Benjamin Henrichs (RB Leipzig) verteidigt gegen Kingsley Coman (FC Bayern München)
analyse

Gelingt der dritte RB-Streich? RB Leipzig ist Bayerns neuer Angstgegner

Stand: 29.09.2023 14:07 Uhr

Wiedersehen mit einseitiger Vorfreude: Am Samstag (30.09.2023, ab 18.30 Uhr live in der Radio-Reportage und im Live-Ticker bei der Sportschau) kommt es in der Fußball-Bundesliga zum Topspiel zwischen RB Leipzig und Bayern München. Der Rekordmeister erinnert sich ungern an die vergangenen Partien.

Es kommt äußerst selten vor, dass Bayern München in einem Ligaspiel Außenseiter ist. Doch beim Gastspiel des Rekordmeisters in Leipzig könnte man aufgrund der jüngeren Vergangenheit zu dem Schluss kommen. Denn RB gewann die vergangenen beiden Partien nicht nur, sondern führte die Bayern sogar phasenweise vor - und das jeweils in München.

Bayern hat "noch einiges gutzumachen"

Am 33. Spieltag der vergangenen Saison schubsten die Leipziger mit einem 3:1 den FCB kurzzeitig von Platz eins und brachten die elfte Meisterschaft in Folge in enorme Gefahr. Keine drei Monate später fegte der RB-Sturm wieder über die teils überforderten Bayern-Stars hinweg.

Leipzig gewann im Supercup-Spiel erneut deutlich mit 3:0. Und es festigte sich der Eindruck, dass der Bundesligaprimus auch auf Dauer große Probleme mit dem RB-Konstrukt bekommen könnte.

"Wir haben noch einiges gutzumachen aus dem Supercup, wo wir überhaupt nicht unser Gesicht gezeigt haben", blickte Leon Goretzka auf das nächste Duell am Samstag in Leipzig voraus. "Da müssen wir etwas geraderücken und werden topmotiviert sein."

Doch die Bayern brauchen nicht nur Motivation, sondern auch eine Topleistung. Denn Leipzig verkörpert vieles, was den Münchnern äußerst zu schaffen macht. Sportschau.de zeigt die Gründe für die großen Probleme des FCB mit RB.

Grund 1: Der Rose-Faktor

RB-Trainer Marco Rose hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er mit der richtigen Mannschaft die Werkzeuge hat, um den Bayern wehzutun: in seinen zwei Jahren bei Borussia Mönchengladbach gewann der 47-Jährige schon zwei von vier Partien. Bei Borussia Dortmund konnte die Mannschaft seinen intensiven Spielstil nicht so umsetzen, um München (drei Niederlagen in drei Spielen) zu gefährden, dafür läuft es in Leipzig (dreimal ungeschlagen) jetzt umso besser.

"Wir sind immer bereit. Wenn sie kommen, sind wir da und wir wissen, dass wir eine Top-Leistung brauchen. Wir haben es zweimal in München gezeigt, warum nicht auch zu Hause mit unseren Fans?", sagte Rose nach dem 3:2 im DFB-Pokal beim SV Wehen Wiesbaden bei "Sky". Seit einem Jahr ist der Ur-Leipziger RB-Trainer und hat in dieser Zeit in 34 Ligapartien die gleiche Ausbeute wie die Bayern vorzuweisen, holte 73 Punkte.

Leipzigs Trainer Marco Rose vor dem Spiel gegen Wehen Wiesbaden neben dem DFB-Pokal.

Leipzigs Trainer Marco Rose

Grund 2: Leipziger Mut

In der Bundesliga geht es für die Münchner in der überragenden Mehrzahl der Spiele darum, eine dicht gestaffelte Defensive zu überwinden. RB geht da jedoch ganz anders vor, agiert auch gegen die Bayern äußerst mutig. Das hohe Anlaufen, direktes Offensivspiel mit vielen Teilnehmern und die Courage, in Eins-gegen-eins-Duelle zu gehen, macht ihnen offenkundig zu schaffen.

Im Supercup bekam die Mannschaft von Thomas Tuchel vor allem Dani Olmo (fällt in der Liga verletzt aus) und Xavi Simons überhaupt nicht in den Griff. Der 20-Jährige wird wieder ein großer Faktor sein, er ist der beste Vorlagengeber der Saison (vier Assists) und hat bereits drei Tore geschossen. Dass sich die Bayern auf der defensiven Sechser-Position nach wie vor nicht gut genug aufgestellt sehen, wollen sich Leipzig und Simons wieder zunutze machen.

Xavi Simon von RB Leipzig

Grund 3: Kadertiefe

Während Tuchel seine gewünschte "Holding Six" nicht bekommen hat, wurden Rose alle Wünsche erfüllt. Leipzig gelang es, die prominenten Abgänge wie Christopher Nkunku (FC Chelsea) und Josko Gvardiol (Manchester City) zu kompensieren, hat den Kader auf allen Positionen mindestens doppelt mit großer Qualität besetzt. Rose kann so auf alle Eventualitäten reagieren und seine Mannschaft seinem Konzept entsprechend aufstellen - und sein Gegenüber auch mal überraschen.

Die Bayern haben zwar in der Spitze die besseren Spieler, aber in der Tiefe hat Leipzig Vorteile. Das gilt vor allem dann, wenn München wie aktuell Verletzungssorgen plagen. Im DFB-Pokal bei Preußen Münster (4:0) verletzte sich Serge Gnabry am Unterarm und wird wie Matthijs de Ligt (Prellung) ausfallen. Dass RB-Kapitän Willi Orban fehlt, ist dagegen noch gar nicht auffällig gewesen.

Grund 4: Balance und Kaltschnäuzigkeit

Gegen den Rekordmeister muss man die wenigen Chancen nutzen, die sich einem bieten - und Leipzig steht dafür aktuell wie kein anderes Team. Im Verhältnis der "expected goals" (wahrscheinliche Anzahl der Tore angesichts der abgegebenen Torschüsse) zu den tatsächlich erzielten Treffer ist RB die unangefochtene Nummer eins in der Liga.

14-mal war das Rose-Team erfolgreich, die Chancen gaben aber lediglich 7,3 "expected goals" her. Diese Effizienz war auch in den vergangenen beiden Spielen gegen die Bayern ausschlaggebend.

Die Basis dieses Erfolgs ist aber, dass es Leipzig perfekt versteht, trotz des mutigen und effizienten Offensivspiels seine Defensive nie zu vernachlässigen. RB hatte in den vergangenen Jahren schon immer eine der besten Abwehrreihen - und das setzt sich auch in dieser Saison fort. Janis Blaswich ist der einzige Bundesligatorhüter, der in drei der bisherigen fünf Partien ohne Gegentor blieb. So sind auch mal "dreckige" Siege wie zuletzt in Mönchengladbach (1:0) möglich.

Die Bayern waren im Supercup also nicht das einzige Team, das am RB-Stil gescheitert ist. Sie könnten am Samstag aber die ersten sein, denen das dreimal innerhalb von etwas mehr als vier Monaten passiert. Das nennt man dann wohl Leipzig-Trauma.