Polizisten sichern die Ankunft der Fans des FC St.Pauli ab.

Bundesverfassungsgericht entscheidet Fußball muss für Polizeikosten zahlen

Stand: 14.01.2025 11:52 Uhr

Der Profifußball kann zur Kasse gebeten werden: Die Bundesländer dürfen ihre Polizeikosten bei Hochrisikospielen in Rechnung stellen. Dieses Urteil verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe am Dienstag.

Damit ist der zehn Jahre dauernde Streit um die Gebühren beendet. "Auf diese Weise sollen die Mehrkosten der Polizeieinsätze nicht durch die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern jedenfalls auch durch die wirtschaftlichen Nutznießerinnen und Nutznießer der Polizeieinsätze geschultert werden. Das ist ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel", sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Stephan Harbarth. 

2015 hatte das Land Bremen nach dem Derby zwischen Werder und dem Hamburger SV der Deutschen Fußball Liga (DFL) erstmals eine Rechnung (425.000 Euro) für einen Polizeieinsatz gestellt. Die DFL wehrte sich dagegen, musste aber juristische Niederlagen vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen und dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hinnehmen. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde im April 2024 eröffnet.

Polizeikosten bei Hochrisikospielen - eine Entscheidung naht

Robert Kempe, Sportschau Bundesliga, 12.01.2025 19:15 Uhr

Auch Polizeigewerkschaft ist erfreut

Das breite Grinsen wollte Ulrich Mäurer nach dem Urteilsspruch vor Ort nicht aus dem Gesicht weichen. "Das ist ein sehr schöner Tag. Es zeigt sich, dass sich das Kämpfen lohnt", sagte der strahlende Sieger in dem Dauerzwist. Das Urteil in Karlsruhe war ganz in seinem Sinne: "Die Entscheidung ist voll befriedigend. Es bleibt nichts offen."

Die angegriffene Norm sei mit dem Grundgesetz vereinbar, erklärte Harbarth in der Urteilsverkündung. Ziel der Regelung sei es, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie zurechenbar veranlasst habe und bei dem die Gewinne anfallen. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel. 

DFL und DFB sind nicht erfreut

"Leider ist uns das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Das ist für uns natürlich enttäuschend. Aber das ist so zu akzeptieren", sagte Bernd Hoefer, Rechtsanwalt der Dachorganisation der 36 Lizenzvereine. Die DFL verzichtete im Laufe des Tages in einer langen Stellungnahme darauf, verbittert nachzutreten. Statt dessen betonte der Ligaverband, sich gemeinsam mit dem DFB im konstruktiven Austausch mit der Politik, insbesondere den Sport- und Innenministern zu befinden. "Statt auf Kostenverlagerungen fokussieren sich die Gespräche auf konkrete Maßnahmen, um das Sicherheitsniveau rund um die Stadien weiter zu stärken und Polizeieinsatzstunden zu reduzieren", hieß es. 

Klare Ablehnung artikulierte der DFB: "Dass der Fußball jetzt auch die Mehrkosten für die Sicherheit im öffentlichen Raum tragen soll, auf den er gar keinen Einfluss hat, halten wir für nicht richtig." Durch die BVG-Entscheidung sei bei der Durchführung von Sportgroßveranstaltungen im internationalen Kontext nun "grundsätzlich ein Wettbewerbsnachteil für den Fußballstandort Deutschland" entstanden.

Das Urteil bedeute zudem "keinerlei Gewinn an zusätzlicher Sicherheit". Der DFB sorgt sich vor allem um Vereine in der 3. Liga oder Regionalliga, für die solche Gebührenbescheide "existenzgefährdend" sein und "massiv in den Wettbewerb eingreifen" können.

Werder Bremen fühlt sich benachteiligt

Zustimmung kam prompt von Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG:  "Es kann nicht sein, dass jeder Bürger für kleinste Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung mit teilweise drastischen Gebühren zur Kasse gebeten wird, aber die milliardenschwere DFL die Arbeit zigtausender Polizeikräfte geschenkt bekommt."

Dagegen ist der SV Werder zwar mit langem Vorlauf vom eigenen Senator ausgetrickst worden, reichte aber den schwarzen Peter an die DFL weiter. "Wir müssen nun im Ligaverband Diskussionen führen. Werder darf nicht alleine die Zechen zahlen. Das wäre eine Benachteiligung für uns", wetterte Werders Geschäftsführer Tarek Brauer: "Wir wünschen uns die Solidargemeinschaft der Liga und eine faire Verteilung der Kosten." Doch das könnte ein frommer Wunsch bleiben.

Hamburger SV drückt Irritation aus

"Es wird nicht so kommen, dass die Klubs aus den Bundesländern, in denen diese Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen", sagte der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke - und erteilte damit einem gemeinsamen Fonds der Profivereine eine Absage: "Das ist schon die Verantwortung auch der einzelnen Landesregierungen."

