Anni Friesinger (Eiskunstlauf)
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Wintersport-Podcast der Sportschau Anni Friesinger-Postma - "Brachland und Hoffnung im deutschen Eisschnelllauf"

Stand: 05.01.2023 12:00 Uhr

Als Eisschnellläuferin hat sie alles gewonnen, jetzt spielt Anni Friesinger-Postma Eishockey. Davon erzählt sie im Wintersport-Podcast - und erklärt die Misere im deutschen Eisschnelllauf.

Sportschau: Anni Friesinger-Postma, wir haben uns im Vorfeld schon sehr auf das heutige Interview gefreut. Passiert dir das öfter, dass Leute so positiv auf dich reagieren?

Anni Friesinger-Postma: Ja, nach wie vor. Aber es wundert mich schon - ich habe ja bereits 2010 mit dem Leistungssport aufgehört. Dass ich da auch bei jungen Leuten so im Gedächtnis geblieben bin, ist schön.

Sportschau: Du bist dreimalige Olympiasiegerin und 16-fache Einzel- und Mehrkampf-Weltmeisterin. Sind das Erfolge, an die du dich auch heute noch gerne zurückerinnerst?

Friesinger-Postma: Auf alle Fälle. Ich sehe es als Geschenk, dass ich mein Hobby und meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Ich habe hart trainiert und wurde mit Erfolgen belohnt. Das war eine schöne und coole Zeit, aber auch sehr hart, weil man sehr viel trainieren musste.

Sportschau-Wintersport-Podcast, 05.01.2023 12:00 Uhr

Sportschau: Vergisst man denn die Schmerzen im Training, wenn die Erfolge dann da sind?

Friesinger-Postma: Ja, total. Das ist wirklich so, dass es die große Belohnung ist, wenn du so hart trainiert hast und der Weg steinig war und du durch Verletzungen Rückschläge erlitten hast - umso süßer ist dann ein Sieg und lässt die Qual vergessen.

Sportschau: Deine Karriere musstest du auch wegen eines Knorpelschadens im rechten Knie beenden. Wie war das damals für dich, als dir klar wurde: Mein Körper macht das nicht mehr mit?

Friesinger-Postma: Ich wusste durch mehrere Operationen schon, dass mein rechtes Knie meine Schwachstelle ist. Aber die Vorbereitung auf die Saison war super, Trainingszeiten waren gut, ich war komplett austrainiert und dann kam die Verletzung. Da hat es sich schon angedeutet, dass der Knorpel langsam aufgebraucht ist. Da reibt schon Knochen auf Knochen. Während der Reha habe ich dann schon abtrainiert und reflektiert, was es mir noch wert ist und wie weit ich mit meinem Körper noch gehen kann.

Sportschau: Du lebst mit deinen Töchtern und deinem Mann abwechselnd in Salzburg und den Niederlanden. Auf Social Media habe ich gesehen, dass du dein Comeback auf dem Eis gibst.

Friesinger-Postma: Es war überhaupt nicht geplant. Meine Töchter spielen Eishockey, beide in der Bundesliga. Da hat mich eine Eishockey-Mami angesprochen, ob ich es nicht auch mal probieren möchte. Gut, dann habe ich es auch probiert und fand es ziemlich cool. Macht richtig Spaß. Beim Eislaufen muss ich nicht viel nachdenken, das kann ich, aber Stock-Handling - puh - und Abseits, diese böse blaue Linie … Es gibt so viel zu beachten, aber es macht richtig Spaß.

Sportschau: Zum deutschen Eisschnelllaufen: Die Erfolge der Frauen des deutschen Eisschnelllaufteams lassen schon länger auf sich warten.

Friesinger-Postma: Bei den deutschen Frauen ist leider Brachland. Da sieht es nicht gut aus. Bei den Männern ist es umso besser. Da haben wir mittlerweile gute Sprinter, wir haben den Inlineskater Felix Rijhnen, der auch schon gewinnen konnte. Und mit Moritz Klein haben wir einen Sprinter, der immer wieder in den Top 8 ist. Das macht Hoffnung auf mehr.

Sportschau: Nochmal zu den Frauen. Hast Du eine Erklärung für die Erfolglosigkeit?

