Die deutschen Nationalspielerinnen Svenja Huth, Sara Doorsoun und Kathri Hendrich (v.l.) sind enttäuscht.

Verdientes WM-Aus gegen Südkorea DFB-Team trostlos und selbstkritisch

Stand: 03.08.2023 19:09 Uhr

Auf den Schock über das WM-Aus folgte bei den deutschen Frauen die große Leere. Das 1:1 gegen Südkorea und der gesamte Auftritt in Australien hinterlassen mehr Fragezeichen, als dass er Antworten gegeben hätte.

Von Florian Neuhauss, Brisbane

Als der Abpfiff ertönte, drehte Marina Hegering ab. Die Abwehrchefin suchte nicht die Nähe zu ihren Mitspielerinnen, sondern ging allein Richtung Eckfahne. Die Hände hinter dem Kopf, musste sie erst mal durchatmen. Ein paar Schritte machte sie Richtung Mittellinie, um dann doch wieder umzukehren. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kam Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zu ihr, um auch mit der 33-Jährigen abzuklatschen, wie sie es nach den Partien immer mit ihren Spielerinnen macht.

"In mir ist eine ziemliche Leere, ich bin total enttäuscht", sagte Hegering nach dem 1:1 gegen Südkorea und dem dadurch besiegelten Vorrunden-Aus wenig später in der Mixed Zone. "Ich kann nicht verstehen, dass es jetzt vorbei sein soll."

Herzzereißende Szenen in der Mixed Zone

Während Hegering noch recht gefasst wirkte, konnte man mit vielen ihrer Mitspielerinnen einfach nur mitleiden. Die 25-jährige Chantal Hagel hatte nach ihrem zweiten WM-Spiel rot verweinte Augen. Die sonst so routinierte Svenja Huth war total in Tränen aufgelöst und brachte kaum ein Wort heraus: "Ich weiß nicht, was ich sagen soll."

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Und Lena Lattwein, die ebenfalls feuchte Augen hatte, dachte, sie wäre nach den ersten Interviews erlöst. Sie wurde jedoch von einer Mitarbeiterin des DFB darauf aufmerksam gemacht, dass im hinteren Teil der Mixed Zone noch viele andere Journalistinnen und Journalisten warteten. Als sie den Blick schweifen ließ, entfuhr der 23-Jährigen nur ein leises "Oh".

Voss-Tecklenburg: "Leistung hat heute nicht ausgereicht"

"Wir spüren das gerade alle", sagte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg. "Unsere Leistung hat heute nicht ausgereicht, um dieses Spiel zu gewinnen." Die Mannschaft sei sehr nervös und fahrig gewesen. Die "Basics" seien nicht abgerufen worden. Das 1:1 habe keine Sicherheit gegeben. "Wir fahren nach Hause, weil die Ergebnisse insgesamt nicht gestimmt haben."

Voss-Tecklenburg - "Es hat am Ende immer etwas gefehlt"

Sportschau FIFA Frauen WM, 03.08.2023 14:52 Uhr

Bei der Aufarbeitung der WM in Australien und Neuseeland wird es auch um die Bundestrainerin gehen. Wenngleich sie die Entwicklung im deutschen Nationalteam erst in Fahrt gebracht hat. Nach dem Viertelfinal-Aus vor vier Jahren in Frankreich war nun bereits nach der Vorrunde Schluss.

"Ich habe direkt nach dem Spiel gegen Südkorea mit der Bundestrainerin telefoniert. Gemeinsam werden wir diese Enttäuschung aufarbeiten", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf. "Wir hatten alle den Achtelfinaleinzug fest eingeplant. Zur Erreichung langfristiger Ziele gehören aber auch Rückschläge dazu."

Sportlicher Leiter will "niemanden infrage stellen"

Der Sportliche Leiter Joti Chatzialexiou erklärte, das Vorrundenaus sei ein Rückschlag für den Frauenfußball. "Ich werde nach dem Spiel aber niemanden infrage stellen. Das ist eine Thematik, über die wir in Ruhe sprechen werden. Dazu gehöre ich, das Trainerteam und viele andere Menschen, die dazu beigetragen haben, dass wir bei der WM sind", sagte Chatzialexiou.

