Fußball | Bundesliga TSG Hoffenheim: 16 Spiele voller Gegensätze
Die TSG Hoffenheim überwintert auf Tabellenplatz sieben. Der bisherige Saisonverlauf ist zufriedenstellend, wenn auch gezeichnet von Formschwankungen und Gegensätzen.
So lief die bisherige Saison der TSG
Im Februar wurde Pellegrino Matarazzo zum neuen Cheftrainer der damals abstiegsgefährdeten TSG Hoffenheim ernannt und startete mit fünf Niederlagen in sein Amt. Zum Start in die neue Saison gab es das exakte Gegenteil: Fünf Siege in den ersten fünf Spielen zeigten, was bei den Kraichgauern fußballerisch möglich ist. Trotz anschließender Stagnation - zu viele Unentschieden, lediglich sechs Zähler aus sieben Partien zum Jahresende - blickt die TSG auf eine bisher vielversprechende Spielzeit zurück.
Die Formkurve schwankt zwar stark, dennoch überwintert Hoffenheim auf dem siebten Tabellenplatz, hat sich so in eine gute Ausgangslage für das Rennen um die europäischen Plätze gebracht. "Wir spielen aktuell eine starke Runde - nach einer Saison, in der wir konstant gegen den Abstieg gekämpft haben. Wenn ich die aktuelle Mannschaft mit der aus der Vorsaison vergleiche, sehe ich einen ganz anderen Geist!", erklärte Matarazzo auf der Presserunde zum Jahresabschluss. Die Verunsicherung, die in der ersten Jahreshälfte herrschte, sei verschwunden.
Bei Hoffenheim mangelt es primär an Konstanz und der Fähigkeit, sich häufiger für gute Leistungen zu belohnen. Zu oft werden Siege spät aus der Hand gegeben, regelmäßig springt trotz guter Spiele nichts Zählbares raus. Sinnbildlich dafür: das letzte Bundesliga-Spiel gegen den SV Darmstadt. Drei Mal ging die TSG gegen den Tabellenletzten in Führung, am Ende reichte es aufgrund des späten Gegentors (Skarke, 85.) nur zu einem Punkt. Dass die TSG mit den Ligagrößen aus Stuttgart und Leverkusen mithalten kann, zeigten die direkten Duelle - nur lässt sich das nicht immer am Ergebnis ablesen. Gründe zum Optimismus sind aber da.
Das war gut
Die TSG gilt dieses Jahr als eine der auswärtsstärksten Mannschaften der Liga. Zwei Punkte konnte man durchschnittlich in der Ferne holen, nur die Spitzenreiter aus Leverkusen und München sind auswärts noch stärker. "Wir haben auswärts oft sehr schlau gespielt, haben verstanden, was es braucht, solche Spiele zu gewinnen", lobt Matarazzo seine Spieler.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Punkteausbeute ist die Offensive: Hoffenheim traf in jedem der bisherigen 16 Bundesliga-Spiele, in sieben davon ganze drei Mal, die Ausbeute ist dabei dank dreizehn verschiedener Torschützen auf vielen Schultern verteilt. "Wir wissen, wie man Tore schießt, auch auf viele verschiedene Arten. Es ist eine eindeutige Entwicklung zu sehen", lobt Matarazzo. Wie man Tore schießt, weißt vor allem einer: Andrej Kramaric, dem in 14 Einsätzen acht Treffer gelangen.
Gewohnt gut lief auch die Einbindung von Eigengewächsen. Mit Tom Bischof, Bambasé Conté und Umut Tohumcu etablieren sich drei Jugendspieler im Profikader, Shooting-Star Maximilian Beier, zweitbester Torjäger Hoffenheims, durchlief vor seiner Leihstation in Hannover mehrere Jugendmannschaften. Zudem sorgte TSG-Nachwuchsstürmer Max Moerstedt bei der U17-Weltmeisterschaft für Aufsehen, verhalf der DFB-Auswahl dort mit vier Treffern und einer Vorlage zum WM-Titel.
