Königstransfer bringt Bayer die Wende Boss Xhaka bereitet Leverkusens "Vize-Fluch" ein Ende
"Vizekusen" ist Vergangenheit - Bayer Leverkusen gewinnt Titel. Aus mehreren brillanten Transfers sticht Granit Xhaka heraus, er bedingte einen Mentalitätswechsel.
Ganz prima Fußball spielen konnte Leverkusen auch schon vor Xhaka. Aber in den entscheidenden Momenten fehlte zu oft das entscheidende letzte Puzzleteil, und das war noch nicht mal gegen die besonders guten Gegner der Fall. Um etwas Großes zu erreichen, ließ Bayer zu oft Punkte liegen gegen vermeintlich schwächere, unangenehm zu bespielende Teams.
Das war in der abgelaufenen Saison vom ersten Spieltag an anders, kein einziges Liga- und kein einziges Pokalspiel verlor die Mannschaft von Xabi Alonso - auch weil sie im oberehrgeizigen Xhaka einen Antreiber und Taktgeber hatte, der seinen Kollegen Anflüge von Arroganz oder selbstverliebter Lethargie nicht durchgehen ließ.
Lange Zeit mit ganz kurzer Zündschnur
Beeindruckend ist bei Xhaka auch ein Reifeprozess, den er jenseits der 30 nochmal durchlebt hat. Der Schweizer hat sich lange Zeit in seiner Karriere immer wieder selbst im Weg gestanden, weil er eine ganz kurze Zündschnur hatte, sich gerne und leicht provozieren ließ und auch ein Faible für politische Nebenschauplätze hatte.
Viel davon mag in seinen familiären Wurzeln liegen. Granit Xhaka ist der Sohn kosovo-albanischer Eltern, sein Vater saß drei Jahre im Gefängnis, weil er sich getraut hatte, im kommunistischen Jugoslawien gegen die Regierung zu demonstrieren. Granits Bruder Taulant spielte später nicht für die Schweiz, sondern für Albanien.
Doppel-Adler-Geste gegen die pfeifenden serbischen Fans
Und Granit Xhaka lebte seine albanischen Wurzeln auch gern mal auf dem Platz aus, in einem Länderspiel gegen Serbien provozierte er bei der WM 2018 gemeinsam mit seinem Freund Xherdan Shaqiri die gegnerischen Fans - die die vier albanisch-stämmigen Schweizer über die komplette Spieldauer ausgepfiffen hatten - mit der Doppel-Adler-Geste beim Torjubel.
In Mönchengladbach bis 2015 und später beim FC Arsenal handelte er sich mehrere Platzverweise nach Unbeherrschtheiten ein. Jetzt in Leverkusen konzentriert er sich auf das Spiel und bringt seine nach wie vor ungebrochene Aggressivität und Leidenschaft nur noch zugunsten seiner Kollegen ein.
So fand er nach dem 0:3 im Europapokal-Finale gegen Bergamo sofort wieder aufbauende Worte und arbeitete sauber heraus, dass nach dieser (einzigen) Niederlage erst recht der wahre Teamgeist zu beweisen wäre - was in Berlin gegen Kaiserslautern gelang.
Top-Werte bei Ballbesitz und Pässen
Genauso wichtig wie sein Traumtor nach einer Viertelstunde: Auch in der komplizierten Situation mit einer dünnen Führung und einer kompletten Halbzeit in Unterzahl hielt Xhaka die Mannschaft zusammen, fand wie so oft die ideale Mischung aus beruhigenden und beschleunigenden Aktionen.
102 Ballkontakte hatte er am Ende gesammelt und eine Kroos-artige Passquote von 91 Prozent, obwohl er nicht nur quer und zurück spielte.
Wiedersehen mit den deutschen Kollegen
Jetzt kann Xhaka mal ein paar Tage durchatmen, doch er brennt schon auf das nächste Highlight in dieser Saison: Dank ihm als Leader trauen viele der Schweiz bei der Europameisterschaft in Deutschland einen weiten Weg zu.
Und ein spanndendes Wiedersehen mit seinen Mitstreitern Jonathan Tah, Robert Andrich und Florian Wirtz steht schon in knapp vier Wochen bevor: Am 23. Juni treffen die Schweizer in Frankfurt auf die DFB-Elf, möglicherweise geht es in diesem Duell um den Sieg in der EM-Gruppe A.