Bei Benfica in der Europa League Erst wenige Stunden vor Anpfiff klar - Marseilles Fans dürfen ins Stadion
Zahlreiche Fans von Olympique Marseille befinden sich vor dem Viertelfinal-Hinspiel bei Benfica in Lissabon. Kurz vor dem Spiel wurden ihre Eintrittskarten aber storniert - erst nach viel Einsatz von Fan-Organisationen dürfen sie ins Stadion.
Benfica hatte eigenen Angaben zufolge die Karten der Gästefans am Dienstagabend (09.04.2024) storniert. Der Klub sei von den Behörden vor möglicher Gewalt durch Marseilles Fans gewarnt worden, hieß es in einer Mitteilung. Am Donnerstagabend (21 Uhr) soll das Hinspiel im Estadio da Luz in Lissabon stattfinden.
Zuvor hatten französische Behörden den Fans von Benfica den Besuch des Rückspiels untersagt. Das Rückspiel steht kommende Woche Donnerstag im Stade Velodrom in Marseille an. "Benfica bedauert zutiefst die Entscheidung der französischen Behörden. Sie entziehen dem europäischen Wettbewerb ihren Geist", teilte der Klub mit - und ging dann selbst genauso vor. Am Donnerstagnachmittag widerriefen die französischen Behörden das Reiseverbot für die portugiesischen Fans, Benfica zog wenig später seine Maßnahme ebenfalls zurück - nur etwas mehr als vier Stunden vor dem Anpfiff. Fußball ohne Fans ist kein Fußball, schrieb Benfica. Von Sicherheitsbedenken keine Rede mehr.
Laut Regularien stehen den Gästeklubs jeweils fünf Prozent der Eintrittskarten bei einem Europapokalspiel der UEFA zu. Nationales Recht steht aber über den Verbandsstatuten, so sind die Verbote durch die Behörden grundsätzlich möglich. Neu ist bei diesem Fall aber: Mit Benfica sprach ein Verein und keine Behörde das Verbot aus.
Das Estadio da Luz, Heimat von Benfica Lissabon
Fanbündnis: "Das ist eine Vergeltungsmaßnahme"
"Das ist eine Vergeltungsmaßnahme für das von den französischen Behörden verhängte Reiseverbot für das Rückspiel", sagt Martin Endemann vom Fanbündnis Football Supporters Europe im Gespräch mit der Sportschau vor der Rücknahme der Maßnahmen. "Dafür gibt es keine rechtliche oder regulatorische Grundlage. Diese Entscheidung ist unverantwortlich und gefährdet jeden Fan. Sicherer wäre es, Zugang zum Gästeblock zu gewähren", sagt Endemann. Tausenden Fans, die nach der Auslosung Flüge und Unterkünfte gebucht sowie Urlaub eingereicht hätten, wäre die Möglichkeit verwehrt worden, ihre Mannschaft spielen zu sehen.
Martin Endemann vom Fanbündnis Football Supporters Europe
Die französische Fanorganisation AN Supporters widersprach im Netzwerk X der Sichtweise, dass erst Benficas Vorgehen das Einlenken der französischen Behörden verursacht habe. Bereits zuvor habe man in Frankreich Maßnahmen ergriffen, um die Entscheidung zu kippen: "Benficas illegale Erpressung auf Kosten der OM-Fans ist nicht ruhmreich, sondern beschämend."
Marseilles Präsident: "Kehren wir zur Vernunft zurück"
Auch in Marseille gab es Unmut. "Ich kann nicht akzeptieren, dass unsere Fans, die große Opfer gebracht haben, um nach Portugal zu kommen, die Tribünen nicht betreten dürfen", teilte Pablo Longoria mit, Präsident von Olympique Marseille. Die Situation könne außerdem dazu beitragen, das Sicherheitsrisiko zu erhöhen, wenn sich OM-Fans vor dem Estadio da Luz treffen. "Es ist immer noch möglich, zur Vernunft zurückzukehren und die richtigen Entscheidungen zu treffen."
Pablo Longoria, Präsident von Olympique Marseille
Die vorausgegangene und mittlerweile zurückgenommene Entscheidung der Präfektur Bouche-du-Rhône, keine portugiesischen Fans zum Rückspiel in Marseille zuzulassen, hatten die beiden Klubs bereits in einer gemeinsamen Erklärung kritisiert. "Wir appellieren an die Behörden beider Länder, das Viertelfinale der UEFA Europa League im Beisein der Fans beider Vereine zu spielen", so die beiden Klubs. Das hatte Erfolg, die Präfektur teilte mit: "Auf Wunsch des Ministers für Inneres und Übersee werden während des Spiels, das am 18. April im Vélodrome-Stadion stattfinden wird, keine Maßnahmen ergriffen, die die Reise der Fans von Benfica Lissabon verbieten."
Nach dem Präzedenzfall Neapel - Frankfurt machte das Vorgehen Schule
Im März 2023 hatten italienische Behörden Fans von Eintracht Frankfurt vom Besuch des Spiels bei der SSC Neapel ausgeschlossen. Die Lösung des Problems war es nicht: Es kam in der Stadt zu Ausschreitungen zwischen Neapels Anhängern und angereisten Fans aus Frankfurt, von denen die meisten längst Flüge und Hotelübernachtungen gebucht hatten.
Philipp Reschke, Vorstandsmitglied bei der Eintracht, sagte damals im Hessischen Rundfunk: "Die Büchse der Pandora wurde hier möglicherweise geöffnet. Wir hoffen, dass das nicht Schule macht." Doch genau das passierte: AS Rom gegen Feyenoord, Nizza gegen Basel, Feyenoord gegen Lazio, Lazio gegen Feyenoord waren Fälle von Fan-Ausschlüssen und zuletzt waren auch bei Olympique Marseilles Spiel gegen Ajax Amsterdam Gästefans auf Grundlage von behördlichen Beschlüssen nicht zugelassen. Doch im Gegensatz zum Spiel in Lissabon trafen nie die Klubs diese Entscheidungen.
UEFA-Präsident kündigte Regeländerung an, die nie erfolgte
Nach dem Verbot gegen Frankfurter Fans in Neapel kritisierte auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin die Verbote von Gästefans. "Diese Situation ist untragbar und wir müssen dringend etwas dagegen tun, denn die Entscheidung der Behörden ist absolut nicht korrekt", sagte er damals im ZDF. "Wir müssen sagen: Wenn so etwas passiert, wird dort nicht gespielt. Ganz einfach: Wir werden die Regeln ändern." Die Regeln wurden seitdem jedoch nicht geändert - aber die bestehenden Regularien auch nicht durchgesetzt. Denn darin ist die Bereitstellung des Gästekontingents Maßgabe. Zur aktuellen Situation in Lissabon äußerte sich die UEFA auf Anfrage der Sportschau zunächst nicht.
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Unbeteiligt am Ausgang der Situation in Frankreich war die UEFA aber offenbar nicht. Das französische Fanbündnis AN Supporters schrieb nach der Aufhebung der Maßnahme für das Spiel in Marseille: "Wir danken der UEFA und Olympique Marseille, dass sie sehr aktiv zur Lösung dieser Situation beigetragen haben." Die UEFA veröffentlichte später eine Stellungnahme, in der sie die Zulassung der Fans begrüßte. Sie dankte den beteiligten Fanverbänden für ihre Unterstützung, "die zu diesem positiven Ergebnis geführt" habe. "Wir hoffen auf eine tolle Atmosphäre in beiden Stadien."