson, Spielerin bei Chelsea und Schweden, nannte es in einem Gastbeitrag für das Portal iNews "alarmierend, dass dazu nicht die Spielerinnen gehört werden. Das kam aus dem Nichts".
FIFPRO: Keine Rücksprache von der FIFA
Diese Position vertritt auch FIFPRO. Sie kritisierte die FIFA in einer Stellungnahme für "einseitige Beschlüsse". Nur fünf Tage vor der Verkündung der Klub-WM hatte die FIFA noch eine Vereinbarung über eine Einbeziehung der Gewerkschaft in Entscheidungsprozesse bekannt gegeben.
Bei den Frauen endet der bislang beschlossene internationale Spiel-Kalender 2023 (Männer 2024) und muss neu verhandelt werden. Die FIFA kündigte an, das Grundprinzip bis 2025 zu erhalten - ohne Rücksprache, wie FIFPRO bemängelte.