Bayer auf Titelkurs Leverkusen gegen Gladbach - der "Vizekusen"-Test
Mit vier Punkten Vorsprung ist die Chance auf den ersten Meistertitel für Bayer Leverkusen größer denn je. Oder holt den Klub gegen Borussia Mönchengladbach mal wieder sein Ruf als "Vizekusen" ein?
"Nie deutscher Meister, ihr werdet nie deutscher Meister" - dieser Fangesang ist seit vielen Jahren Usus bei Spielen von Bayer 04 Leverkusen. Zu häufig ist die Werkself in der Vergangenheit daran gescheitert, den letzten, entscheidenden Schritt zum ersten Meistertitel zu gehen. Am dramatischsten war es im Jahr 2000, als die SpVgg. Unterhaching dem Lokalrivalen FC Bayern München mit einem Sieg gegen Leverkusen am letzten Spieltag die Meisterschaft bescherte.
Leverkusen hat den Titel in der eigenen Hand
Diese beiden Klubs sind auch in dieser Saison wohl die einzigen Klubs, die noch ernsthafte Chancen auf den Titel haben. Wobei sich die Wahrscheinlichkeiten in den vergangenen Tagen nochmal deutlich Richtung Leverkusen bewegt haben. Denn die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso hat nach der Heimniederlage der Bayern gegen Werder Bremen (0:1) nicht nur vier Punkte Vorsprung, sondern der Münchner Konkurrent machte auch im Nachholspiel gegen Union Berlin (1:0) nicht den Eindruck, gerade die große Aufholjagd starten zu können.
Für Leverkusen ist die Meisterschaft nun greifbar, weil es auch die ersten beiden Rückrundenspiele beim FC Augsburg (1:0) und bei RB Leipzig (3:2) gewonnen hat - jeweils durch das entscheidende Tor in der Nachspielzeit. Selbst wenn die Bayern jedes Spiel (auch das gegen Bayer am 10. Februar in der BayArena) gewinnen sollten, müsste das Alonso-Team noch ein weiteres Mal patzen. Doch genau das tat es bisher in dieser Saison so gut wie gar nicht.
Nach wie vor ist Leverkusen noch ohne Pflichtspielniederlage und hat (abzüglich des Bayern-Remis im Hinspiel) 47 von 51 möglichen Punkten geholt. Nun gilt es aber auch, mit der immer bewusster werdenden Titelchance erfolgreich umzugehen. Oder zeigen die Leverkusener jetzt, warum sie sich in den frühen 2000er-Jahren die Bezeichnung "Vizekusen" verdient haben?
"Das Derby gegen Gladbach ist sehr wichtig"
Das nächste Bundesligaspiel am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr) ist ein solcher Prüfstein, wie viel Titelreife schon in der Mannschaft steckt. Im Hinspiel zeigte Leverkusen beim 3:0-Erfolg, dass es in Normalform dem nächsten Gegner deutlich überlegen ist. Doch je näher die mögliche Meister-Premiere der Werkself rückt, desto größer wird auch der Druck. Die Zeit des Freiaufspielens ist vorbei, die Erwartung, dass es Leverkusen jetzt dann auch mal packt, ist dagegen da.
"Wir wollen weitermachen. Nach einem großen Sieg muss man immer bereit sein für das nächste Spiel. Dieses Derby gegen Gladbach ist sehr wichtig", sagte Alonso, der darauf hinwies, dass "die Rückrunde immer schwerer ist, weil alle Mannschaften für ihre Ziele kämpfen". Trotzdem möchte der Bayer-Trainer, dass sein Team die Spiele wieder vor der Nachspielzeit für sich entscheidet. "Wir wollen vorher unsere Arbeit machen, dafür müssen wir aber eine komplette Leistung zeigen."
Alonso hat als Spieler unzählige Titel gewonnen und weiß, dass man dafür in der Gegenwart leben muss. Entsprechend versucht er, den Fokus immer wieder weg von den Errungenschaften und hin zu dem unmittelbar Bevorstehenden zu lenken. "Wir wollen nicht so viel über Euphorie sprechen, sondern bis zum Ende mit unseren Füßen auf dem Boden bleiben", sagte er.
Spekulationen um Alonso als Klopp-Nachfolger
Durch den von Jürgen Klopp angekündigten Rücktritt beim FC Liverpool nach dieser Saison ist aber wieder die Frage zurückgekehrt, wie lange Alonso noch seine Füße auf Leverkusener Boden haben wird. Kaum war die Nachricht draußen, ist der 42-Jährige, der auch immer wieder als kommender Trainer von Real Madrid ins Gespräch gebracht wird, schon als möglicher Nachfolger bei seinem Ex-Klub (Alonso spielte von 2004 bis 2009 für die "Reds") gehandelt worden.
All das lässt Alonso zwar kalt, doch trotz seines bis 2026 laufenden Vertrags ist er aktuell nicht zu mehr bereit, als sich bis zum Saisonende zu Leverkusen zu bekennen. "Die Spekulationen sind normal, aber mein Fokus ist hier bei Bayer Leverkusen. Ich habe eine große Motivation und bin sehr glücklich mit dem Verein und der Mannschaft. Ich schaue nicht darauf, was im Mai ist, sondern auf das nächste Spiel gegen Gladbach", sagte der Spanier. Denn das ist auch ein Test, wie viel "Vizekusen" wirklich noch in Leverkusen steckt.