Wie sich Union Berlins Kader verändern könnte und sollte Wie sich Union Berlins Kader verändern könnte und sollte: Kommen und Gehen
Den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga konnte Union Berlin gerade noch einmal so verhindern. Damit es in der kommenden Saison wieder in ruhigere Fahrwasser geht, muss sich nun einiges tun. Von Ilja Behnisch
Unions wundersamer Aufstieg von der zweiten Liga bis in die Champions League war eng verknüpft mit vielen sehr, sehr guten Entscheidungen auf dem Transfermarkt. In der vergangenen Saison jedoch war die mangelnde Kaderplanung ein Grund für den Absturz. Mit Hinblick auf die nächste Spielzeit stehen nun nahezu alle Bereiche auf dem Prüfstand.
Tor
Wenn es eine Position gab, die in der vergangenen Union-Saison wenig bis gar keine Sorgen bereitet hat, dann die Torhüter-Position. Mit Frederik Rönnow und Alexander Schwolow ist der Klub auch in Zukunft gut bis sehr gut aufgestellt. Handlungsdruck: nahe null.
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Abwehr
Der neue Trainer Bo Svensson vertraute bei seiner bisherigen Bundesliga-Station in Mainz nahezu ausschließlich auf eine Dreier-Kette. So wie Union. Für den bereits verabschiedeten Robin Knoche dürfte im Abwehr-Zentrum noch ein Ersatz verpflichtet werden. Gut möglich, dass der eher langsamen Berliner Abwehr hierbei vor allem Geschwindigkeit zugeführt werden soll. Ansonsten ist die Mannschaft im Abwehrzentrum nominell sehr gut aufgestellt. Allerdings ist denkbar, dass sowohl für Danilo Doekhi als auch für Diogo Leite Angebote eintrudeln, die weder die Spieler noch Union selbst ablehnen können. Dann bräuchte es abermals Ersatz.
Mit der Vertragsverlängerung von Urgestein und Kapitän Christopher Trimmel und dem wahrscheinlichen Verbleib von Josip Juranovic dürfte auch die Rechtsverteidiger-Position geklärt sein. Auf der linken Seite hingegen könnte Bedarf entstehen. Angesichts einer möglichen Rückkehr von Robin Gosens in die italienische Serie A und der etwas erhöhten Verletzungsanfälligkeit von Jerome Roussillon ist ein Neuzugang wahrscheinlich. Zumal Roussillon in der vergangenen Saison der laufschwächste Spieler Unions war. Kein Merkmal, auf das sein neuer (Pressing-)Trainer besonders gern schauen wird.
Mittelfeld
Defensiv steht das Mittelfeld durchaus gut da. Auch wenn nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Chef-Stratege Rani Khedira immer mal wieder deutlich wurde, dass sich vor allem viele Achter und weniger Sechser im Union-Kader tummeln. Doch mit eben jenem Khedira, Alex Kral, Lucas Tousart, Jannik Haberer und dem Rückkehrer Aljoscha Kemlein (St. Pauli), der nach Aussage von Präsident Dirk Zingler zukünftig eine größere Rolle spielen soll, stünden Svensson grundsätzlich genügend laufstarke Ball-Fresser zur Verfügung.
Ein spielstarker, konstant agierender, zentraler Mittelfeldmann hingegen würde dem Berliner Spiel gut tun. Andras Schäfer kann diese Rolle einnehmen. Ebenso wie Brenden Aaronson, der nach seiner Leihe zwar zunächst zu seinem Stammverein Leeds United zurückkehren muss, dort aber vor allem auch nach dem verpassten Aufstieg in die englische Premier League offenbar nicht gewollt ist. Eine erneute Leihe ist daher durchaus im Bereich des Möglichen.
Dennoch würde dem Klub die Verpflichtung eines erfahrenen, wenigen Formschwankungen unterworfenen Strippenziehers gut zu Gesicht stehen. Jemand, wie es Max Kruse war. Kevin Stöger vom VfL Bochum, der immer wieder mit einem ablösefreien Wechsel zu Union in Verbindung gebracht wurde, wäre so einer. Der Österreicher zählte in der vergangenen Saison zu den passstärksten Spielern aller europäischen Top-Ligen. Allerdings spielte Stöger zu seinen Mainzer Zeiten unter dem damaligen Trainer Bo Svensson keine große Rolle.
Fußballerisch hätte auch Kevin Volland diese Rolle drauf, so er bleiben wollen würde und soll. In Sachen Lauf-Leistung und -Tempo wären allerdings Abstriche zu machen. Gut möglich also, dass Union hier auf frisches Blut setzt.
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Sturm
Die größte und drängendste Baustelle im Kader. Ob Winterneuzugang Chris Bedia dabei dauerhaft zu einer ernsthaften Option wird, ist fraglich. Allein darauf zu hoffen, zu riskant. Benedict Hollerbach und Yorbe Vertessen haben ihre Qualitäten mindestens andeuten können, lösen aber das Problem nicht. Gesucht wird ein zentraler Stürmer, der sich im Zweikampf, gerade auch in der Luft, behaupten kann. Der in der Lage ist, Bälle "festzumachen", weiterzuleiten und der trotzdem auch selbst seine Chancen sucht und dann auch nutzt. Das Problem: Eine solche eierlegende Wollmilchsau sucht so ziemlich jeder Verein. Mit Taiwo Awoniyi und Kevin Behrens überzeugten bei Union auf der Position bis dato immer Spieler, die nicht gerade auf dem Zettel größerer Klubs standen.
In den Gerüchteküchen der weiten Fußball-Welt geistern derzeit Namen wie Tim Kleindienst (Heidenheim), Robert Glatzel (Hamburger SV) oder Ludovic Ajorque (Mainz) herum, wobei vor allem Kleindienst und Ajorque ins Profil passen würden und ihre Bundesliga-Tauglichkeit nachgewiesen haben.
Und sonst so?
Die Leihgaben Morten Thorsby (Genua) und Jamie Leweling (Stuttgart) kehren nicht zurück, spülen knapp zehn Millionen Euro in die Kasse. Auch Stürmer Jordan (Mönchengladbach) könnte bei seinem derzeitigen Leih-Klub bleiben. Streng genommen erfüllt der US-Amerikaner allerdings auch das Suchprofil für das Berliner Sturmzentrum. Ausgang offen. Ob Leih-Rückkehrer wie Tim Skarke (Darmstadt), Tymoteusz Puchacz (Kaiserslautern) oder Keita Endo (Tokyo, kehrt im Winter zurück) noch eine Zukunft an der Alten Försterei haben, darf zumindest bezweifelt werden. Zumal Bo Svensson dafür bekannt ist, lieber mit einem kleineren Kader zu arbeiten. Mit derzeit 27 Profis (laut transfermarkt.de) wäre der Kader aktuell eher reichhaltig bestückt. Abgänge sind also wahrscheinlich.
Sendung: rbb24, 27.05.2024, 22 Uhr