Debüt als Nationaltrainer Titel mit Weltklassespielern - Belgien erwartet viel von Tedesco
Dass Domenico Tedesco Trainer der belgischen Fußball-Nationalmannschaft wurde, war sehr überraschend. Die Erwartungen vor seinem Debüt am Freitag (24.03.2023) gegen Schweden sind enorm - und vier Tage später wartet Deutschland.
Tedesco ist ganz sicher ein ausgesprochen ehrgeiziger Trainer mit internationaler Erfahrung auf dem höchsten Level, einem breiten Wissen und taktischen Ideen. Das wird man an seinen bisherigen Wirkungsstätten, also den Nachwuchsabteilungen des VfB Stuttgart und der TSG Hoffenheim und bei den Profiteams von Erzgebirge Aue, dem FC Schalke, Spartak Moskau und RB Leipzig vermutlich vollumfänglich bestätigen.
Ob sich Tedesco dies in Arbeitszeugnissen schriftlich hat bestätigen lassen, ist nicht bekannt, wäre aber seinem neuen Job sicher nicht abträglich gewesen. Denn diesen hat der belgische Verband im Dezember noch während der laufenden Fußball-WM in Katar ernsthaft in einem öffentlichen Bewerbungsverfahren ausgeschrieben.
Stellenanzeige bei "LinkendIn" veröffentlicht
Die Sache mit dem großen Ehrgeiz, der Erfahrung und der taktischen Kenntnis im Fußballbereich war tatsächlich Inhalt dieser Stellenanzeige, die der Verband zunächst twitterte und dann unter anderem im Berufsnetzwerk "LinkedIn" veröffentlichte. Einsendeschluss für die Bewerbungen war der 10. Januar 2023.
Der Nachfolger von Roberto Martínez, der nach seinem krachenden Vorrunden-Aus mit den "Roten Teufeln" inzwischen das Nationalteam Portugals verantwortet, sollte laut den Anforderungen der Annonce übrigens auch noch Erfahrungen im Sammeln von "Trophäen in weltbekannten Wettbewerben" und im Umgang mit den "besten Spielern der Welt" haben. Neben einem gewissen satirischen Wert drückt beides auch sehr nachvollziehbar aus, woran Tedescos Vorgänger allesamt gescheitert sind.
Große Titel mit Belgien längst überfällig
Weil Belgien durch das geschickte Ansetzen von Testspielen und sehr vielen Siegen in den Turnierzwischenräumen über viele Jahre immer wieder auf Rang eins der FIFA-Weltrangliste auftauchte, herrschte und herrscht im Verband offenbar die Auffassung, dass auch große Titel längst überfällig sind. Geklappt hat das allerdings noch nie, weder auf Welt- noch auf Europa-Ebene. Tedesco startet nun den nächsten Versuch 2024 bei der EM in Deutschland - so lange ist sein Vertrag datiert.
Vor dem EM-Triumph steht für Belgien allerdings zunächst mal die Qualifikation. Am 24. März geht es in Stockholm gegen Schweden los, gleich eine Partie mit wegweisender Wirkung. Die Qualifikationsgruppe F ist nicht einfach, Österreich, Aserbaidschan und Estland sind die weiteren Anwärter.
Axel Witsel aussortiert
"Wir wollen nach Deutschland, wir wollen zur EM 2024", hat Tedesco bei seiner Antrittsrede klargestellt, was natürlich wenig überraschend ist. Mit Spannung wurde aber erwartet, welche von den angeblich so vielen Weltklassespielern er für sein Ziel rekrutiert - und wen er aussortiert.
"Meine Meinung ist, dass es kein Jung und Alt gibt, sondern nur gut oder schlecht. Wir haben nicht so viel Zeit für Experimente", hat Tedesco seiner ersten Nominierung vorausgeschickt. Für zu schlecht hat er dann gleich einen sehr prominenten Leitwolf des vergangenen Jahrzehnts bewertet. Axel Witsel, Ex-Dortmunder und jetzt bei Atlético Madrid unter Vertrag, spielt für die EM-Qualifikation keine Rolle mehr. Tedesco flog nach Madrid, traf sich mit Witsel und teilte ihm seine Entscheidung mit.
Eden Hazard, Toby Alderweireld und Simon Mignolet traten zurück
Die stark in die Jahre gekommenen Eden Hazard und Toby Alderweireld traten noch rechtzeitig freiwillig zurück, ebenso Ersatztorwart Simon Mignolet. Dabei ist von der ganz alten Garde jetzt nur noch der 35-jährige Innenverteidiger Jan Vertonghen, der inzwischen beim RSC Anderlecht spielt.
Zu erwarten ist, dass neben den einzigen wirklichen Weltklassespielern Kevin De Bruyne von Manchester City und Thibaut Courtois von Real Madrid in Zukunft Charles De Ketelaere vom AC Mailand und Amadou Onana vom FC Everton mehr Verantwortung bekommen. Romelu Lukaku von Inter Mailand ist ebenfalls nach wie vor ein Fixpunkt. Aus der Bundesliga hat Tedesco die beiden Wolfsburger Koen Casteels und Sebastiaan Bornauw nominiert, dazu den Dortmunder Dauerreservisten Thomas Meunier und den wöchentlich zwischen Top und Flop schwankenden Herthaner Dodi Lukebakio.
"Offensiver Fußballstil mit viel Druck nach vorne"
Belgiens Generalmanager Peter Boassaert wünscht sich nun von Tedesco, der in einer Taskforce des Verbands unter anderem den Ex-Leverkusener und -Dortmunder Peter Bosz sowie den bisherigen Co-Trainer Thierry Henry ausgestochen haben soll, "einen offensiven Fußballstil mit viel Druck nach vorne." Und dass der neue Nationaltrainer in Vollzeit arbeiten und wissen solle, "wie man gewinnt" war auch noch Teil der Stellenausschreibung.