FIFA WM 2022 Marokko gegen Frankreich - ein politisch und emotional aufgeladenes Duell
Das Halbfinale bei der WM 2022 in Katar zwischen Frankreich und Marokko birgt nicht nur sportliche Brisanz. Die Pariser Polizei wappnet sich für eine heiße Nacht.
Marokkos Trainer Walid Regragui erblickte in Corbeil-Essonnes am Ufer der Seine das Licht der Welt. Sein Kapitän Romain Saiss und Flügelflitzer Sofiane Boufal haben ebenfalls einen französischen Geburtsort in ihrem Pass stehen.
Nur zwölf Spieler stammen aus Marokko
Nur zwölf Spieler des Sensationsteams der WM 2022 in Katar stammen ursprünglich aus dem nordafrikanischen Land. Abdelhamid Sabiri spielte sogar in der deutschen U21-Auswahl. Doch vor dem WM-Halbfinale gegen Frankreich (14.12.2022, 20 Uhr, im Audiostream bei sportschau.de) könnte der Nationalstolz größer nicht sein.
Regragui: "Eine Ehre", in Frakreich geboren zu sein
"Niemand kann meinem Land mein Herz nehmen. Jeder Marokkaner ist ein Marokkaner", sagte Regragui, der aber auch betonte, dass es für ihn "eine Ehre" sei, in Frankreich geboren zu sein.
Polizei in Paris in erhöhter Alarmbereitschaft
So entspannt wie der 47-jährige Erfolgscoach geht nicht jeder mit der Situation um. Vor dem Duell im Al-Bayt-Stadion in Al-Khor ist die Polizei in Paris in erhöhter Alarmbereitschaft.
Tausende Polizeibeamte sollen mobilisiert werden. Die meisten davon sollen im Großraum Paris eingesetzt werden, kündigte Innenminister Gérald Darmanin an. Die Prachtstraße Champs-Élysées, auf der zuvor schon Tausende Fans das Weiterkommen beider Mannschaften gefeiert hatten, solle frei zugänglich sein.
Randale nach den Viertelfinals
Nach ihren Siegen im Viertelfinale feierten französische und marokkanische Anhänger zwar auch gemeinsam auf den Straßen, doch es gab auch Randale. Im Großraum Paris wurden mehr als 100 Fans der Nordafrikaner wegen Sachbeschädigungen und Gewalt gegen Ordnungskräfte festgenommen, landesweit waren es etwa 170 Anhänger. Auch in anderen europäischen Städten gab es teils unschöne Szenen.
Das erste Fußball-Pflichtspiel beider Nationen
"Das sollte nicht passieren. Fußball sollte ein Fest sein", sagte Regragui auf der Pressekonferenz vor dem Halbfinale am Dienstag (13.12.2022) in Doha.
Frankreich wappnet sich jedenfalls für das Spiel. Innenminister Darmanin verdoppelte die Zahl der Gendarmen. 10.000 werden im Einsatz sein. Die Hälfte davon in Paris und Umland, besonders auf den Champs Elysées.
Das erste Fußball-Pflichtspiel beider Nationen birgt halt nicht nur sportliche Brisanz. 1912 verlor Marokko durch den vom Sultan unterzeichneten Protektoratsvertrag mit Frankreich seine Unabhängigkeit, die das Land erst quälend lange 44 Jahre später zurückerlangte. Französisch wurde die offizielle Sprache in allen Verwaltungsstrukturen und politischen Instanzen, die Abneigung in der Bevölkerung gegen die Kolonialmacht war groß.
Vorbehalte auch in Frankreich
Auch in Frankreich gab und gibt es Vorbehalte. Die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) sammelte fleißig Wählerstimmen, indem sie Ressentiments gegen Menschen mit nordafrikanischen Wurzeln schürte.
Zuletzt herrschte Eiszeit
Zuletzt herrschte diplomatische Eiszeit. Beide Länder hatten nicht mal mehr Botschafter ausgetauscht. Das hatte viele Gründe. Rabats Geheimdienste spionierten französische Minister aus. Macrons Staatsbesuch wurde immer wieder aufgeschoben. Rabat stellt sich bei Rückführungen von Migranten taub. Frankreich fertigt deshalb seit Herbst 2021 nur noch halb so viele Visa für Marokkaner aus.
Marokko als aufstrebende Regionalmacht will eine klarere Haltung von Paris zur beanspruchten Westsahara. Dabei wird die marokkanische Diaspora in Frankreich auf 1,5 Millionen Menschen geschätzt, viele sind im Gastland aufgestiegen. Rachida Dati zum Beispiel war Justizministerin oder Jamel Debbouze ist ein bekannter Schauspieler und Komiker mit marokkanischen Eltern, aber in Paris geboren.
45.000 Marokkaner studieren in Frankreich, nochmal so viele gehen in Marokko auf französische Schulen und Frankreich wiederum ist Hauptinvestor in Marokko.
Deschamps: "Es ist ein Fußballspiel"
Davon wollen die WM-Halbfinalisten nichts wissen. "Es ist ein Fußballspiel, auch wenn es eine Geschichte zwischen unseren beiden Ländern gibt", sagte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps.
Und Regragui machte klar: "Wenn wir es nicht schaffen, werden wir Frankreich gratulieren und im Finale unterstützen."