Die Meisterschale der Bundesliga

Auswirkungen auf Entscheidungen möglich Fans kritisieren Zerstückelung des vorletzten Spieltags

Stand: 19.05.2023 19:43 Uhr

Dass die Spiele des 33. Spieltags in der Fußball-Bundesliga nicht mehr gleichzeitig angepfiffen werden, sorgt für Unmut bei den Fans. Die Spieltagsgestaltung könnte sich auf den Titelkampf auswirken.

"Zurück zu den parallelen Anstoßzeiten!", forderte das Fanbündnis "Unsere Kurve" am Freitag (19.05.2023) in einer Stellungnahme. "Spannung und Emotionen leiden, Fankultur wird beschnitten, die Fairness des Wettbewerbs geschädigt", schrieb die Organisation, die Fans aus ganz Deutschland vertritt und im DFB Teil der Kommission "Fans und Fankulturen" ist.

Seit Jahrzehnten wurden am vorletzten und am letzten Spieltag einer Saison in der Regel alle Spiele gleichzeitig angepfiffen - samstags um 15.30 Uhr. Das ist nun anders, der 33. Spieltag ist seit der Saison 2021/22 vom Ablauf mit den gestaffelten Anstoßzeiten einer wie die 32 anderen zuvor.

Auch der vorletzte Spieltag lieferte legendäre Momente

Viele Entscheidungen in den vergangenen Jahren basierten auch auf den Spannungsmomenten aus den gleichzeitig stattfindenden Spielen am vorletzten Spieltag - besonders 2001. Eine Woche bevor Schalke 04 seine "Vier-Minuten-Meisterschaft" erlebte, wendete sich in der Vorwoche am vorletzten Spieltag das Blatt dramatisch gegen "Königsblau". In den parallel laufenden Spielen fielen gleichzeitig Tore gegen Schalke und für die Bayern, die Tabellenführung wechselte innerhalb von Sekunden.

2001: Welche Dramatik der 33. Spieltag bieten kann

Sportschau

Auch 2007 war Schalke vor dem 33. Spieltag Tabellenführer, verlor aber in Dortmund, während Konkurrent Stuttgart beim VfL Bochum nach 1:2-Rückstand noch 3:2 gewann und die Tabellenspitze übernahm. "Wesentliche Entscheidungen, die eine Saison zu Gold oder Blech werden lassen, waren der Kern eines gemeinsam erlebten Saisonfinales und die Grundlage für epische Dramen", schrieb "Unsere Kurve". "Diese Spannung gibt es weder am Freitagabend noch am Sonntagnachmittag." Im schlimmsten Fall beeinflusst der Verzicht auf parallele Spiele aber sogar sportliche Entscheidungen.

Zerstückelung des 33. Spieltags könnte Einfluss auf Entscheidungen haben

Die Spieltagsgestaltung kann sich auf sportliche Entscheidungen auswirken - wenn Teams beispielsweise die Ergebnisse ihrer Konkurrenten kennen und wissen, was sie benötigen und was nicht. "Der unmittelbare, direkte und faire Wettbewerb ist in dieser Saisonphase nur bei zeitgleichen Spielen zu einer für alle geltenden Anstoßzeit zu gewährleisten", argumentiert das Fanbündnis "Unsere Kurve".

Mit Thomas Reis stimmt den Fans auch ein Bundesliga-Trainer zu. "Wenn man es sportlich sieht, wäre es besser, wenn die Spiele parallel stattfinden. Das wäre für alle vielleicht die gerechtere Variante", sagte der Schalker Coach und lieferte zugleich den Grund dafür, dass es die parallelen Spiele am 33. Spieltag nicht mehr gibt: "Wir wissen auch, dass die Fernsehgelder immens wichtig sind."

