Neuer FC-Bayern-Trainer Thomas Tuchel - Spielerversteher und Funktionärsschreck
Thomas Tuchel wird neuer Trainer beim FC Bayern München. Der 49-Jährige kennt sich gut aus im Umgang mit Stars aus Europa und pflegt ein gutes Verhältnis. Nur mit den Vereins-Autoritäten eckt er immer wieder an.
Vielleicht hatte sich Gianluigi genannt "Gigi" Buffon daran erinnert, dass er seine Zigaretten stets offen in der Toilette in den Katakomben seines Ex-Klubs Paris St. Germain hatte liegen lassen. Und sein damaliger Trainer Thomas Tuchel das stets und überaus feinsinnig ignorierte. Diesen persönlichen Genuss wollte der Coach der lebenden italienischen Torhüter-Legende, die mit ihren jetzt 45 Jahren noch immer in der Serie B bei Parma Calcio spielt, nun wirklich nicht (mehr) verbieten.
Wie sollte Tuchel einem so hoch dekorierten Spieler, der damals schon das fünfte Lebensjahrzehnt begonnen hatte, Vorschriften über Gesundheit und sportliche Lebensweise machen. "Ich habe nur wenige Leute kennengelernt, die so intelligent sind", sagte Buffon noch vor wenigen Tagen anerkennend: "So etwas habe ich nur selten erlebt: Er zeigt Einfühlungsvermögen, kommt dadurch glaubhaft rüber und sendet positive Energie aus. Wunderschön." Mit den besonderen Eigenarten seiner Top-Spieler konnte Tuchel offenbar sehr gut umgehen, solange die sportliche Leistung stimmte.
Nun soll der deutsche Fußballlehrer nicht nur für dieses positive Lebensgefühl sondern auch für sportliche Titel beim FC Bayern München sorgen. Der 49-Jährige wird Nachfolger von Julian Nagelsmann und am Montag erstmals das Training leiten.
Lob von Neymar und Dembelé
Dabei gilt Thomas Tuchel nicht nur in der Öffentlichkeit gemeinhin als ein Trainer, der alles andere als leicht zu händeln ist. "Thomas ist schon ein schwieriger Mensch", rief ihm einst Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nach Tuchels BVB-Zeit hinterher. Diese persönliche Kritik kommt allerdings sehr selten von den Top-Stars in Tuchels Teams, im Gegenteil.
"Thomas Tuchel ist mein Lieblingstrainer", sagte einst Borussia Dortmunds Ousmane Dembelé über den Fußballlehrer. Der Franzose blühte beim BVB unter Tuchel so richtig auf und wurde daraufhin für 150 Millionen Euro zum FC Barcelona transferiert - wo er kaum noch einmal an seine Leistungen aus Dortmunder Zeiten anknüpfen konnte.
Auch Neymar war im Jahr 2019 voll des Lobes für Tuchel. '"Es ist eine Freundschaft, aber gleichzeitig auch ein großer gegenseitiger Respekt. Ich habe eine große Zuneigung zu ihm entwickelt, seit wir das erste Mal miteinander gesprochen haben", sagte der brasilianische Superstar über seinen ehemaligen Paris-Coach, der das französische Starensemble fast immer zu Höchstleistungen antreiben konnte.
Ärger mit Zorc und PSG-Managern
Aber Tuchel eckte natürlich auch immer wieder an, sogar manchmal bei einzelnen Spielern, wenn diese nicht so agierten wie er das wollte. In dieser Frage ist er strikt und kennt kaum Spielraum. Vor allem aber gab es immer dann Stress, wenn ihm die jeweiligen Vereins-Autoritäten in seine Arbeit reinreden wollten. Gerade bei Spieler-Verpflichtungen hatte Tuchel stets seinen eigenen Kopf. Der ehemalige BVB-Manager Michael Zorc bekam die Streitlust und die Unnachgiebigkeit genauso zu spüren wie die Ex-PSG-Sportdirektoren Antero Henrique und Leonardo.
So richtig gut verstanden mit einer Vorgesetzten hat sich Tuchel wohl nur in seiner Zeit beim FC Chelsea, wo er sofort mit dem Klub die Champions League gewinnen konnte. Mit der Fußball-Fachfrau Marina Granovskaia, die aufgrund ihrer Nähe zum russischen Ex-Klubbesitzer Roman Abramowitsch den Verein im vergangenen Sommer verlassen musste, harmonierte Tuchel prächtig.
Die amerikanischen Neu-Besitzer, eine Investorengruppe um den US-Milliardär Todd Boehly, die ab Mai 2022 eingestiegen war, wollten die personelle Besetzung des Teams allerdings offensiv mitbestimmen. Im folgenden September und einem wenig geglückten Saisonstart trennten sich dann die Wege der beiden Parteien - fast zwangsläufig.
Tuchels Feingefühl gefragt
Die Vereins-Verantwortlichen des FC Bayern dürften sich in den nächsten Wochen genau dieses (Spieler-)Handling und Feingefühl von Tuchel gegenüber seinen neuen Profis erhoffen, wie es jeweils etwa Buffon, Neymar und Dembelé beschrieben haben.
Zuletzt war zwischen den Münchner Profis und Nagelsmann offenbar eine nicht mehr zu überwindende Kluft entstanden. Dem neuen FCB-Trainer muss es wohl vor allem gelingen, wieder eine Gemeinsamkeit im Team herzustellen und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen.
Wo Tuchel trainiert, achtet er darauf, welche individuellen Fähigkeiten seine Spieler haben und welche konkreten Probleme seine Mannschaft. Dann richtet er seine Formation aus. Dass Tuchel in Sachen Taktik und fußballerischer Kompetenz auf allerhöchstem Niveau agiert, daran hatte selbst der dem Coach in herzlicher Ablehnung zugewandte Watzke nie Zweifel geäußert. "Aber er ist ein fantastischer Trainer", fügte der BVB-Geschäftsführer noch hinzu, nachdem er Tuchel auf persönlicher Ebene bewertet hatte.