Der zu erwartende Zoff um die Begleichung der Kosten könnte der Endpunkt einer Diskussion sein, die seit 2015 köchelt. Die Liga argumentierte vergebens, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit außerhalb der Stadien eine staatliche Kernaufgabe sei, die grundsätzlich aus Steuermitteln zu finanzieren ist.

Indieselbe Kerbe stieß auch noch einmal der Hamburger SV, der über Finanzvorstand Eric Huwer seine Irritation kund tat.  "Wir respektieren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, auch wenn wir es mit Irritation zur Kenntnis nehmen, da es die staatliche Sicherheitsarchitektur infrage stellt", sagte Huwer in einer Stellungnahme des Zweitligisten. 

Öffentliche Sicherheit dürfe nicht privatisiert werden, betonte er. "Der HSV übernimmt bereits umfassend die Kosten für den Veranstaltungsschutz im Stadion und der direkten Umgebung. Ereignisse im öffentlichen Raum, unabhängig vom Anlass, liegen jedoch außerhalb unserer Zuständigkeit und Einflussmöglichkeiten."

Scharfe Kritik von Fanvertretern

Heftige Kritik kam auch von Fanvertretern. Die Vereinigung Unsere Kurve nahm das Urteil nach einer Mitteilung "fassungslos zur Kenntnis". Es sei zu befürchten, "dass damit der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland langfristig schwerer Schaden zugefügt wurde. Nach Auffassung von Unsere Kurve und im Einklang mit den Ansichten unzähliger Fachleute ist die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung eine Kernaufgabe des Staates." Gemäß des Steuerstaatsprinzips habe diese Gewährleistung aus Steuermitteln zu erfolgen. Und hier leiste der deutsche Profifußball bereits seinen Beitrag - zuletzt in Höhe von ca. 1,6 Milliarden Euro pro Jahr.

"Durch das heutige Urteil verkommt Polizeiarbeit zur simplen Dienstleistung. Es ist nun unabdingbar, dass den Klubs Entscheidungsgewalt in der polizeilichen Einsatzplanung eingeräumt wird und überdimensionierte Polizeieinsätze endlich ein Ende haben", sagte der Vorsitzende Jost Peter. Fast zynisch merkte Sprecher Thomas Kessen an: "Wir erwarten nun vom Freistaat Bremen jährliche Rechnungen an die Veranstalter des Bremer Freimarkts. Auch das Münchner Oktoberfest, der Kölner Karneval und die Silvesterpartys am Brandenburger Tor müssen den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden. Ob wir als Gesellschaft das allerdings wollen, darf bezweifelt werden – und ebenso zweifelhaft ist das heutige Urteil." Tatsächlich ist es eine Kardinalfrage, welche Auswirkungen das Urteil auf alle Großveranstaltungen hat, bei denen eine Gewinnabsicht dahintersteht.

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer hat letztlich gewonnen

Knapp zwei Millionen Euro hat Bremens streitlustiger Senator Mäurer der DFL über die Jahre in Rechnung gestellt. Die Hälfte davon musste Werder beim Ligaverband begleichen, der Rest wurde vorerst gestundet. Da Mäurer in seiner Praxis des Rechnungsschreibens bestätigt wurde, dürfte er weitere Mitstreiter in anderen Bundesländern finden.

Vor allem Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gelten als Kandidaten. Die Verantwortlichen streben allerdings eine bundesweit einheitliche Lösung an. Deshalb hat Mäurer eine jährliche Beteiligung der DFL in Höhe von rund 20 bis 30 Millionen Euro in Form eines Fonds vorgeschlagen. Das ist in etwa die Summe, die für die ungefähr 50 Hochrisikospiele in der Bundesliga und der 2. Liga pro Saison anfällt.

1.000 bis 1.500 Beamte sind in der Regel bei solchen Partien im Einsatz.

Unterstützung erhielt Mäurer in der Vergangenheit von den Landesrechnungshöfen, die allen Bundesländern das Bremer Vorgehen empfohlen haben. Schließlich ist das Ansinnen Mäurers im europäischen Kontext nicht aus der Luft gegriffen - so werden unter anderem in Italien und Frankreich die Klubs zur Kasse gebeten. Die mögliche Praxis, wonach Vereine künftig abhängig von ihrem Bundesland für die Polizeikosten zahlen müssen oder eben nicht, dürfte allerdings zu einem Aufschrei der betroffen Klubs führen.

Doch Watzke weist schon jetzt den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung zurück. "Als DFL können wir solche Themen nicht lösen. Wettbewerbsverzerrung kann im Prinzip alles sein", sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund der "Sport Bild": "Wenn der eine einen größeren Sponsor hat als der andere, sehen manche Menschen das auch als eine Wettbewerbsverzerrung an. Oder nehmen Sie die unterschiedlichen Steuer-Hebesätze. Da müssen wir die Kirche im Dorf lassen."