Gedenkminute in der Bundesliga Schweigen gegen die Sprachlosigkeit
Der Angriff der Hamas auf Israel und die Folgen beschäftigen auch den Fußball. Die Bundesliga reagiert mit einer Schweigeminute und sucht nach dem richtigen Umgang.
Als am Freitagabend (20.10.2023) der achte Spieltag in der Fußball-Bundesliga der Männer mit dem Spiel zwischen Borussia Dortmund und Werder Bremen begonnen hat, ging es zunächst einmal nicht um Tore oder um Punkte. Vor dem Spiel gab es eine Schweigeminute, gedacht wurde der "vielen unschuldigen Opfer im Zusammenhang mit den Geschehnissen in Israel und dem Gazastreifen." So hat es die Deutsche Fußball Liga (DFL) am Tag zuvor mitgeteilt. Auch in allen anderen Stadien der 1. und 2. Bundesliga wird es eine solche Gedenkminute geben.
Es ist knapp zwei Wochen her, dass bei einem terroristischen Anschlag der Hamas in Israel unschuldige Menschen gestorben sind. Seither ist der Konflikt auch in Deutschland allgegenwärtig. Der deutsche Fußball bildet da keine Ausnahme. Auch hier sucht man nach einem Umgang mit all dem, mit Terror, Leid, Tod.
Mazraoui bleibt Spieler des FC Bayern
Man hat das in den vergangenen Tagen gut am Beispiel des FC Bayern gesehen. Münchens Abwehrspieler Noussair Mazraoui hatte am vergangenen Wochenende in sozialen Netzwerken ein mittlerweile nicht mehr auffindbares Video geteilt, in dem den Palästinensern der Sieg gegen Israel gewünscht wird. Die Aufregung war groß. Es änderte wenig, dass Mazraoui ausrichten ließ, er sei gegen "alle Arten von Terrorismus, Hass und Gewalt".
Der FC Bayern kündigte ein Gespräch an, ließ sich aber Zeit mit einer Reaktion. Erst am Freitag gab der Rekordmeister bekannt, dass Mazraoui Spieler des Klubs bleibe. In einer Pressemitteilung des Vereins kommt auch der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen zu Wort. Er sagt: "Noussair Mazraoui hat uns glaubwürdig versichert, dass er als friedliebender Mensch Terror und Krieg entschieden ablehnt. Er bedauert es, wenn seine Posts zu Irritationen geführt haben."
Mainz stellt El Ghazi frei
Am Wochenende spielt der FC Bayern gegen den 1. FSV Mainz 05, auch dort hatten sie zuletzt unruhige Tage, nachdem der Spieler Anwar El Ghazi einen anti-israelischen Social-Media-Post geteilt hatte. Mainz hat El Ghazi am Dienstag (17.10.2023) freigestellt. El Ghazi, teilte Mainz 05 mit, habe in "einer Art und Weise Position zum Konflikt im Nahen Osten bezogen, die für den Verein so nicht tolerierbar war."
Post von der DFL
Die Social-Media-Posts ihrer Fußballer können für die Bundesligisten eine Herausforderung sein, nicht nur in München und Mainz wissen sie das. Doch das ist gerade nicht die einzige Herausforderung. Am Donnerstag (19.10.2023) hat die DFL ein Schreiben an die Bundesligisten verschickt, um die Verantwortlichen vor dem Spieltag zu sensibilisieren, wohl auch für mögliche antisemitische Protestaktionen. Sie könnten von Zuschauern kommen, das ist die Befürchtung, womöglich sogar von Fußballern.
Die Sportschau hat die 18 Erstligisten gefragt, wie sie mit dem Schreiben der DFL umgehen und wie mit den Entwicklungen in Israel und im Gazastreifen. Nicht alle Vereine haben darauf geantwortet. Die TSG Hoffenheim schreibt, die Abläufe rund um das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt seien "auf höchster Klubebene besprochen" worden. Die Informationen der DFL seien an den zuständigen Sicherheits-Dienstleiter weitergegeben worden. Auch der SC Freiburg teilt mit, man habe die Handreichungen der DFL an die Sicherheitsdienste weitergeleitet.