Schalke-Trainer Reis - "Parallelspiele wären die gerechtere Variante"

Sportschau, 19.05.2023 15:35 Uhr

DFL: "Praxis wird auch woanders in Europa umgesetzt"

Der Grund ist also: Mehr Sendetermine werden möglich, für die Klubs ist finanziell mehr drin. "Die Entscheidung für diese zum Beispiel auch in anderen europäischen Top-Ligen oder in WM-Gruppenphasen umgesetzte Praxis erfolgte im Zuge einer Gesamtbetrachtung vor der vergangenen Ausschreibung der deutschsprachigen Medienrechte", teilte die Deutsche Fußball Liga (DFL) schon 2022 bei der erstmaligen Umsetzung auf Anfrage der Sportschau mit. Die aktuellen Fernsehverträge gelten für die Saisons 2021/22 bis 2024/25, grundsätzlich wäre erst danach eine Rückkehr zum alten Prinzip möglich.

In Europas führenden Ligen setzt nur die französische Liga am vorletzten Spieltag alle ihre Spiele gleichzeitig an. In Spanien ist es zumindest der größte Teil der Spiele, nur eine Partie wird zu einem anderen Zeitpunkt ausgetragen. In Italien wird dagegen selbst der letzte Spieltag nicht überall gleichzeitig angepfiffen.

Letzte Spieltage in Europas Top-Ligen
Liga vorletzter Spieltag letzter Spieltag
England versetzt gleichzeitig
Spanien versetzt gleichzeitig
Deutschland versetzt gleichzeitig
Italien versetzt versetzt
Frankreich gleichzeitig gleichzeitig

Ursprünglicher Hintergrund: Manipulation verhindern

"Die beiden letzten Spieltage der Bundesliga und der 2. Bundesliga sind in jeder Spielklasse gleichzeitig anzusetzen", lautete stets die Regelung. Ursprünglicher Hintergrund der Vorgabe ist der Versuch, jede denkbare Manipulation von Spielen von vornherein auszuschließen. Die Ergebnisse eines Konkurrenten im Vorfeld zu kennen, kann nicht nur nützlich sein, sondern im Extremfall sogar Manipulation Vorschub leisten. Denkbar wäre auch die Einigung auf Resultate, die beiden Teams nutzen.

Solche Konstellationen sind am vorletzten Spieltag selten möglich. Am letzten Spieltag gibt es die theoretische Möglichkeit häufiger. Weiterhin gilt deshalb in der Bundesliga am letzten Spieltag, dass alle Spiele zur selben Zeit angepfiffen werden.

Ausnahmen gab es auch in der Vergangenheit

Heilig war der 33. Spieltag allerdings auch in der Vergangenheit nicht. Zumindest Ausnahmen gab es vom gleichzeitigen Anpfiff immer wieder:

  • 1963/64 lagen in der ersten Bundesliga-Saison 14 Tage zwischen den beiden letzten Spieltagen. Borussia Dortmund und der Hamburger SV trugen ihre Partie vom vorletzten Spieltag zwischen den beiden Terminen aus. Bis in die 70er war der gleichzeitige Anpfiff der Spiele aber auch an allen anderen Spieltagen zumindest üblich.
  • 1968/69 spielte Kaiserslautern schon freitags gegen Braunschweig.
  • 1969/70 wurde der Spieltag auf drei Tage verteilt.
  • 1971/72 wurden die Partien Köln - Duisburg und Oberhausen - Mönchengladbach bereits freitags ausgetragen.
  • 1976/77 spielte der 1. FC Köln bereits freitags bei Borussia Dortmund.
  • 1981/82 spielte Bayern München schon freitags gegen Arminia Bielefeld, denn am folgenden Mittwoch stand das (mit 0:1 verlorene) Europapokalfinale gegen Aston Villa an.
  • 2018/19 wurde das Spiel von Eintracht Frankfurt gegen Mainz auf den Sonntag verlegt, weil die Eintracht im Halbfinale der Europa League stand.
  • 2020/21 mussten im engen Spielplan der Saison nach der Corona-Unterbrechung Ausnahmen für Leipzig und Dortmund gemacht werden, die im Pokalfinale standen und Erholungstage brauchten.

Nicht mal der letzte Spieltag war immer heilig: 1989/90 spielten die Bayern erst um 18.30 Uhr nach allen anderen Spielen gegen Borussia Dortmund.