NBA-Profi Isaiah Hartenstein Das deutsche "Stromkabel" der New York Knicks
Die New York Knicks spielen erstmals seit zehn Jahren wieder in den NBA-Playoffs um den Halbfinaleinzug. Eine wichtige Rolle kommt auf Isaiah Hartenstein zu - einem 2,13 Meter-Wandersmann aus Niedersachsen.
Normalerweise ist die Saison für die New York Knicks um diese Zeit des Jahres schon vorbei. Wenn in der NBA die Playoffs beginnen, ist der Traditionsverein aus Manhattan entweder gar nicht erst dabei, oder aber früh gescheitert. Doch in diesem Frühjahr strömen die Knicks-Fans in ihren blau-orangen Trikots- und T-Shirts auch Anfang Mai noch zu Tausenden in den Madison Square Garden - und sie tun dies sogar zuversichtlich und hoffnungsfroh.
Erstmals seit zehn Jahren haben die Knicks wieder eine Playoff-Runde gewonnen, die Cleveland Cavaliers in fünf Spielen aus dem Weg geräumt. Nun duellieren sie sich mit den Miami Heat um den Einzug ins Halbfinale. Am Dienstag gelang ein wichtiger 111:105-Heimsieg. Wichtig deshalb, weil Miami das Auftaktspiel 108:101 gewonnen hatte. “Wir hatten ein paar Probleme, aber am Ende haben wir noch den Sieg geholt. Doch das ist nur ein Sieg. Wir brauchen noch drei weitere”, sagte Isaiah Hartenstein nach der Partie gegenüber sportschau.de
Hartenstein liefert “physischen Funken”
Es kommt nicht allzu häufig vor, dass der 24-Jährige zur Pressekonferenz muss. Denn dort stellen sich normalerweise die besten Werfer den Fragen der Medien. Und so saß erst Knicks’ Power Forward Julius Randle, der 25 Punkte erzielt hatte, am dunklen Tisch im überschaubaren Interviewraum des Madison Square Garden, später folgte Teamkollege Jalen Brunson (30 Zähler). Doch zwischen den beiden hatte auch Hartenstein auf einem der für ihn viel zu kleinen Klappstühle Platz genommen.
New Yorks deutscher Center hatte zwar nur drei Punkte auf seinem Statistikzettel stehen, aber zugleich auch gute neun Rebounds. Und er war in diesem Spiel ein Beispiel dafür, dass die reinen Daten eben nicht alles über die Leistung eines Profis aussagen. Dass all die Energie, die er in der Verteidigung aufbrachte, all die Kraft und Intensität, mit der er sich oft gegen Miamis Allstar Bam Adebayo unter dem Korb wehrte, sich nicht unbedingt in Zahlen widerspiegeln, aber trotzdem so wichtig für den Sieg waren. Die “New York Post” titelte tags darauf treffend: “Hartenstein liefert physischen Funken, den die Knicks brauchten.”
Isaiah Hartenstein im Kampf um den Ball.
Uneigennützige, aber gewinnbringende Spielzüge
Er sei “für viele Sachen” im Team zuständig, sagt Hartenstein. So gilt der 2,13 Meter große und 113 Kilogramm schwere Nationalspieler als “Energy-Guy”, also quasi als "Stromkabel". Hartenstein ist derjenige, der mit seiner intensiven Spielweise der eigenen Mannschaft Energie geben, sie puschen soll. Er bezeichnet sich zudem als Mann für die “IQ plays”. Heißt, er soll sich zum Beispiel geschickt in den Weg stellen, um so einem Mitspieler Platz und Zeit für den Wurf zu geben.
Und das klappte im zweiten Spiel gegen Miami mehre Male sehr gut. Trainer Tom Thibodeau lobte Hartenstein für seine “uneigennützigen, aber gewinnbringenden Spielzüge”. Die hätten, so Thibodeau, die Knicks gebraucht - und die habe “Isaiah für uns gemacht”.
Quakenbrück, Litauen, USA
Die Power für seine intensive Spielweise zieht Hartenstein von den Rängen der renommierten Arena. “Die Fans sind 1A, die geben dir einfach so viel Energie”, sagt er - und muss bei diesem Satz umgehend an seine Spiele als 16-Jähriger für die Artland Dragons in der Basketball-Bundesliga denken. “Ich komme aus einer Halle mit 3.000 Zuschauern und spiele jetzt hier im Mekka. Das ist schon sehr besonders.”
