WM-Start am Freitag Doping und Imageproblem - Deutscher Dart-Verband führt Alkoholkontrollen ein
Knisternde Spannung auf der Bühne, bierselige Fans und eine nicht enden wollende Party: Ab Freitag zieht die Darts-WM in London wieder Millionen Anhänger weltweit in ihren Bann. Dass die Sportart auch dunkle Seiten hat, weiß kaum jemand.
Denn der sorglose Umgang mit Alkohol setzt sich offenbar auch unter den Profis im Dartssport fort. Und das nicht nur zum Vergnügen: 2016 hatte der niederländische Ex-Profi Co Stompé für ein Verbot von Alkohol im Dartssport plädiert, weil es nichts anderes sei als Doping. Dartspieler könnten mit Alkohol ihre Anspannung unterdrücken, sagte Stompé. Er wisse aus eigener Erfahrung, dass Bier vor dem Spiel durchaus die Leistung steigere.
Alkohol zur Leistungssteigerung
Der Deutsche Dart-Verband (DDV) zieht nun Konsequenzen: Ab der kommenden Saison werde es Alkoholkontrollen geben, erklärte der Verband auf Anfrage der ARD-Dopingredaktion. "Das realistischste Szenario zum aktuellen Zeitpunkt ist eine Promillegrenze mit Kontrollen, die schrittweise abgesenkt wird", heißt es weiter. Zwar handelt der DDV damit nach eigener Auffassung vor allem "vor dem Hintergrund des Jugendschutzes". Doch Alkohol könne es den Spielern durchaus erleichtern, mit der Drucksituation eines Turniers umzugehen, "daher sieht der DDV an dieser Stelle durchaus ein gewisses leistungssteigerndes Potenzial".
Deutscher Darts-Profi: "Gefühlt 70 Prozent Alkoholiker"
Für viel Aufsehen in der Szene hat ein Interview des deutschen Dartspielers Jochen Graudenz mit dem Fachportal "dartsnews.de" gesorgt. Graudenz behauptet darin, dass Alkohol während der Darts-Partien unter den Spielern weitverbreitet sei, von den Topstars seien sogar "gefühlt 70 Prozent Alkoholiker".
Auch der deutsche Dartspieler Sascha Stein räumt ein, bei den Spielen Alkohol zu trinken. 2015 startete Stein bei der WM in London, entschied eine Partie für sich. Direkt vor seinem Auftritt im Alexandra Palace habe er damals zum Beispiel auch ein Bier getrunken. Es werde im Darts Alkohol getrunken, definitiv, sagt Stein, ein Problem sei es aber nicht.
Alkohol steht nicht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Im Darts scheint er als Beruhigungsmittel gängiger zu sein als in kaum einer anderen Sportart.
Dopingproblem im Dartssport?
Auch Doping ist im Dartssport ein Thema, sagt der Dopingforscher Mario Thevis: "Prozentual gibt es im Dartssport anscheinend mehr positive Befunde als in anderen Sportarten", so der Chef des renommierten Doping-Kontroll-Labors in Köln. Verglichen mit anderen Sportarten sei Darts eher im oberen Bereich der Dopingverdachtsfälle anzusiedeln.
Die generelle Erfolgsquote bei Dopingkontrollen in allen Sportarten liegt im Promille-Bereich. Allein im Darts lag die Quote 2017 bei rund 16,7 Prozent. Und erwischt hat es ausgerechnet auch die beiden Besten bei den deutschen Meisterschaften. Der Sieger Tobias Seibert und der Zweitplatzierte Holger Frommann – beide positiv getestet, disqualifiziert und für zwei Jahre gesperrt.
Gefunden wurden damals Methylphenidat sowie Amphetamin. Diese Substanzen "gehören sicherlich zu den Präparaten, die als leistungssteigernd im Dartssport einzustufen sind. Das sind Stimulanzien, die die Konzentrationsfähigkeit verbessern, verlängern können”, so Dopingexperte Thevis.
Neuer Dopingverdachtsfall bei den deutschen Meisterschaften 2023
Und nach Informationen der ARD-Dopingredaktion gibt es einen neuen Dopingverdachtsfall im deutschen Darts. Bei den German Masters in diesem Jahr hat es wieder einen auffälligen Dopingtest gegeben. Das bestätigte die Nationale Anti-Doping Agentur.
Und trotzdem werden im Darts vergleichsweise wenige Dopingtests durchgeführt. Trainingskontrollen finden praktisch überhaupt nicht statt. Das geht aus der Statistik der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hervor.
Hier habe der Dartssport Nachholbedarf, sagt Dopingforscher Thevis. "Meiner Ansicht nach gehört zu jedem Sport, der professionelle Strukturen hat, auch ein ausgewogenes Dopingkontrollsystem. Und das bedeutet, dass auch regelmäßig Dopingkontrollen durchgeführt werden sollten.”
Keine Dopingkontrollstationen – keine Tests
In den Jahren 2020 bis 2022 gab es im deutschen Dartssport sogar überhaupt keine Dopingkontrollen. Der Deutsche Dart-Verband erklärt auf Nachfrage, dass der Spielbetrieb in den Corona-Jahren nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei. Doch offenbar fehlte es an einigen Stellen auch an der nötigen Infrastruktur.
So teilt die NADA mit, dass sie 2022 versucht habe, Kontrollen bei Darts-Wettbewerben in Deutschland durchzuführen. Was aber nicht möglich gewesen sei, weil entsprechende Kontrollstationen vor Ort gefehlt hätten. Inzwischen sei nachgebessert worden, sodass es wieder Kontrollen gebe, so die NADA.
Bei der Darts-WM ab dem 15. Dezember ist die Professional Darts Cooperation PDC als veranstaltender Weltverband verantwortlich. Sämtliche Fragen der ARD-Dopingredaktion zum Doping-Kontrollprogramm lässt der Verband unbeantwortet.
Zurückhaltung bei deutschen WM-Teilnehmern Clemens, Schindler und Hempel
Auch in diesem Jahr sind die deutschen Spieler Gabriel Clemens, Martin Schindler und Florian Hempel bei der WM in London dabei. Auf ARD-Anfragen zum Thema Dopingtests reagieren sie zurückhaltend.
Clemens Management teilt mit, er sei bereits einmal im Rahmen eines Turniers getestet worden. Ob das auch bei Martin Schindler der Fall ist, lässt dessen Management unbeantwortet. Florian Hempel wollte sich nicht zu dem Thema äußern.
"Ich wurde definitiv nicht getestet”, sagt der deutsche Dartsspieler Sascha Stein über seinen Auftritt bei der WM in London 2015. Überhaupt habe es bei ihm noch nie in seiner ganzen Laufbahn eine Dopingkontrolle gegeben.