Der 1. FC Heidenheim schreibt, er habe die Spieler des Klubs für die Entwicklungen in Nahost sensibilisiert. Bayer Leverkusen erklärte, dies sei nicht notwendig gewesen. "Wir sind mit unseren Spielern in ständigem Austauch, in dieser wie in jeder anderen Situation." RB Leipzig hingegen teilte mit, es habe ein Gespräch stattgefunden mit Spielern und Verantwortlichen über "die jüngste Eskalation im Nahost-Konflikt".
Auch die DFL sucht nach Worten
Nach dem richtigen Umgang mit der Situation im Nahen Osten sucht auch die DFL, zumindest verbal. Am Montag (16.10.2023) kontaktierte die DFL alle Erst- und Zweitligisten und empfahl ihnen, eine Schweigeminute zu Beginn jedes Spiels zu organisieren, um "nach den verheerenden Geschehnissen in Israel der Opfer zu gedenken."
Es ist keine sonderlich glückliche Formulierung, schließt sie doch zivile Opfer im Gazastreifen zwar nicht aus, aber eben auch nicht explizit mit ein. Auf der Homepage der DFL finden sich diese Wort noch immer. In ihrem Schreiben von Donnerstag dann nutzte die Deutsche Fußball Liga andere Worte, sie schrieb von "unschuldigen Opfern" in Israel und im Gazastreifen.
Für die Gedenkminute hat die DFL einen Text erstellt und an die Erst- und Zweitligisten verschickt. Er liegt der Sportschau vor. "Vor zwei Wochen nahm der terroristische Anschlag der Hamas auf die israelische Bevölkerung und den Staat Israel seinen Anfang. Wir sind erschüttert über diesen schrecklichen Angriff und die Geschehnisse vor Ort", schreibt die DFL. "Heute möchten wir gemeinsam der unschuldigen Opfer und ihrer Angehörigen gedenken. Wir bitten um einen Moment des Innehaltens - als Zeichen für den Frieden."
Auf Anfrage der Sportschau teilt die DFL mit, es handele sich lediglich um einen Text-Vorschlag. Die Vereine seien "nicht verpflichtet", diesen zu nutzen.
"Nie wieder ist genau jetzt"
Und dann sind da noch die organisierten Fanszenen, auch von ihnen sind am Wochenende in den Stadien Reaktionen auf die Situation in Israel und im Gazastreifen zu erwarten. Fans von Werder Bremen haben sich bereits geäußert. Am vergangenen Wochenende spielten die Frauen von Werder gegen die des 1. FC Köln, im Weserstadion schauten mehr als 21.000 Menschen zu. Sie sahen, wie eine Ultra-Gruppierung ein Banner präsentierte, darauf stand: "Bringt unsere Freunde zurück, bringt alle Geiseln zurück. Nie wieder ist genau jetzt."
Einer der Freunde, auf dessen Schicksal die Gruppierung aufmerksam machen wollte, ist Hersh Goldberg-Polin, ein junger Israeli mit einer Vorliebe für Fußball. Als Terroristen ein Musikfestival im Süden Israels überfielen, soll auch Goldberg-Polin dort gewesen sein. Werder Bremen hatte sein Schicksal zuvor auf der Plattform X, vormals Twitter, thematisiert. Dort schreibt der Klub, Goldberg-Polin sei "vermutlich nach Gaza verschleppt" worden.
"Hab keine Angst, wenn Angreifer kommen, boxen wir die raus"
Auch Unterstützer von Eintracht Frankfurt haben sich bereits positioniert. Als in der Länderspielpause der Regionalligist Chemie Leipzig ein Testspiel gegen den Bundesligisten Frankfurt bestritt, rief nahezu zeitgleich die Hamas zu Gewalt gegen Israelis auf.
Der Barbesitzer Eldar Fano hatte deshalb eigentlich vor, seinen Laden in Leipzig am Tag nach dem Freundschaftsspiel zu schließen. Als er vor der Tür stand, warteten dort bereits zwei Personen – allerdings mit besten Absichten. Es seien Fans der Eintracht gewesen, sagte Fano der Hessenschau. "Sie sagten: Hab keine Angst. Wenn Angreifer kommen, boxen wir die raus."