Er selbst wird sich verbandesintern angesichts der schwachen Auftritte auch bei der U21 und dem Männerteam einige Fragen gefallen lassen müssen. "Ich für mich persönlich will weiterkämpfen und schauen, dass es weitergeht im DFB und im deutschen Fußball."

Chatzialexiou - "Ein Rückschlag für den Frauenfußball"

Sportschau FIFA Frauen WM, 03.08.2023 16:31 Uhr

Taktische Umstellung geht nicht auf

So recht erklären konnte sich keine der Spielerinnen, was in den 90 Minuten gegen Südkorea passiert war und warum es nicht zum Weiterkommen gereicht hatte. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir mit einem Plan nach vorn gespielt haben", beschrieb Lena Oberdorf die Geschehnisse und fügte hinzu: "Dabei hatten wir einen."

Das ist einer der traurigsten Momente in meinem Leben.
Nationalspielerin Lena Oberdorf

Voss-Tecklenburg hatte mit Alexandra Popp und Lea Schüller zwei Stürmerinnen aufgeboten. Doch weil wie schon gegen Kolumbien auf den Außenbahnen Klara Bühl und Jule Brand kaum etwas gelang, kamen Popp und Schüller nur selten zu Chancen. Im Mittelfeld klafften dafür riesige Lücken - durch die Südkorea auch früh in Führung gegangen war.

Wie aus dem Nichts köpfte Popp zwar den Ausgleich. Dass sie es aber auch nicht immer allein richten kann, zeigten ihre beiden vergebenen Kopfballchancen in der Schlussphase. Sie habe "den Ball nicht unterbekommen", beschrieb die Kapitänin und fügte hinzu: "Das ist total bitter und tut richtig weh." Oberdorf sprach gar von "einem der traurigsten Momente in meinem Leben".

Hendrich: "Zu wenig in allen Bereichen"

Auch Kathi Hendrich fand deutliche Worte: "Wir sind alle sehr schockiert. Damit haben wir nicht gerechnet. Natürlich haben wir uns viel mehr vorgenommen. Aber es war zu wenig in allen Bereichen, und wir sind verdient ausgeschieden."

Der Kopf habe eine große Rolle gespielt, erklärte die 31-Jährige, die selbst keinen guten Tag erwischt hatte. "Wir hatten Bock, die erfolgreiche EM zu bestätigen. Aber vielleicht haben wir uns am Ende zu viel vorgenommen. Ich weiß es nicht."

Wie geht es mit Popp und Co. weiter?

Und auch personell bleiben einige Fragezeichen. Wie Hendrich sind auch Sara Doorsoun, Ann-Kathrin Berger, Huth, Hegering und Popp schon über 30 Jahre alt. Popp hatte bereits vor der WM lange für die Zusage gebraucht. Ihre Zukunft ließ sie nach dem Schlusspfiff in Brisbane offen: "Darauf habe ich keine Antwort", sagte die Kapitänin auf eine Frage nach ihrer Zukunft.

Hegering hatte eigentlich vor dem Turnier erklärt, dass der Plan sei, nach der kommenden Saison ins Trainerteam des VfL Wolfsburg zu wechseln. Zuletzt klang allerdings schon an, dass es auch anders kommen könnte.

Klar ist lediglich, dass das enttäuschende Spiel gegen Südkorea ihr letztes bei einer WM war. Ihre Gedanken galten aber vielmehr den Fans. "Ich bin brutal enttäuscht. Und für die Fans tut es mir furchtbar leid."

Viel Zeit bleibt allerdings allen Beteiligten nicht. Schon bald geht es um die Qualifikation für Olympia im kommenden Jahr. In der Nations League stehen bereits ab Ende September die Duelle mit Dänemark, Island und Wales an.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 02.08.2023 | 08:35 Uhr