Nach neuem U23-Weltrekord Speerwerfer Max Dehning: "90 Meter wirft man nicht jeden Tag"
Mit sensationellen 90,20 m ist Speerwerfer Max Dehning in die Saison gestartet - das ist neuer U23-Weltrekord. Der Leverkusener ist damit der jüngste Werfer, der je die 90-Meter-Marke geknackt hat.
Matthias Rau strahlt und ist gleichzeitig verwundert, was in den letzten Stunden auf ihn und seinen Schützling eingeprasselt ist. "Es ist verrückt! Ich habe nicht damit gerechnet und muss jetzt erst mal versuchen, die Lawine in den Griff zu kriegen, die gerade losgetreten wurde."
Auch zwei Tage später ist der für den Nachwuchs zuständige Speerwurf-Bundestrainer noch immer überrascht, was für einen Wurf Max Dehning bei den Deutschen Winterwurf-Meisterschaften "rausgehauen" hat. Mit einer persönlichen Bestleistung von 79,13 Meter war der 19-Jährige am Wochenende nach Halle Saale angereist, die er im ersten Wettkampf des Jahres gleich im ersten Versuch regelrecht pulverisierte: Der Speer landete bei 90,20 Metern – und Max Dehning ist nun der jüngste Speerwerfer, der je die 90-Meter-Marke überboten hat.
Auch er hat den Wurf noch nicht verarbeitet. "Es fühlt sich noch nicht real an, auf der Fahrt zurück nach Hause habe ich mich die ganze Zeit selbst gefragt: Was habe ich da eigentlich gemach? Aber ich war nicht der einzige, der sprachlos war, die Trainer waren es ebenfalls!"
Im Club der 90 Meter-Werfer
Es ist ein Wurf, der alles auf den Kopf stellt: Deutsche U23-Bestleistung, europäischer U23-Rekord und Weltjahresbestleistung. Mit dieser Weite wäre Dehning 2023 in Budapest bei der offenen Altersklasse Weltmeister geworden. Nach Johannes Vetter, Thomas Röhler, Raymond Hecht, Andreas Hofmann und Boris Obergföll ist er erst der sechste deutsche Werfer, der die 90 Meter-Schallmauer durchbrochen hat.
Dabei hatte er in der Woche zuvor wegen eines Erkältungsinfekts kaum trainiert. "Ich lag vier Tage richtig flach und habe drei kg abgenommen. Die letzte Wurfeinheit vor der Fahrt nach Halle war die bisher schlechteste Trainingseinheit in diesem Jahr, so dass wir schon überlegt haben, ob ich überhaupt den Wettkampf machen soll", erzählt Max Dehning im WDR-Interview. Und fügt schmunzelnd hinzu: "Natürlich kann man sich auch fragen, was wäre gewesen, wenn ich nicht krank gewesen wäre – wäre dann vielleicht noch mehr drin gewesen? Ich sehe das jetzt alles nur positiv: Vielleicht war das gar nicht so schlecht für den Wettkampf, dass ich mal richtig ausgeruht war."
"Eigentlich wollte ich den Wettkampf schon absagen"
Gleich im ersten Versuch verbesserte er seine persönliche Bestleistung um über 10 Meter, dass der Wurf über die magischen 90 Meter gehen würde, hat er beim Abwurf nicht gemerkt. "Ich dachte, es werden 84 oder 85 Meter. Ich wollte im ersten Versuch unbedingt einen gültigen Versuch machen und dann fliegt der und fliegt und kommt gar nicht mehr runter!"
Auch im zweiten Versuch warf der 19-Jährige mit 85,45 sechs Meter weiter als seine bisherige Bestleistung, danach war die Luft raus und er beendete den Wettkampf. "Nach dem zweiten Versuch hatte ich schon gar keinen Kopf mehr, da war mir alles zuviel und ich dachte, das reicht jetzt, ich spare mir die Kraft und wollte mich auch nicht verletzten."
Vor zwei Jahren wechselte das Kraftpaket von der LG Celle-Land zum TSV Bayer 04 Leverkusen und schloss sich der Trainingsgruppe von Matthias Rau an. Gemeinsam mit seiner ein Jahr älteren Schwester Marie, die Mehrkämpferin ist, wohnt er in einer WG unweit der Trainingsanlage.
Trainingsgruppe wie eine Familie
Mit fünf weiteren Athleten trainiert er in der Trainingsgruppe von Matthias Rau, in der er sich "pudelwohl" fühlt. "Das ist wie eine Familie". Der Nachwuchs-Bundestrainer ist für ihn zugleich "Trainer, Kumpel und wie ein zweiter Vater, der auch im Privaten außerhalb des Sports unterstützt. Die ganze Trainingsgruppe ist froh, so einen coolen Trainer zu haben."
Im vergangenen Jahr wurde Dehning durch Pfeiffersches Drüsenfieber ausgebremst, die ganze Saison fühlte er sich schlapp, müde und kraftlos. In den Herbstferien nahm er sich eine Auszeit und war froh, als die Saison endlich vorbei war.
Neue Saisonplanung
Mit seinem Überraschungswurf hat Max Dehning ganz nebenbei auch noch die EM- und Olympia-Norm abgehakt und muss auf einmal seine Saisonplanung überdenken. Eigentlich wollte er mit vielen Wettkämpfen genügend Punkte sammeln, um sich für die Euopameisterschaften in Rom zu qualifizieren. "Das war die Zielsetzung, wenn die Qualifikation für die Olympischen Spiele noch geklappt hätte, wäre das schön gewesen. Jetzt brauche ich mir wegen der Quali keinen Kopf mehr zu machen, ob ich über Wettkämpfe auch genug Punkte für die Weltrangliste sammle."
Seit 2022 startet der gebürtige Soltauer Max Dehning im Trikot des TSV Bayer 04 Leverkusen
Um den Kopf frei zu kriegen und abzuschalten, trifft sich Dehning mit Freunden zum Motorradfahren im Bergischen Land. Viel Zeit wird er dafür in den nächsten Wochen nicht haben, denn schon nächste Woche geht es für ihn zum Werfer-Europacup nach Leiria (Portugal), bevor sich ein Trainingslager ans nächste reiht.
Auch nach seinem Rekord-Wochenende will er sich nicht unter Druck setzen lassen: "Wenn ich gefragt werde, wann wirfst du wieder so weit oder noch weiter - das geht bei mir links rein und rechts wieder raus. Klar hat mir der Wurf viel Aufmerksamkeit gebracht, aber so einen Wurf, den machst du nicht jeden Tag! Da versuche ich mir keinen Kopf zu machen."