Leichtathletik Der längste Lauf seines Lebens - Lukas Schwella landet auf Rang zwölf
Lukas Schwella ist 21 Jahre alt und Ultraläufer. Freitagnacht startete er bei seinem ersten 100-Kilometer-Lauf rund um die Zugspitze. Am Ende landete er in 13:40:46 auf Rang zwölf.
Und so sieht der Alltag des Sportlers aus. Mit Cap und Sonnenbrille, dunkler Funktionskleidung und einem vollgepackten Rucksack läuft Lukas Schwella leichtfüßig den Serpentinenweg hinauf bis zum Fuß der Achalm. Von dort aus geht es weiter hoch hinaus bis zum Gipfel, der mitsamt Burgruine über Reutlingen und Eningen emporragt.
Familien spazieren über die Wiesenwege, Pärchen packen Wanderstöcke aus Autos aus, ein Jogger trabt vorbei. Lukas Schwella überholt sie alle. Er rennt auf den steilen Anstiegen und überwindet Höhenmeter für Höhenmeter in zügigem Tempo. Bergab geht es mindestens genauso schnell, auch wenn er ein bisschen lieber hoch laufe.
Deutscher U23-Meister im Ultratrail
Einfach in der Natur laufen, das Auf und Ab, das ist für mich wie eine Art Meditation. Lukas Schwella, Ultratrailläufer
Lukas Schwella ist 21 Jahre alt und Ultratrailrunner. Der Geographie-Student nutzt also jede freie Minute, um besonders lange in der Natur zu laufen – meistens auch mit besonders vielen Höhenmetern. Ultraläufe beginnen bei Distanzen, die länger als ein Marathon sind, also mehr als 42,2 Kilometer. Und Trailläufe finden auf unbefestigten Wegen statt, abseits von Tartanbahnen und Straßen. "Einfach in der Natur laufen, das Auf und Ab, das ist für mich wie eine Art Meditation", sagt Schwella.
Im vergangenen Jahr gewann Schwella die U23-Wertung der deutschen Meisterschaft im Ultratrail über 75,5 Kilometer. Heute, ein knappes Jahr später, bestritt er nun seinen ersten 100-Kilometer-Lauf. Um 22:15 Uhr am Freitag startete Schwella beim Zugspitz Ultratrail, der größten Trailrunningveranstaltung in Deutschland. In der Nacht, am frühen Morgen und am nächsten Tag musste der junge Athlet 106 Kilometer mit mehr als 5000 Höhenmetern nach oben, und auch wieder nach unten, überwinden. Das alles in hochalpinem Terrain, der Weg führte ihn einmal rund um das Massiv des höchsten Bergs in Deutschland. "Lange Sachen zu laufen" fasziniere ihn. Er sei dann ganz im Moment, beobachte die Natur und "genießt es einfach".
Schwella läuft im Training bis zu fünfzig Kilometer am Stück
Lukas Schwella ist zwar noch jung, vor allem in der Szene der Ultratrailrunner, aber keineswegs unerfahren. Seit mittlerweile drei Jahren tauscht er immer wieder Straßen gegen Bergwege ein. Davor hat er ganz klassisch mit dem Laufen in der Leichtathletik angefangen, mit weitaus kürzeren Distanzen. Diese "kürzeren Strecken", also zwanzig oder dreißig Kilometer, laufe er aber immer noch gerne. Die seien viel intensiver und schneller im Vergleich zum etwas "gemächlicheren" Laufen auf den langen Trails. Auch im Training bleibt Schwella weit unter den Kilometern, die er dann im Wettkampf absolviert. Seine Faustregel: Maximal die Hälfte an Kilometern im Training laufen, die beim Rennen anstehen. In der Vorbereitung auf den Zugspitz Ultratrail bedeuteten das für Schwella also etwa höchstens fünfzig Kilometer am Stück.
Um ausreichend Höhenmeter zu sammeln, fährt der Ausdauersportler auch immer mal wieder in die Alpen, "in Reutlingen gibt’s halt keine 1000 Höhenmeter am Stück bergab". Das zu trainieren sei aber sehr wichtig. Für seine Intervalle am Berg und das alltägliche Training sei die Umgebung rund um seinen Wohnort aber wunderbar.
Förderstrukturen fehlen in Deutschland
Auch wenn Lukas Schwella bei renommierten Wettkämpfen an der Startlinie steht, etliche Kilometer in der Woche laufend abspult und Titel gewinnt, fehlt es im Trailrunning an Förderung in Deutschland. "Der Sport fällt noch immer unter Breitensport", erzählt Schwella. Die Unterstützung vom Deutschen Leichtathletik Verband (DLV) fehle, es mangele an Budget und Transparenz. So laufen die Athletinnen und Athleten selten für ihre Vereine, sondern für Marken, die den globalen Boom im Trailrunning unterstützen und finanzieren.
Auch Schwella läuft für einen Sportartikelhersteller, sein Sponsor unterstützt ihn zum Beispiel mit Kleidung. Ohne dieses System könnten Trailrunner aktuell ihren Sport noch nicht auf diesem professionellen Niveau ausüben. Andere Länder, wie zum Beispiel die Schweiz, sind da schon weiter und fördern gezielt junge Talente im Berglauf. Für Schwella seien da "grundlegende strukturelle Reformen" notwendig, "so ist es einfach noch nicht zufriedenstellend, wie Deutschland in der Sportart nach außen vertreten wird".
Hellwach durch die Nacht laufen
Trailrunning lebt aber nicht nur von den großen Sponsoren, sondern vor allem von der Community. An der Startlinie vom Zugspitz Ultratrail "steht jeder gemeinsam, da gibt es keine krasse Unterscheidung zwischen Elite- und Amateurläufer", sagt Schwella. "Wir alle laufen die anspruchsvolle Strecke, da gibt es einen ganz starken Zusammenhalt untereinander."
Da unterhalte man sich auch mal im Rennen mit den anderen und es werde sich gegenseitig geholfen. Denn im Dunkeln stundenlang durch die Alpen zu laufen, birgt auch Gefahren. Je nach Wetter kann es nass und rutschig sein oder schneien. Darum trägt Schwella, wie alle anderen Athletinnen und Athleten, auch einen Rucksack beim Laufen. Darin ist genügend Verpflegung, ein Erste-Hilfe-Set, lange und wetterfeste Kleidung, mindestens eine Stirnlampe und andere Kleinigkeiten, die ihm bei allen Eventualitäten helfen können.
Um Freitagnacht dann hellwach und aufmerksam am Start stehen zu können, machte Schwella vorher noch einen Powernap und begab sich danach auf den Weg rund um die Zugspitze. Gerne wollte der 21-Jährige auch vorne mitlaufen, am Ende wurde es ein zwölfter Platz. Und die Gewissheit, die mehr als 100 Kilometer lange Tortur überstanden zu haben.