Spitzenspiel in der Bundesliga Trainerspieler Xhaka - Leverkusen hat, was Bayern fehlt
Als Spieler war Xabi Alonso ein regulierendes Element. Heute ist Alonso Trainer von Bayer Leverkusen - und freut sich über einen, der Fußball ähnlich denkt: Granit Xhaka. Für ihn hätten auch die Bayern Verwendung.
Mit dem Zeigefinger der linken Hand deutete Granit Xhaka Richtung Eckfahne, dann hob er beide Hände über den Kopf, als würde er einen Einwurf ausführen. Zur Sicherheit wiederholte er beides, einmal, zweimal, dreimal. Im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Stuttgart lief bereits die Nachspielzeit, als Leverkusens Xhaka seinem Mitspieler Edmond Tapsoba zu verstehen gab, wie der einen Freistoß weit in der eigenen Hälfte auszuführen habe.
Lang nach vorne, am besten Richtung Eckfahne. Und wenn am Ende nur ein Einwurf herauskäme - auch gut. Tapsoba hielt sich an die Anweisungen, nur kam er nicht bis zur Eckfahne. Es gab auch keinen Einwurf. Ein Stuttgarter Verteidiger klärte. Xhaka wird es ihm nicht übelgenommen haben, kurz darauf war Schluss. Leverkusen hatte das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht.
Xhaka ist in Leverkusen das regulierende Element
Das hatte mit der Leistungssteigerung von Florian Wirtz zu tun, der erst unglücklich agierte und dann zauberte. Mit Jonathan Tahs Kopfball, der den Siegtreffer bedeutete. Und mit Xhaka. Er hat in dieser Saison noch kein Tor erzielt und auch keins vorgelegt, für das Spektakuläre sind in Leverkusen andere zuständig. Xhakas Job ist ein anderer. In einer Mannschaft, der es an Spielfreude nicht fehlt, die oft spektakulär spielt, ist er im defensiven Mittelfeld das regulierende Element.
Über Xhaka, 31, läuft jeder Angriff, er gibt die Richtung vor und auch das Tempo. Er ist Leverkusens Metronom. Er ist der Spieler, den sich der Trainer des nächsten Gegners so sehr gewünscht hat.
Ein Spitzenspiel, das richtungsweisend ist
Am Samstagabend (10.02.2024) reist der FC Bayern zum Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga nach Leverkusen (Ab 18.20 Uhr live in der Radio-Reportage und im Live-Ticker der Sportschau), der Tabellenführer empfängt den Zweiten. Für Bayer Leverkusen wird es das 31. Pflichtspiel der Saison sein. Verloren hat die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso noch gar nicht. Auch deshalb steht sie mit 52 Punkten aus 20 Ligaspielen vor den Bayern (50 Punkte). Doch auch in Leverkusen werden sie wissen: Spitzenspiele können die Bayern.
Über den Ausgang der Meisterschaft wird nicht in diesem Spiel entschieden, es folgen noch 13 Spieltage. Aber richtungsweisend wird der Ausgang des Spiels schon sein. Mit einem Sieg würden die Bayern Leverkusen überholen, bei einem Remis änderte sich nichts. Und sollte Leverkusen gewinnen, lägen sie fünf Punkte vorne. Es spräche dann einiges dafür, dass eine Serie endet. Dass der Meister nach elf Jahren mal wieder aus einer Stadt kommt, die nicht München ist.
"Holding nix": Tuchels Sechser-Wunsch wurde nicht erfüllt
Für Thomas Tuchel wäre dieses Szenario ungünstig, es würde seine Position als Trainer des FC Bayern München schwächen. Tuchel beaufsichtigt in München einen Kader voller Könner, sie heißen Harry Kane, Manuel Neuer, Leroy Sané oder Joshua Kimmich. Trotzdem hat Tuchel Schwächen erkannt, er warnte schon vor dieser Saison.
Hinten fehlte ihm ein Spieler, der rechts und innen verteidigen kann. Im Sommer blieb sein Wunsch unerhört, im Winter durfte er in Innenverteidiger Eric Dier und Rechtsverteidiger Sacha Boey gleich zwei Neuzugänge begrüßen.
Doch die Lücke im Mittelfeld, die blieb. Tuchel hatte sich einen Spieler für die "Sechs" gewünscht, eine "Holding Six" - einen, der für Struktur im Zentrum sorgt, dem Konterabsicherung ein Anliegen ist. Kimmich und auch Leon Goretza, sagte Tuchel, seien tolle Fußballer, aber ihre Stärken verordnete er woanders. Das, was Tuchel "Holding Six" nannte, bekam er nicht. Der Wechsel des Portugiesen João Palhinha vom FC Fulham scheiterte kurz vor Ende der Sommer-Transferphase. "Holding nix", schrieb die "Süddeutsche Zeitung".
Auch unter Druck macht Xhaka kaum Fehler
Leverkusen hatte da schon einen Spieler verpflichtet, wie Tuchel ihn in München vermisste. Der Klub hatte Xhaka vom FC Arsenal aus England geholt. In einem Sommer, in dem Bayer Leverkusen wichtige Transfers tätigte, in dem Jonas Hofmann für das Mittelfeld kam, Victor Boniface für den Angriff und der beeindruckende Alejandro Grimaldo als spielmachender Linksverteidiger, war Xhaka die wichtigste Personalie.
Xhaka ist kein "Sechser", der sich zuallererst über die Zweikämpfe definiert, aber er gewinnt trotzdem 57 Prozent. Er läuft mehr als jeder andere Spieler in der Bundesliga und ist ständig am Ball, oft hat er 120 Ballkontakte und mehr in einem Spiel. Er vermag mit seinem linken Fuß feine Diagonalbälle zu spielen, tut das aber nur, wenn es zielführend ist.
Granit Xhaka
Alonso sagt, Xhaka denke "wie ein zweiter Coach"
Und Fehlpässe spielt Xhaka selten, auch nicht unter Druck. Es gibt dafür eine schöne Statistik. Sie zählt, wie oft sich ein Spieler aus Drucksituationen befreien kann, ohne den Ball zu verlieren. Xhaka gelingt das in 79 Prozent aller Fälle, es ist der Bestwert in der Bundesliga. Der beste Bayern-Spieler folgt auf Rang sechs, es ist nicht Kimmich und auch nicht Goretzka, es ist Aleksandar Pavlovic, 19. Er ist ein großes Talent, kam aber erst in neun Ligaspielen zum Einsatz.
Wenn Xhaka das Spiel von Leverkusen ordnet, erinnert das schon sehr an die Zeiten, in denen Alonso noch kein Trainer war, sondern ein Stratege im Mittelfeld. Es ist dann auch nicht unwahrscheinlich, dass auch Xhaka irgendwann einmal Trainer wird. Schon jetzt macht er den A-Schein. Und einmal die Woche leitet er das Training beim Oberligisten SC Union Nettetal.
Xhaka war noch nicht lange in Leverkusen, als der Trainer Xabi Alonso nach dessen Bedeutung gefragt wurde. Für den Fußball, der ihm vorschwebe, sei Xhaka "fundamental" wichtig, sagte Alonso der "SZ". Er wirke auf die Mannschaft ein "wie ein zweiter Coach".