Jamaika reicht ein Remis "Reggae Girlz" fordern Brasilien heraus
Das Finale in Vorrunden-Gruppe F bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland heute (02.08.2023, 12 Uhr MESZ, live im Ersten und auf sportschau.de) wird spannend: Außenseiter Jamaika hat gegen Brasilien den Einzug ins Achtelfinale vor Augen. Ein Unentschieden würde den "Reggae Girlz" dafür schon reichen.
Wer hätte das gedacht? Vor dem finalen Spieltag ist noch alles möglich in Gruppe F: Dort, wo Frankreich und Brasilien als Topfavoritinnen ins Rennen gegangen sind, hat sich plötzlich eine hochinteressante Situation ergeben, die vor allem Brasilien ganz schwer unter Druck setzt. Nach Frankreichs 2:1-Sieg gegen die Frauen vom Zuckerhut stehen "Les Bleues" mit vier Zählern an der Spitze. Sie sollten das Achtelfinale in ihrer Schlusspartie gegen die bisher punktlosen Frauen aus Panama heute (ebenfalls um 12 Uhr MESZ, im Livestream auf sportschau.de) sicher erreichen.
Jamaika reicht ein Punkt
Dahinter aber wird's spannend: Jamaika, das Frankreich zum Auftakt ein 0:0 abtrotzte und anschließend Panama bezwang, liegt einen Zähler vor Brasilien. Ein Punkt im direkten Duell reicht den "Reggae Girlz" nun, um Brasilien ein Schnippchen zu schlagen und selbst ins Achtelfinale einzuziehen.
Es war Verteidigerin Allyson Swaby, die Jamaika mit ihrem Kopfballtreffer in der zweiten Halbzeit zum 1:0-Sieg gegen Panama verhalf. Die Frauen aus der Karibik hatten sich schwer getan - es war eine ungewohnte Rolle, in die sie da im zweiten Gruppenspiel geschlüpft waren: Erstmals überhaupt waren sie als Favoritinnen in eine Partie gegangen. So richtig behagte ihnen diese Ausgangsposition nicht - das war zu sehen.
Torschützin wirbt für Respekt
Doch trotz aller spürbaren Verkrampfung reichte es zum Sieg und nunmehr vier Punkten, die für das Gruppenfinale alles möglich machen. Dass gerade Swaby den Treffer erzielte, war bezeichnend. Denn es war die Verteidigerin, die in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder als Wortführerin aufgetreten war, als die Probleme des Teams mit der Verbandsspitze deutlich wurden.
Das Team war nicht einverstanden mit der Unterstützung des jamaikanischen Fußballverbandes. Säumige Zahlungen und schlechte Organisation störten die Turniervorbereitungen. Swaby äußerte sich öffentlich und verlangte "Respekt" von Seiten der Offiziellen. "Fußball ist unser Lebensunterhalt. Wir sollten angemessen behandelt werden", forderte die in den USA aufgewachsene 26-Jährige. Die Dinge seien "nicht perfekt gelaufen", räumte der Verband ein und versprach Besserung.
2010 gab's keine "Reggae Girlz" mehr
Das Team hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Entwicklung genommen. Schon die Qualifikation für die WM-Endrunde 2019 in Frankreich, wo man nach drei Niederlagen in der Vorrunde ausschied, war ein großer Erfolg gewesen. 2010 war die Nationalmannschaft noch aufgelöst worden, nachdem sie sich weder für die Frauen-WM 2003 noch für das nächste große Turnier, die Olympischen Spiele 2008 in Peking, qualifiziert hatte.
2010 krebste das Team auf Rang 128 der Weltrangliste herum. Deshalb strich der jamaikanische Fußballverband JFF sowohl der A-Nationalmannschaft als auch der Olympia-Auswahl sämtliche Mittel. Folglich fiel die Nationalmannschaft ein Jahr später wegen fortgesetzter Inaktivität aus der Wertung.
"Tragen die gleichen Farben"
Doch 2014 erhob sich die Nationalmannschaft wie Phönix aus der Asche. Im Vorfeld der damaligen Concacaf W Championships bekam sie wieder finanzielle Mittel und begann umgehend, Spielerinnen zu rekrutieren. Zwar belegte das Land in seiner Gruppe den dritten Platz und verpasste somit die Qualifikation für die WM in Kanada 2015, doch 2017 kehrte Jamaika in die FIFA-Weltrangliste zurück - und seither geht es stetig bergauf.
Trainer Lorne Donaldson hat seinen Posten schon zum zweiten Mal inne. 2020 war er zurückgetreten, nur um das Team im Juli 2022 dann doch noch einmal zu übernehmen und auf Platz drei der Concacaf W Championship zu führen. Die WM-Qualifikation gelang durch ein 1:0 im Spiel um Platz drei gegen Costa Rica.
Topstar Shaw wieder dabei
Dass man nun ausgerechnet Brasilien zu Fall bringen könnte, ist für Donaldson ein zweischneidiges Schwert: "Wir tragen die gleichen Farben. Wir haben großen Respekt vor Brasilien. Die meisten Jamaikaner denken, sie seien Brasilianer, wenn es um Fußball geht."
Gegen Brasilien werden die karibischen Fußballerinnen aber wieder in ihre geliebte Rolle als Außenseiterinnen zurückfinden. Was ihnen gut tun wird: Topstar und Kapitänin Khadija Shaw (20 Tore für Manchester City in der vergangenen Saison) ist nach ihrer Gelb-Roten-Karte aus dem Frankreich-Spiel, wegen der sie gegen Panama zuschauen musste, im entscheidenden Gruppenspiel um den Achtelfinaleinzug.
- Spiele gegeneinander: 1 (1 Sieg Brasilien)
- FIFA-Weltrangliste: Jamaika Platz 43 / Brasilien Platz 8
- Beste WM-Platzierung: Jamaika - Vorrunde 2019 / Brasilien - Vize-Weltmeister 2007
- Fun Fact: Khadija Shaw ist das Aushängeschild des jamaikanischen Frauenfußballs. Wegen ihrer Vorliebe für Karotten bekam sie in der Jugend den Spitznamen "Bunny" verpasst.
- Spiele gegeneinander: keine
- FIFA-Weltrangliste: Panama Platz 52 / Frankreich Platz 5
- Beste WM-Platzierung: Panama - Erste Teilnahme 2023 / Frankreich - Vierte Platz 2011
- Fun Fact: Frankreichs Trainer Hervé Renard wurde von den heimischen Medien nach dem Sieg über Brasilien mit Lob überschüttet. "Er hat das einst zerstrittene Team wiederbelebt", heißt es. Nebenbei: Renard ist nun der erste Trainer weltweit, der bei Weltmeisterschaften sowohl ein Spiel mit einer Frauen- wie mit einer Männermannschaft gewinnen konnte. 2022 in Katar besiegte er mit Saudi Arabien den Favoriten Argentinien in der Vorrunde mit 2:1.