Nach frühem WM-Aus Kein "Weiter so" - die Baustellen des DFB-Frauenteams
Überstürzte Abreise aus Down Under, Durchhalteparolen auf diversen Pressekonferenzen - das frühe WM-Aus der deutschen Frauen sorgt für Ratlosigkeit. Es gibt viel zu tun.
Nein, mit einem derart frühen Aus bei der WM hatten sie im deutschen Lager nicht gerechnet. Als nach dem frustrierenden 1:1 gegen Südkorea am vergangenen Donnerstag die deutschen Spielerinnen auf dem Rasen in Brisbane enttäuscht zu Boden sanken, begann in der deutschen Organisationseinheit der Delegation hektische Betriebsamkeit.
Was sollte man denn jetzt tun? Wie konnte man den Ort der Schmach möglichst rasch verlassen? Es war nichts gebucht, nichts vorbereitet für ein so frühes Ausscheiden.
Chaos bei Rückreise
Das Team flog also am Freitag zunächst von Brisbane nach Newcastle und fuhr zurück zum Teamhotel in Wyong. Am Samstag machte sich der Tross dann über den Tag verteilt in unterschiedlichen Flügen auf den Heimweg. Nichts war es mit gemeinsamer Rückreise, gemeinsamer Landung, Empfang gar irgendwo in Frankfurt auf dem Flughafen.
Das Chaos der Abreise symbolisiert ganz gut den aktuellen Zustand des deutschen Frauenteams. Man hat den Kompass verloren. Die Richtung ist nicht mehr klar. Klar ist, dass es etliche Baustellen gibt, die es nun zu bearbeiten gibt.
Martina Voss-Tecklenburg
Es gebe kein "Weiter so" bei ihr und ihrem Umgang mit dem deutschen Nationalteam, hat Martina Voss-Tecklenburg am Samstag (05.08.2023) bei der Abschluss-Pressekonferenz in Australien angekündigt. Es bedürfe tiefgehender Analysen, anhand der Ergebnisse man seine Schlüsse ziehen wolle. Schon zuvor hatte sie erklärt, sie sein "kein Typ, der bei Problemen wegläuft".
Sie möchte also Bundestrainerin bleiben. Von Verbandsseite gab es hierfür Unterstützung, DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach "MVT" das Vertrauen aus und meinte, er sei doch sehr sicher, dass die Bundestrainerin mit dem Team die Kurve kriegen könne.
Nicht so toll fand dies Sportschau-Expertin Nia Künzer. "Für mich ist das natürlich widersprüchlich und eigentlich auch keine Notwendigkeit gewesen, so schnell schon Fakten zu schaffen. Wenn man davon spricht, dass man Zeit für Analysen braucht - und dann im Prinzip schon eine Entscheidung getroffen hat. Für mich ist der Drops gelutscht, die Entscheidung steht."
Der DFB
Natürlich prasselt jetzt aus vielen Ecken Kritik auf den DFB und sein Handeln in den letzten Jahren herein. Der deutsche Fußball scheint sich generell auf dem absteigenden Ast zu befinden. Aufgabe des Verbandes ist es, diesen Trend zu stoppen. Neue Ideen zu entwickeln. Neue Konzepte so schnell wie möglich umzusetzen.
Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter beim DFB aller Nationalmannschaften, schlägt Alarm: "Zur Wahrheit gehört auch, dass unsere Mühlen leider zu langsam mahlen in Deutschland", sagt er.
Kleinere Nationen mit kürzeren Kommunikationswegen und weniger sportpolitischen Hürden seien vergleichsweise im Vorteil. "Wenn wir das nicht verändern, dann werden andere auf der linken Spur an uns vorbeifahren und dann sehen wir schlussendlich nur die Rücklichter", mahnte der 47-Jährige: "Das zeichnet sich möglicherweise dann auch bei zukünftigen Turnieren ab."
Die Frage, ob der DFB auch personell an dieser Position Stellschrauben drehen muss, ist wichtig. Ein Sportlicher Leiter, der einzig für das DFB-Frauenteam zuständig ist, wird zum Beispiel von vielen Experten eingefordert.
Das Team
Alex Popp, beste deutsche WM-Spielerin, hat tief blicken lassen: Grundsätzlich stehe die Qualität der deutschen Spielerinnen nicht in Frage, sagte die 32-Jährige. Allein, man habe "die Qualität nicht auf den Platz gebracht."
Wer zwischen den Zeilen lesen kann, wittert hier auch Kritik an der sportlichen Leitung, auch an der Bundestrainerin. Denn genau die wäre ja dafür verantwortlich, das Potenzial der Spielerinnen gewinnbringend einzusetzen.
Die Frage nach Rücktritten aus dem Team, die normalerweise nach Misserfolgen aufkommt, wurde bislang noch überhaupt nicht thematisiert. Popp selbst befindet sich sicherlich schon so langsam im Herbst ihrer Karriere. Kommen weitere Spielerinnen in Frage, den Weg für jüngere Spielerinnen freizumachen? Marina Hegering (33), Ann-Katrin Berger (33), Kathrin Hendrich (31), Sara Doorsun (31) und Svenja Huth (32) haben die 30 ebenfalls überschritten.
Nationalteam und Liga
Dass die Frauen-Nationalmannschaft ein nicht ganz leichtes Verhältnis zum FC Bayern unterhält, ist unter vorgehaltener Hand kein Geheimnis. "Wir müssen in Zukunft Hand in Hand arbeiten, weil es sonst keinen Erfolg für die Nationalmannschaft gibt", sagte Chatzialexiou kürzlich.
Beim Abstellungsstreit des Verbandes mit dem FC Bayern vor dem WM-Turnier wolle er nicht von alten Kamellen sprechen, so der DFB-Manager, aber: "Natürlich hat es auch Einfluss gehabt auf unsere Vorbereitung." Der deutsche Meister aus München hatte seinen Spielerinnen erst fünf Tage später als jenen etwa des VfL Wolfsburg erlaubt, die WM-Vorbereitung in Herzogenaurach aufzunehmen. Dies hatte beim DFB für großen Ärger gesorgt. Chatzialexiou sprach damals sogar von einem "Wortbruch" des FC Bayern.
Kurzfristige Perspektive
Es ist nicht viel Zeit für einen Neustart, wenn er denn erwünscht sein sollte. Schon im September geht es mit wichtigen Pflichtspielen weiter. Dann geht es um die Olympia-Qualifikation. "Da wollen wir uns mit einem anderen Gesicht präsentieren", kündigt DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich gegenüber der Sportschau an.
Angesichts der Aussage, ein "Weiter so" nicht als Option zu sehen, sollten ganz schnell neue Ideen umgesetzt werden. Vielleicht erst einmal in Sachen Taktik auf dem Spielfeld. In den letzten beiden Gruppenspielen auf eine Abwehr-Dreierkette zu setzen, erwies sich als sehr instabil.
Und ganz vorn alle Last auf den Schultern von Alex Popp? Das war am Ende recht leicht ausrechenbar für die Konkurrenz. Aber dies ist ja schon Detailarbeit. Womöglich muss doch erst einmal am Großen und Ganzen verändert werden.