Das war schlecht
Der Auswärtsstärke steht eine schwache Punkteausbeute vor heimischer Kulisse gegenüber. Lediglich zwei Siege konnte die TSG aus den acht Bundesliga-Heimspielen einfahren, holte daheim nur einen Punkt - der schlechteste Wert der Hoffenheimer Bundesliga-Historie. Sogar in der Fast-Abstiegssaison 2012/13 (durchschnittlich 1,12 Punkte), in der der Klassenerhalt erst in der Relegation gelang, war man zu Hause erfolgreicher. In der Heim-Tabelle stehen nur die drei Mannschaften aus dem Tabellenkeller (Mainz, Köln, Darmstadt) noch schlechter da. "Die Leistungen stimmen zu Hause oft, aber die Ergebnisse nicht. Das muss und wird besser werden", ist sich Matarazzo dieses Problems bewusst.
Einen großen Anteil an der Heimschwäche hat dabei die wackelige Defensive. 30 Gegentore hagelte es bereits. Nur in einer Partie (2:0 gegen Union Berlin) stand hinten die Null, fünf Mal mussten die Kraichgauer drei Gegentreffer hinnehmen, wie zuletzt im Heimspiel gegen Darmstadt (3:3). Der einzige Lichtblick in der TSG-Hintermannschaft ist Torhüter Oliver Baumann, der eine starke Saison spielt und regelmäßig die Fehler seiner Vordermänner ausbaden kann. "Unser Anspruch ist eine bessere defensive Stabilität. Wir kassieren zu viele Gegentore. Daran werden wir in der Vorbereitung arbeiten - insbesondere am Gegenpressing und der Restverteidigung", kündigt Matarazzo an.
Ein weiterer Störfaktor sind die Baustellen abseits des Platzes. Der Böllerwurf beim Auswärtsspiel in Augsburg, bei der Anhänger der TSG einen Knallkörper zündeten und dreizehn Menschen verletzten, erregte höchste mediale Aufmerksamkeit, zwang Verein, Trainer und Spieler zur Stellungnahme. Auch die Freistellung von Akademieleiter Jens Rasiejewski erzeugte internen Lärm. Sportliche Gründe gab es eigentlich nicht, die U19 führte zum Zeitpunkt der Freistellung die Tabelle der Junioren-Bundesliga Süd/Südwest an, auch die U23 bestätigte ihren Aufwärtstrend aus der Vorsaison und belegte den zweiten Platz der Regionalliga Südwest. Mutmaßlich ist die Trennung von Rasiejewski auf ein Zerwürfnis mit Vereinsmäzen Dietmar Hopp zurückzuführen. Auch hier stellt sich die Frage, ob es nicht möglicherweise eine elegantere Lösung gegeben hätte.
So schlugen sich die Neuzugänge
"Wir haben im Sommer, was den Kader und seine Struktur angeht, gute Entscheidungen getroffen", lobt Matarazzo das Vorgehen seines Vereins auf dem Transfermarkt. Ein Blick auf die Neuzugänge zeigt: zurecht! Die wohl größte Überraschung der Saison ist Maximilian Beier. Der 21-Jährige, der zuletzt an Hannover 96 verliehen war, bekam seine Chance und lieferte ab. Nach neun Spielen stand Beier bei sechs Toren und vier Vorlagen. Auch wenn die Scorer-Punkte seitdem ausblieben, gilt der deutsche U21-Nationalspieler als Senkrechtstarter der Saison.
Gegensätzlich verlief die Torausbeute für Neuzugang und Bundesliga-Kenner Wout Weghorst (31, Leihe aus Burnley): Nach einem schleppenden Start mit null Treffern aus den ersten neun Pflichtspielen platzte der Knoten im Schwaben-Duell gegen den VfB Stuttgart (3:2), seitdem kamen drei weitere Tore hinzu. Sein Trainer bezeichnet den Niederländer, der auch mannschaftsintern schnell zum Leader herangewachsen ist, als "authentisch, klar, ehrgeizig". Die Formkurve zeigt nach oben, auch wenn Weghorst zum Jahresabschluss die Partien gegen Leipzig (1:3) und Darmstadt (3:3) aufgrund eines Muskelfaserrisses verpasst hat.
