Box-Weltcup in Köln Kampf um das olympische Boxen
Der "Cologne Boxing Cup" ist das renommierteste Turnier in Deutschland im olympischen Boxen. In diesem Jahr geht seine Bedeutung jedoch darüber hinaus. Es geht um die Zukunft der gesamten Sportart.
Der Kopf ging nach unten, der Blick zum Boden. Nelvie Tiafack war raus. Deutschlands Hoffnung im Super-Schwergewicht stand mit hängenden Armen und enttäuschter Miene im Ring. Er hatte gerade das Halbfinale gegen Mahammad Abdulaew verloren, den späteren Silbermedaillengewinner aus Aserbaidschan. Ja, Tiafack hatte in diesem Moment auch EM-Bronze gewonnen. Doch es ging im Halbfinale der Europameisterschaften auch um etwas größeres, als allein um den Finaleinzug. Es ging um die Olympischen Spiele.
Kein deutscher Athlet konnte sich bei den European Games in Krakau im Juni für das olympische Box-Turnier 2024 in Paris qualifizieren. Auch bei den Frauen gelang das nicht. Dafür wäre ein Finaleinzug nötig gewesen. Die letzte Chance sind zwei zusätzliche Qualifikationsturniere im kommenden Frühjahr.
Die letzte Chance zur Qualifikation
Rein sportlich wird deshalb alles im Elitebereich des olympischen Boxens auf diese Turniere zugeschnitten. "Für unsere Nationalmannschaft ist das ein ganz wichtiger Test", sagt Michael Müller, der Sportdirektor des Deutschen Boxsportverbands im Interview mit der Sportschau. "Wir wollen in Köln pro Gewichtsklasse mindestens zwei Athleten die Chance geben, sich zu zeigen."
Der "Cologne Boxing Cup" ist das bedeutendste Turnier im olympischen Boxen in Deutschland. Nationalteams aus aller Welt kommen nach Köln, um sich dort zu messen. Doch auch dort geht es in diesem Jahr um mehr als Platzierungen und Medaillen. Auch dort geht es um Olympia. Nicht für einzelne Sportler sondern für die gesamte Sportart Boxen.
Boxen als olympischer Streichkandidat
Vielleicht findet Boxen 2024 in Paris zum letzten Mal bei Olympia statt. Das IOC hat den olympischen Box-Weltverband schon vor Jahren suspendiert und Boxen auf die mittelfristige Streichliste der olympischen Sportarten geschrieben. Der Verband AIBA war für das IOC untragbar geworden: korrupte Funktionäre, verschobene Kämpfe, ein mutmaßlich krimineller Präsident. Alle Reformbemühungen wurden zudem von der drohenden Pleite überschattet.
Dann kam Umar Kremlew. Der Russe wurde zum Übergangspräsidenten gewählt und ließ seine Kontakte spielen. Plötzlich waren alle Schulden beglichen. Doch der Berg an Ungereimtheiten wuchs weiter.
Putin-Vertrauter löst Schuldenproblem
Umar Kremlew ist ein Vertrauter Wladimir Putins. Das Geld, mit dem das olympische Boxen plötzlich überschwemmt wurde, kam vom russischen Staatskonzern Gazprom. Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war der olympische Boxverband, mittlerweile in "IBA" umbenannt, in neuer Erklärungsnot - nicht nur beim IOC.
Um Olympia für das Boxen zu retten, bildete sich eine offene Opposition gegen den russischen IBA-Präsidenten. Doch die Kandidatur des Niederländers Boris van der Vorst scheiterte. Kremlew hatte mit seinem Geld den größten Teil der National-Verbände auf seiner Seite. Olympia, auch nach 2024 - für das Boxen rückte es in immer weitere Ferne.
Neuer Verband, neue Hoffnung auf Olympia
Seit April dieses Jahres gibt es einen zweiten Weltverband im olympischen Boxen: "World Boxing". Treibende Kräfte waren der Verband der USA, Australien, Neuseeland und die Niederländer um Boris van der Vorst. Es ist der nächste Versuch, das IOC umzustimmen, das Boxen im Programm zu belassen. Doch der Sport ist seitdem auch formal gespalten.
"Wir werden dem IOC das Angebot machen, dass wir der Verband sind, der die olympischen Rechte erhalten kann", sagt Michael Müller. Er ist neben seiner Funktion beim deutschen Verband auch Teil des Interimsvorstands bei "World Boxing". Der Deutsche Boxsport-Verband ist offiziell seit August Mitglied. "Bis 2028 werden es weit über 100 Verbände sein", schätzt der Funktionär. Aktuell hat "World Boxing" 27 Mitglieder. Die Konkurrenz von der "IBA" hat nach eigenen Angaben 195 Mitgliedsverbände hinter sich.
Die Integrität des neuen Weltverbands und seiner Mitglieder spielt neben der bloßen Mitgliederzahl die Hauptrolle. Zustände wie in der Vergangenheit bei der "IBA" sollen um jeden Preis vermieden werden. Zudem müsste "World Boxing" die Mammutaufgabe bewältigen können, das olympische Turnier zu organisieren. Der "Cologne Boxing Cup" ist das erste Schaulaufen dazu: "Wir werden ein Turnier auf Weltniveau anbieten – mit Topathleten besetzt", sagt Müller. Er rechnet damit, dass das IOC in Köln genau hinschauen wird.
Werben um die Gunst des IOC
Sportlich betrachtet ist mit Kuba eine der weltweit stärksten Boxnationen beim Turnier dabei. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass große Teile der Weltspitze politisch gerade weit entfernt vom "Cologne Boxing Cup" und "World Boxing" sind: Usbekistan, Kasachstan, Aserbaidschan, Russland – sie alle stehen dem alten Verband IBA näher als dem neuen.
"In dem Moment, in dem wir verantwortlich sind, für die Qualifikation und das olympische Turnier, wird es einen Boom geben", sagt Müller. "Das ist der einzige Punkt, auf den diese Länder warten: Wird 'World Boxing' diese Rechte erhalten?" Es ist ein Pokerspiel, bei dem die beteiligten Verbände direkt mit offenen Karten "All-In" gehen. Fraglich bleibt dabei, welches Blatt das IOC spielen wird. Vorläufig ist Boxen weiterhin nicht Teil des Olympia-Programms 2028.
Die weiblichen und männlichen Athleten werden all das beim "Cologne Boxing Cup" ausblenden. Der Fokus liegt auf der Qualifikation für die Spiele in Paris, die sie im kommenden Frühjahr noch schaffen wollen. Doch am Ende liegen die Ziele der Sportler und der Funktionäre näher zusammen, als es auf den ersten Blick scheint. Es geht um die letzte Chance auf Olympia.