Topspiel in der Bundesliga Bayer gegen Bayern - eine neue "Klassiker"-Epoche?
Jahrelang war Bayern München gegen Borussia Dortmund das Bundesligaduell der Superlative. Bayer Leverkusen hat dem BVB aktuell den Rang abgelaufen - auch auf Dauer?
In Spanien gibt es seit jeher ein Spiel, das die Massen elektrisiert: Real Madrid gegen FC Barcelona. Oder: "El Clásico". In Anlehnung an dieses Spitzenduell wurde in Deutschland in den vergangenen Jahren die Partie zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund als "Klassiker" oder "deutscher Clásico" bezeichnet.
Wobei in der Vergangenheit schon mehrere Teams der Gegenpart zu den Bayern im "Klassiker" waren, wenngleich die Spiele nicht als solche bezeichnet wurden, da es zu diesen Zeiten nicht zeitgemäß war. Und: Dortmund ist nicht mehr Teil des "Klassikers". Jetzt fiebert Fußball-Deutschland der Partie heute (ab 18.20 Uhr live in der Radio-Reportage und im Live-Ticker bei der Sportschau) zwischen Bayer Leverkusen und München entgegen. Und es gibt vieles, was darauf hindeutet, dass es auch in den nächsten Jahren so sein wird.
Bremen machte es besser als "Vizekusen"
"Es wird ein Topspiel. Ich glaube, in so einem Rahmen und mit so einer Brisanz hatten wir das ewig nicht mehr", sagte Robert Andrich über das Duell zwischen Tabellenführer Bayer und Verfolger Bayern. Er war gerade mal im Kindergarten-Alter, als Leverkusen schon mal der Hauptgegner des Rekordmeisters war. Von 1996 bis 2002 wurde die Werkself viermal Zweiter und erarbeitete sich den Titel "Vizekusen" - aber eben keinen "echten" Titel. In der gleichen Zeit wurden die Münchner auch viermal Meister, dreimal vor Leverkusen.
Eine etwas bessere Quote hatte da Werder Bremen, sozusagen der folgende "Klassiker"-Gegner der Bayern. In der Saison 2003/04 krönte sich die damals von Thomas Schaaf trainierte Mannschaft im Münchner Olympiastadion zum deutschen Meister, in den Saisons 2005/06 und 2007/08 hatten dann die Bayern wieder die Nase vorn. Und es folgte der Bremer Absturz.
8. Mai 2004: Werder Bremens Valerien Ismael (l.), Tim Borowski (Mitte) und Holger Wehlage (r.) jubeln mit der Meisterschale.
Bayern langfristig bisher nicht zu schlagen
Der große Unterschied zwischen München und jedem bisherigen Herausforderer: Die Bayern haben ein Fundament, das ihnen dauerhaften Erfolg nahezu garantiert. Bei ihren Gegnern sind es dagegen Phasen, die sie auf Augenhöhe agieren lassen. Diese Phasen sind das Resultat von außergewöhnlich guten Personalentscheidungen und besonderen Spielern oder Trainern - doch es ist nahezu unmöglich, über viele Jahre nur richtige Entscheidungen zu treffen.
Gegen Ende der 2000er-Jahre scheiterte Bremen aus diesem Grund. Manager Klaus Allofs und Schaaf mussten eine Mannschaft auf Champions-League-Niveau bauen, Transfers wie der damalige Rekordeinkauf Carlos Alberto (für acht Millionen aus Fluminense in Brasilien gekommen) stehen für den Absturz der Werderaner, die mit ausbleibendem sportlichen Erfolg in eine finanzielle Schieflage gerieten.
Wie Bremen war es auch dem Hamburger SV in den 1980ern und Borussia Mönchengladbach in den 1970er-Jahren nur über eine gewisse Spanne gelungen, mit den Bayern Schritt zu halten oder sie zu distanzieren. Auf Dauer setzten sich doch immer die Münchner durch, die dann den nächsten Konkurrenten erwarteten.
Bayer-Kader sorgt für Planungssicherheit
Der aktuelle ist Leverkusen, nicht mehr Dortmund. Der BVB hat nach dem am letzten Spieltag der vergangenen Saison verpatzten Meistertitel einige falsche Personalentscheidungen getroffen und ist weit weg von der Klasse der beiden Topteams der Bundesliga. Und der Blick auf die Kaderstruktur macht nicht den Eindruck, als könnten sie alsbald wieder dauerhaft ein ernsthafter Bayern-Verfolger sein. Auch weil im Team aktuell nicht der nächste 100-Millionen-Transfer wie Erling Haaland oder Jude Bellingham zu sehen ist, der zu großen Investitionen führen kann. Bei Bayer ist das anders.
Manager Simon Rolfes und Trainer Xabi Alonso bewiesen im Sommer nicht nur ein goldenes Händchen auf dem Transfermarkt, sondern es gelang ihnen auch, mit nahezu allen Schlüsselspielern langfristige Verträge abzuschließen. Die laut dem Portal "Transfermarkt.de" wertvollsten sieben Spieler mit einem Wert von mindestens 35 Millionen Euro sind noch bis 2027 oder sogar 2028 an die Werkself gebunden.
Einige von ihnen haben Ausstiegsklauseln, andere werden auch ohne solche bis dahin nicht bei Bayer bleiben - der Verein wird mit hohen Ablösesummen aber auf jeden Fall große Möglichkeiten auf dem Transfermarkt haben. Es gilt eben, dort weiter so gut zu handeln wie im vergangenen Sommer. So lange ist Leverkusen dann auch mindestens ein ernstzunehmender Gegner für die Bayern.
Alonso der Schlüssel wie Klopp beim BVB?
Bei den Profis auf dem Platz sind diese Wechselspiele das Tagesgeschäft und sie gelingen mit einer relativ großen Wahrscheinlichkeit. Die Schlüsselfigur in Leverkusen ist aber wohl Alonso, der zwar auch noch einen Vertrag bis 2026 hat, aber nahezu pausenlos mit seinen Ex-Klubs als Spieler in Verbindung gebracht wird.
Bei Real Madrid soll er schon im Wort gestanden haben, nur Sekunden, nachdem Jürgen Klopp sein Ende beim FC Liverpool angekündigt hatte, wurde der 42-Jährige schon Richtung Anfield Road geschrieben - und es wurde auch schon ausführlich darüber spekuliert, dass die Bayern auch mal wieder einen ihrer berüchtigten Transfers, die den größten Konkurrenten schwächen, tätigen könnten. Diesmal nur eben auf dem Trainermarkt. Und falls die Zeit von Thomas Tuchel bald endet.
Wo immer Alonso auch landen wird, es erscheint nicht allzu wahrscheinlich, dass er noch sehr lange in Leverkusen bleiben wird. Nachdem Klopp den BVB verlassen hatte, scheiterten Tuchel, Lucien Favre, Marco Rose und jetzt Edin Terzic daran, mit Dortmund dauerhaft an München dranzubleiben - vielleicht droht das auch der Werkself, wenn Alonso gehen sollte. Doch bis dahin stellt Bayer gegen Bayern wohl die "Klassiker"-Epoche dar.