Noch schlimmer hat es seinen Sturm-Kollegen Mergim Berisha erwischt: Der 25-Jährige kam für 14 Mio. Euro als gedachter Unterschiedsspieler aus Augsburg, erlitt aber im November einen Kreuzbandriss. Zuvor gelang ihm in neun Pflichtspielen kein Tor. Die Bilanz der drei Offensivtransfers könnte also unterschiedlicher nicht sein: Beiers Überform vom Saisonstart ist abgeflacht, Weghorst kam immer mehr in die Gänge und Berisha wird in dieser Spielzeit wahrscheinlich überhaupt keine Rolle spielen können.
Auch Attila Szalai (25) konnte im Kraichgau noch nicht so richtig Fuß fassen. Rund 12 Mio. Euro ließen sich die Hoffenheimer die Dienste des ungarischen Innenverteidigers (kam von Fenerbahce Istanbul) kosten. Sein Bundesliga-Debüt am ersten Spieltag (1:2 gegen Freiburg) verlief aufgrund seines Eigentors unglücklich.Seitdem kamen nur noch drei weitere Startelfeinsätze hinzu, wodurch Szalai hinter Vogt, Brooks, Akpoguma und Kabak derzeit Innenverteidiger Nummer fünf ist.
Besser hingegen lief es für Marius Bülter (30, kam für 3 Mio. von Schalke 04) und Anton Stach (25, kam für 11 Mio. aus Mainz). Insbesondere Stach hat sich zu einer echten Schaltzentrale im Mittelfeld entwickelt, liefert im TSG-Dress sowohl im Spiel mit als auch gegen den Ball. Mit Stach zeigt sich Matarazzo "super glücklich", der zweimalige Nationalspieler habe sich "super in seine Rolle eingefügt". Bülter schwankt zwischen Stammplatz und Jokerrolle hin und her, steuerte wettbewerbsübergreifend aber schon zwei Tore und vier Vorlagen bei. Ebenso konnte sich Rückkehrer Florian Grillitsch (28) beweisen. Der zentrale Mittelfeldspieler, der schon von 2017 bis 2022 bei Hoffenheim spielte, kam ablösefrei aus Amsterdam und durfte in 13 der 18 Pflichtspiele ran. Lediglich einige Oberschenkel-Verletzungen zwangen den Österreicher zu Spielpausen. In ihm sieht Matarazzo auch eine mögliche Lösung für die wackelige Innenverteidigung, wo Grillitsch in der Saison 21/22 zu überzeugen wusste.
Ausblick
Auch aufgrund der zahlreichen Ausfälle ist die bisherige Saison kräftezehrend, die Winterpause kommt für die TSG zu einem guten Zeitpunkt. Immerhin: Anders als die meisten Mitstreiter im Rennen um Europa hat Hoffenheim nicht mit einer Doppel- oder gar Dreifachbelastung zu kämpfen, kann sich also voll auf die Liga konzentrieren. Nach der Winterpause wartet auf sie ein schwerer Start ins neue Jahr: Am 12. Januar geht es für die Kraichgauer nach München zum FC Bayern (20:30 Uhr), rund eine Woche später müssen sie in Freiburg erneut auswärts antreten (20. Januar, 15:30 Uhr). Für diese Spiele rechnet Trainer Matarazzo unter anderem mit der Rückkehr von Weghorst, auf Stammkräfte wie Berisha und Dennis Geiger wird man aber noch lange Zeit warten müssen.
Wohin die Reise der TSG geht, ist schwer abzusehen. Zu unterschiedlich sind die Leistungen zwischen Defensive und Offensive, zu gegensätzlich die Ergebnisse in Heim- und Auswärtspartien, die Konstanz fehlt sowohl langfristig als auch kurzfristig während der einzelnen Spiele. Außerdem stören ständige neue Verletzungen und interne Nebengeräusche das Mannschaftswachstum. Im Kraichgau schielt man auf die europäischen Plätze - dieses Ziel erfordert aber mehr Konstanz im Fußballjahr 2024. "Konstanz ist der Schritt zur Exzellenz, da wollen wir hin", sagt Trainer Matarazzo.