Von Norddeutschland nach New York - was so schön klingt, war ein langer, harter Weg für den Niedersachsen. Er begann einst beim TSV Quakenbrück mit dem Basketball, denn Vater Florian spielte ab 2009 für die Artland Dragons in der Bundesliga. Als Hartenstein Senior nach seinem Karriere-Ende Nachwuchstrainer im Verein wurde, coachte er auch seinen Sohn. Der, so sagte Florian Hartenstein mal, habe eigentlich keine Chance gehabt, kein Basketballer zu werden.
Ein ewig Reisender
2016 verließ Hartenstein im Alter von 18 Jahren das Elternhaus Richtung Litauen, schloss sich Zalgiris Kaunas an. Ein Jahr später drafteten ihn die Houston Rockets. Hartenstein zog nach Texas und verbrachte eine lehrreiche Zeit bei den Rio Grande Valley Vipers, dem Farmteam der Rockets in der G-League. Beim entscheidenden Sieg zum Gewinn der Meisterschaft am 12. April 2019 gegen die Long Island Nets erzielte er 30 Punkte, pflückte 17 Rebounds und wurde zum “wertvollsten Spieler” (MVP) der Finalserie gekürt.
Zwischendurch bekam Hartenstein auch einige NBA-Einsätze bei den Rockets, doch im Sommer 2020 löste Houston den Vertrag auf. Hartensteins Reise ging weiter, aus dem Süden der USA in die Landesmitte, zu den Denver Nuggets. Doch nach nur wenigen Monaten gab ihn das Team im März 2021 an die Cleveland Cavaliers ab. In 16 Spielen erhielt der Deutsche fast 18 Minuten Einsatzzeit und kam auf einen Punkteschnitt von 8,3 Zählern. Heimisch wurde er bei den "Cavs" trotzdem nicht.
Vergangene Saison in NBA etabliert
Im Herbst 2021 war Hartenstein an der US-Westküste angekommen, bei den Los Angeles Clippers. Er habe das Gefühl, sagt Hartenstein, sich “vergangene Saison” in der NBA etabliert zu haben. Seine Zahlen untermauern das. 68 Spiele, durchschnittliche Spieldauer: 17,9 Minuten. Punkteschnitt: 8,3. Doch auch das Clippers-Kapitel war nach nur einer Saison vorbei. Nächste Station: New York Knicks.
Isaiah Hartenstein, hier noch im Trikot der LA Clippers.
Im Sommer 2022 unterschrieb Hartenstein für zwei Jahre in der Millionen-Metropole. Und der ewig Suchende scheint endlich seine sportliche Heimat gefunden zu haben. In der NBA wisse man zwar nie, was passiere, betont er - und er ist ja das perfekte Beispiel für diese Aussage. Aber New York und der Norddeutsche - das passt bislang hervorragend. “Ich liebe New York, die Fans, die Atmosphäre”, sagt er.
Noch kein Spiel verpasst
Hartenstein hat erstmals alle 82 Partien der Hauptrunde bestritten. Und er hat in den bisherigen sieben Playoff-Begegnungen bewiesen, dass er ein hervorragendes Puzzleteil im Knicks-Kader ist. Jemand, der die ihm zugeordnete Rolle mit Stolz und Intensität zuverlässig ausfüllt. Einer, den Trainer, Mitspieler und Zuschauer für eben genau diese Spielweise schätzen.
In den kommenden beiden Partien hat Miami Heimrecht. Und die Heat werden den in Spiel zwei noch verletzt fehlenden Jimmy Butler wohl wieder zur Verfügung haben. Der 33-Jährige ist Anführer, Antreiber, Werfer und Vorbereiter in einem. Hartenstein nennt ihn einen “1A-Spieler”, der “schon seine Würfe treffen” werde. “Aber wir müssen versuchen, es ihm schwer zu machen.” Dafür wird wieder viel Energie nötig sein. Es dürfte also erneut einiges auf das deutsche "Stromkabel" der Knicks zukommen.