Weltverband ignoriert DBV "Private Reisegruppe" boxt bei WM für Deutschland
Zwei deutsche Boxer treten unter deutscher Flagge bei der Weltmeisterschaft in Usbekistan an. Der Deutsche Boxsport-Verband teilt mit, es sei eine private "Reisegruppe". Er bat den Weltverband um Klarstellung - bislang ohne Reaktion.
Mit 5:0 Richterstimmen ist der Moldauer Andrei Zaplitini in die zweite Runde der Box-Weltmeisterschaften in Usbekistan eingezogen. Fein säuberlich sind die einzelnen Wertungen in den offiziellen Ergebnislisten der International Boxing Association (IBA) notiert. Wie üblich bei solchen Veranstaltungen, und erst recht bei Weltmeisterschaften, steht hinter den Namen das Nationalitätenkürzel. Bei Zaplitini findet sich das MDA für Moldau (auch als Moldawien bekannt), bei seinem Gegner Youssef Lazar das GER für Germany.
Olympia-Qualifikation geht offiziell vor
Das macht stutzig, denn der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) hatte angekündigt, keine Athleten zu dem Turnier in die usbekische Hauptstadt Taschkent zu entsenden. Offizielle Begründung war, dass sich die deutschen Boxer so besser auf die Europaspiele in Krakau vorbereiten können, die am 21. Juni beginnen.
Das Boxturnier dort gilt - im Gegensatz zur WM - als Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024. Es passe nicht, "einen Athleten, der gerade noch in einem WM-Turnier stand, so schnell zum nächsten Leistungshöhepunkt zu führen. Darum haben wir das in Abstimmung mit den Athletinnen und Athleten so entschieden", sagt Jens Hadler, seit März neuer Präsident des DBV in einem Interview auf der Verbandsseite.
Eine mögliche andere Begründung ist, dass die IBA unter Führung des zwielichtigen russischen Präsidenten Umar Kremlew seit November 2022 und damit auch bei der WM russische und belarusische Athleten zulässt, und zwar unter der Flagge ihres Landes, für die auch die Hymnen gespielt werden.
Deutsche Sportverbände, die an solchen Wettbewerben teilnehmen, erhielten monatelang keine finanzielle Unterstützung vom Bund. Dieser Erlass aus dem Innenministerium von März 2022 ist aber inzwischen nahezu aufgehoben. Das hat mit den Qualifikationen für Olympia zu tun, aber auch mit dem Umschwenken beim Internationalen Olympischen Komitee, das russische und belarusische Athleten bei Olympia zulassen wird, trotz des anhaltenden russischen Krieges gegen die Ukraine, der von Belarus unterstützt wird - allerdings unter neutraler Flagge.
Merkwürdiges Bild
Deutsche Boxer in Taschkent erzeugen aufgrund der Ankündigungen dennoch ein merkwürdiges Bild. Auch deshalb schickte der DBV am 1. Mai, einen Tag nach der Eröffnung der WM, einen Brief an den Weltverband. In dem Schreiben, das der Sportschau vorliegt, weist der deutsche Verband die IBA darauf hin, dass die beiden Athleten - außer Lazar auch Devrim Gökduman - und ein Trainer (Pascal Stern) nicht Deutschland repräsentieren würden. Sie seien nicht vom Verband entsandt und auch ohne Wissen des DBV als "Reisegruppe" nach Usbekistan geflogen. "Wir bitten sie daher, die Teilnahme unverzüglich in einen neutralen Status zu ändern", heißt es in dem Brief.
Das ist bis zum zweiten Wettkampftag nicht geschehen. Das Kürzel "GER" ist weiter in den Listen aufgeführt, der von der IBA angebotene Livestream zeigte am Dienstag (02.05.2023), dass Gökduman die Nationalfarben auf seinem Trikot trug. Lazar und Gökduman, der die erste Runde durch einen Sieg gegen den Nepalesen Bhupendra Thapa überstand, sind nach Angaben des DBV noch nie im Nationalkader gewesen. Von Pascal Stern sei immerhin bekannt, dass er die A-Lizenz als Trainer besitze.
"Wir legen Wert auf die Tatsache, dass es sich bei den Athleten und dem Trainer um eine Reisegruppe von Privatleuten mit deutschen Pässen handelt, die keinesfalls Deutschland oder unseren Verband repräsentieren", sagte Michael Müller, Sportdirektor des DBV, der Sportschau. "Ob die IBA das unserem Wunsch entsprechend ändert, weiß ich nicht. Zwingen können wir sie nicht."
Lockangebote aus Taschkent?
Nach Informationen der Sportschau ist kaum damit zu rechnen, dass die IBA dem Wunsch des DBV entsprechen wird, den Status der gemeldeten Athleten zu ändern. Vielmehr ist zu hören, dass auch andere Verbände, die der WM fernbleiben wollten, im Dilemma stecken. So sollen die Athleten von den Veranstaltern mit Geld gelockt worden sein, nach Taschkent zu kommen.
Zweiter Weltverband gegründet
Der Amateurboxsport steckt seit Jahren in der Krise. Wegen vieler Verfehlungen, die vor allem Kremlew zugeschrieben werden, ist die IBA seit 2019 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) suspendiert. Die Organisation des Olympischen Turnieres 2024, das allerdings gefährdet ist, liegt daher beim IOC. Für die Spiele 2028 in Los Angeles ist Boxen schon aus dem Programm gestrichen.
Um Boxen als olympische Sportart zu bewahren, gründete sich Mitte April ein neuer Verband "World Boxing", auch mit Unterstützung des DBV. Der deutsche Verband betonte jedoch, dass dies keine generelle Abkehr von der IBA sei. Er wolle in beiden Dachverbänden Mitglied sein.