Runningback McCaffrey Ein Schneeball, der zur NFL-Lawine wurde
Sein Opa sprintete mit Armin Hary 1960 in Rom um Olympiagold. Sein Vater gewann dreimal den Super Bowl. Nun will Christian McCaffrey die erfolgreiche Familien-Geschichte im NFL-Endspiel fortsetzen.
Der 27-Jährige musste nicht lange überlegen. Seine Antwort kam schnell und sie kam überzeugend. In welchem anderen Sport er gerne gewinnen würde, wenn er nicht Football-Profi wäre, wurde der Runningback der San Francisco 49ers am Mittwoch während seiner 45-minütigen Pressekonferenz im Teamhotel gefragt. "Gold im 100-Meter-Sprint. Du bist der schnellste Mann der Welt. Das wäre fantastisch", so McCaffrey.
Für den Football-Profi wird dieses Ziel wohl reine Utopie bleiben. Seine 100-Meter-Bestzeit seien zwar 10,50 Sekunden gewesen, so McCaffrey. Und wer weiß, wie schnell er mittlerweile wäre, hätte er sich nach der High School nicht voll auf American Football konzentriert. Andererseits: Sollte dieser Christian Jackson McCaffrey in der Nacht von Sonntag auf Montag in Las Vegas mit den 49ers gegen Titelverteidiger Kansas City Chiefs den Super Bowl der US-Football-Liga NFL gewinnen, dann wäre das, wie er selbst sagt, ja ohnehin schon "die Erfüllung eines Kindheitstraumes."
Foto-Finish entscheidet zugunsten von Armin "Härry"
Doch auch seine Affinität zum Sprint liegt nahe. Denn in seiner Familie, da gibt es einen, der diesem Gold im 100-Meter-Sprint ganz nahe gekommen war: sein Opa, Dave Sime.
Armin Hary geht als Sieger durch's Ziel. Der Amerikaner Dave Sime (l.) wird Zweiter.
Der Vater von McCaffreys Mutter Lisa lieferte sich bei den Olympischen Sommerspielen 1960 in Rom einen grandiosen Zweikampf mit Armin Hary. Der Deutsche hatte mit dem damals 24-jährigen Amerikaner bereits im Viertel- und Halbfinale im selben Lauf gestanden - und ihn jeweils besiegt.
Im Finale der besten Sechs starteten beide auf den Außenbahnen - Sime auf eins, Hary auf sechs - und sprinteten zeitgleich in neuem Olympiarekord von 10,2 Sekunden als Erste über die Ziellinie. Das Foto-Finish musste entscheiden.
Simes linker Fuß passierte die weiße Kreidelinie zwar als Erstes, doch ausschlaggebend war der Oberkörper. Und Hary hatte eben seinen Brustkorb auf den letzten Zentimetern so sehr nach nach vorne gestreckt, dass es hauchdünn für ihn zum Olympiasieg reichte. Er habe oft davon gehört, dass "Härry" gewonnen habe, so McCaffrey.
Christian McCaffrey: Eintrag in die NFL-Rekordbücher
Sein Opa Dave starb im Januar 2016 im Alter von 79 Jahren. Christian McCaffrey spielte damals an der Standford University und galt als einer der talentiertesten Runningbacks des College-Sports. Dave Sime verfolgte alle Spiele im Fernsehen. "Snowball" ("Schneeball") hatte er seinen Enkel oft genannt - denn, einmal in Bewegung, war dieser nicht mehr zu stoppen, wühlte und wuselte sich immer weiter durch die gegnerischen Abwehrreihen.
Mittlerweile ist aus dem "Schneeball" eine Lawine geworden. McCaffrey zählt zu den besten Angreifern der Liga. Noch nie in der NFL-Geschichte hat ein Runningback so viele Pässe in einer Saison gefangen, wie er (116). Und zwei Spielzeiten nacheinander mit jeweils mehr als 100 Receptions - auch das hat außer ihm niemand geschafft.
Vereinsrekord von Jerry Rice gebrochen
In dieser Saison hat der 1,80 Meter große und 95 Kilogramm schwere Athlet sogar den 49ers-Vereinsrekord des wohl besten Angreifers gebrochen, den die "Goldhosen" je hatten: Jerry Rice. Der Wide Receiver hatte einst in zwölf aufeinanderfolgenden Spielen jeweils einen Touchdown erzielt.
McCaffrey verbesserte die Bestmarke am 1. Oktober beim 35:16-Heimsieg gegen die Arizona Cardinals auf 13. McCaffrey sei "absolut irre!!!!", schrieb Basketball-Superstar LeBron James umgehend bei "X" - und setzte noch ein "Du meine Güte" hinterher.
Seit er sieben Jahre alt war, sagt McCaffrey, habe er American Football spielen wollen. Wer kann es ihm verdenken? Er schaute, wie so viele Kinder, zu seinem Vater auf. Und Ed McCaffrey kann auf eine großartige NFL-Karriere zurückblicken. Mit den 49ers gewann der ehemalige Wide Receiver im Januar 1995 seinen ersten Super Bowl, 1998 und 1999 kamen zwei weitere Meisterschaften mit den Denver Broncos hinzu.
"Gewaltiger Einfluss" des Vaters
Sein Vater habe einen "gewaltigen Einfluss" auf seine Karriere gehabt, ihm und seinen drei Brüdern das Spiel gelehrt, sagt McCaffrey. Und er habe ihm für den Super Bowl ein paar Tipps gegeben. Zum Beispiel: "Achte auf deinen Körper und ruh' dich aus, so viel du kannst." Noch was? "Ja, ganz wichtig. Gehe dieses Spiel an, wie jede andere Partie auch. Verändere bloß nicht so viel."
Dass er einer der schnellsten Spieler auf seiner Position ist, führt McCaffrey ebenfalls auf seinen Vater zurück. Sprinttraining, so sagt er, sei Ed McCaffrey immer ein besonderes Anliegen gewesen. Die Laufmechanismen seines Opas hingegen habe er nie intensiv studiert, sagt der Mann mit der Rückennummer 23. Aber, eines wisse er natürlich: "Um schnell zu sein, musst du jeden Tag Schnelligkeit trainieren - und gute Gene haben."