Sieger in der Nordischen Kombination "Vinz" bei der "Hassliebe" nicht zu stoppen
Aufholjagden in der Loipe als Spezialität: Vinzenz Geiger beeindruckt in der Nordischen Kombination im Langlauf. In seiner Jugend hätte er darauf sicher nicht gewettet.
"Ich habe einfach alles rausgehauen" - Vinzenz Geigers Sieg-Rezept von Samstag in der Ramsau klang ebenso einfach wie kernig auf den Punkt gebracht. Mit einer sensationellen Aufholjagd in der Loipe hatte der deutsche Top-Kombinierer 69 Sekunden Rückstand auf den nach dem Springen führenden Jarl Magnus Riiber wettgemacht. Nach dem 10-Kilometer-Langlauf stand der 25-Jährige ganz oben auf dem Treppchen.
"Wer es nicht probiert, der schafft es auch nicht", so resümmierte Geiger zufrieden am Sportschau-Mikrofon. Der Olympiasieger von Peking, der seinen ersten Saisonerfolg unter Dach und Fach brachte, stellte sachlich fest: "Jetzt bin ich ganz oben angekommen."
Hassliebe Langlauf
Vor allem im Langlauf bewies der gebürtige Oberstdorfer zuletzt ungeheure Klasse. Was gar nicht so selbstverständlich ist, glaubt man Geigers Erinnerungen an seine Anfänge: "Als Kind habe ich Langlauf noch gehasst", sagte er mal in einem Interview mit dem Münchener "Merkur".
"Als Kind Langlauf gehasst" - Vinzenz Geiger
Aus der Hassdisziplin wurde sozusagen notgedrungen Hassliebe, denn für Geiger war schon in Kindertagen klar: Es wird zur Nordischen Kombination gehen. Sein Cousin hatte ihn zu den ersten Veranstaltungen mitgenommen, im Skiklub Oberstdorf lernte der bis dahin hauptsächlich auf Fußballplätzen anzutreffende Junge die Basics. Und er war sehr schnell sehr gut. So gut, dass er schon wenig später in die Leistungskader des Deutschen Sikverbandes rutschte.
Abwechslung auf der Abfahrtsstrecke
Sein internationales Debüt feierte der Junior im Winter 2011/12 im slowenischen Kranj, wo er in der Einzel-Konkurrenz Rang drei belegte. Ad acta wurden spätestens damit auch die anderweitigen Interessen des sportlichen Multitalents gelegt.
Denn auch auf Alpin-Skiern war der eingefleischte Fan des FC Bayern München bis dahin gut unterwegs gewesen. Noch heute sucht er abseits seiner Kern-Wettkämpfe in der Nordischen Kombination so oft wie möglich auf den schnellen Abfahrtsstrecken in seiner Heimat Abwechslung.
"Auf einen guten Sprung folgen sechs bis sieben schwache"
Aber die Nordische Kombination war einfach viel zu reizvoll. Über Einsätze im Alpen Cup und im Continental Cup sammelte der Youngster Erfahrung und im September 2015 war es schon so weit: Bundestrainer Hermann Weinbuch nominierte den damals 18-Jährigen für den Weltcup-Auftakt in Lillehammer. Zahlte er am ersten Tag und Rang 31 noch Lehrgeld, ließ er tags darauf aufhorchen: Platz 18 war für den Newcomer aller Ehren wert.
"Auf einen guten folgen sechs bis sieben schwache"
"Er hat einen unwiderstehlichen Antritt. Er ist auf der Geraden sehr schnell und kann einen langen Zielsprint gehen", lobte Weinbuch. Der Bundestrainer stellte aber auch Geigers Schwachstellen im Springen unverblümt fest: "Auf einen guten Sprung kommen bei Vinzenz meist sechs bis sieben schwache."
Olympisches Staffelgold 2018 als erster Höhepunkt
Geiger switchte nun zwischen Junioren- und Senioren-Konkurrenzen hin und her, 2017 schnappte er sich bei der Junioren-WM den Einzeltitel. Parallel dazu startete er bei den "Großen", wo er bei Olympia 2018 mit zum großen Coup beitrug: Mit der Staffel holte er sich olympisches Gold.
Geiger war endgültig angekommen in der Weltspitze: Rang drei im Weltcup 2019/20, Platz zwei 2020/21 und nochmals Rang drei 2021/22. Wenn überhaupt, gibt es im Weltcup-Zirkus nur wenig Bessere. Was er auch bei Olympia in Peking bewies: Die Goldmedaille im Wettkampf von der Normalschanze war verdienter Lohn für Geigers phänomenalen Auftritt - auch da war er schon auf seine außergewöhnliche Laufleistung angewiesen, als er mit 1:36 Minuten Rückstand in die Loipe ging.
"Ich mag den Druck"
Vor allem nervlich präsentiert sich Geiger in den wichtigen Entscheidungen oft auffällig stabil. "Er bleibt halt immer locker", stellte Weinbuch einst fest. Und Geiger selbst macht die Anspannung bei großen Wettkämpfen nichts aus: "Mich zeichnet aus, dass ich auch in brenzligen Situationen stets entspannt bleibe. Ich mag den Druck!"
Ab jetzt darf er die Belastung erst einmal etwas herunterfahren. Für die nordischen Kombinierer folgt nun eine Wettkampfpause. Der erste Saisonsieg kam also gewissermaßen zum perfekten Zeitpunkt. "Das ist die perfekte Art, das Jahr 2022 zu beenden", findet Geiger. Bei der WM in Planica (21. Februar bis 5. März) dürfte es dann zum großen Riiber-Geiger-Schlager kommen.