Friesinger-Postma: Ich kann sagen, woran es nicht liegt. Wir haben wunderbare Eisstadien - in Erfurt, Inzell und Berlin. Wir haben die Möglichkeit, über die Bundeswehr oder die Bundespolizei eine duale Ausbildung zu machen. Es ist vielleicht ein wenig wie beim Biathlon. Dass man über viele Jahre hinweg etliche Sportler auf höchstem Niveau hatte und sich ein wenig auf den Lorbeeren ausgeruht hat. Im Eisschnelllauf hat man auch übersehen, dass man mal über den Tellerrand hinausblicken sollte - dass man auch mal bei den Inlineskatern vorbeischaut, beim Eishockey. Das machen andere Länder auch. Und die Strukturen im Verband sind ... schwierig. Das macht es auch für junge Leute nicht attraktiv, Eisschnelllauf zu betreiben.

Sportschau: Was muss konkret passieren?

Friesinger-Postma: Wenn ich mir die deutsche Meisterschaft angucke, wundere ich mich, dass so wenige Leute überhaupt an der Start gehen. Bei uns war es so, wer die Zeitnormen geschafft hat, als Junior, der durfte auch da mitmachen. Das ist doch wichtig, und so bin ich groß geworden: Wenn ich das Niveau hatte, durfte ich bei den alten Damen mischnuppern, lernen und mich mit denen messen. Das vermisse ich ein bisschen.

Sportschau: Also das klassische Belohnungsprinzip?

Friesinger-Postma: Ja, du lernst ja durch die Events. Der Wettkampf ist die Möglichkeit, wo du das tausendmal Geübte anwendest - und du wirst nur dadurch besser. Da kommen die Nervosität, die Konzentration, die Gegner. Wenn du nur trainierst und überhaupt keine Wettkämpfe läufst, da weißt du doch gar nicht, wo du stehst.

Sportschau: Aber Deutschland war ja mal groß im Eisschelllauf. Das hört sich so ein bisschen so an, als ob man wegignoriert wird. Oder ist das zu krass gesagt?

Friesinger-Postma: Nein, es braucht schon auch Erfolge, dass du Fernsehzeiten bekommst. Das ist halt so. Da muss auch ein Interesse von den Zuschauern da sein. Wir Eisschnellläufer haben oft davon profitiert, dass unsere Events stattfinden konnten und Skifahren musste verschoben werden. Aber du brauchst auch ein Gesicht, das Erfolg hat. Eins mit Ecken und Kanten. Womit die Leute sich identifizieren, mitleiden, wenn es nicht so gut geht und mitfiebern, wenn es um Siege und Medaillen geht. Das fehlt jetzt.

Sportschau: Du bist ein solches Gesicht des Eisschnelllaufens gewesen und hast jetzt ein Angebot vom Verband bekommen, hast dem Verband aber einen Korb gegeben …

Friesinger-Postma: Ja, was war denn das für ein Angebot? Das war kein Angebot. Wir sind ja leider auch nicht im Guten auseinandergegangen. Das kann man zwar alles beiseiteschieben, aber da ist in meinen Augen so viel Arbeit nötig, um alles umzustrukturieren. Wo willst du da anfangen? Es ist ein sehr langwieriger Prozess, und ich sehe mich da definitiv nicht.

Sportschau: Du hast strukturelle Aspekte angesprochen. Joel Dufter beispielsweise hat mit 27 Jahren seine Karriere beendet, weil unter anderem sein Trainer nicht weiterbeschäftigt wurde.

Friesinger-Postma: Die Entlassung von Danny Leger war ein Skandal. Er hat in Inzell so viel Nachwuchs aufgebaut, nicht nur Joel Dufter. Es wurden falsche Entscheidungen getroffen, die viele Karrieren kaputtgemacht haben.

Sportschau: Wäre es denn langfristig auch etwas für dich, als Trainerin auf dem Eis zu stehen?

Friesinger-Postma: Nein. Ich habe das so intensiv gemacht mit 20 Jahren Weltcup- und WM-Zirkus. Um wirklich aktiv Trainer zu sein, müsste man Wissen auffrischen, Lehrgänge und Workshops besuchen. Nein, ich bin aktuell auch gerne Mutter.