Marton Dardai (Hertha BSC, 31), Toni Leistner (Hertha BSC, 37), jubeln über einen Sieg. (Foto: IMAGO / Eibner)

2. Fußball-Bundesliga Wie Hertha in der Innenverteidigung für die neue Saison planen könnte

Stand: 17.04.2025 06:30 Uhr

Hertha BSC agiert seit der Systemumstellung von Trainer Stefan Leitl auf eine Dreierkette sehr viel stabiler. Doch wer könnten in der kommenden Saison die Eckpfeiler sein - und welche Rolle spielt dabei Niklas Kolbe vom kommenden Gegner SSV Ulm? Von Marc Schwitzky

Es hätte wohl niemand gedacht, dass die desolate 0:4-Niederlage bei der SV Elversberg auch nur irgendeinen positiven Effekt für Hertha BSC haben könnte. Die Berliner zeigten im zweiten Spiel unter Fiél-Nachfolger Stefan Leitl erschreckende Auflösungserscheinungen. Doch wo sich etwas auflöst, kann auch etwas Neues entstehen.
 
Nachdem es bereits zur Halbzeit 0:4 stand, entschied sich das noch neue Trainerteam, vom 4-3-3-System abzuweichen und auf ein 3-5-2 umzustellen. "Da wurde uns der Spiegel vorgehalten, dass wir etwas verändern müssen, um mehr Stabilität reinzubringen", erklärte Leitl.
 
Seit der Systemumstellung hat Hertha in fünf Spielen nur noch fünf Gegentore kassiert und zehn Punkte eingefahren.

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Hertha kann allmählich für die neue Saison planen

Durch die Serie von vier ungeschlagenen Partien in Folge haben sich die Blau-Weißen aus dem tiefsten Abstiegskampf herausarbeiten können. Bei noch fünf ausstehenden Partien trennen Hertha acht Punkte von Relegationsplatz 16 – ein durchaus beruhigender Abstand, der die "alte Dame" allmählich mit den Vorbereitungen für die neue Saison beginnen lässt.
 
Es wird viele Kaderbaustellen im kommenden Sommer geben, doch eine besonders spannende ist die in der defensiven Dreierkette. Derzeit sieht alles danach aus, dass Leitl auch in der kommenden Spielzeit auf das 3-5-2 setzen wird.

Kapitän Leistner bleibt wohl an Bord

Dabei wird Leitl wohl auch weiter auf Kapitän Toni Leistner bauen können. Der 34-Jährige befindet sich in seinem letzten Vertragsjahr, deutete vor ein paar Tagen aber einen Verbleib an. "Macht euch keine Sorgen, es laufen Gespräche", sagte er am Sky-Mikrofon.
 
Leistner hat sich unter Leitl wieder zu einer zentralen Säule entwickelt. Seine Stärken im Zweikampf, seine Lufthoheit und sein Antizipieren von Bällen passen derzeit herausragend zu dem Fußball, den Hertha im Abstiegskampf spielen musste. Sein Tempodefizit spielt in der zentralen Position in der Innenverteidigung nicht die große Rolle.
 
Zudem hat der 34-Jährige menschlich nach wie vor großen Einfluss auf die Mannschaft und kann dabei helfen, den anstehenden Umbruch mit zu moderieren. Ein letztes Jahr, in dem Leistner seine Erfahrung weitergibt und immer mehr in die zweite Reihe rückt, wäre ein sinnvolles Modell für Hertha.

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Bleiben Dardai und Gechter?

Auch Leistners Nebenmänner in der Innenverteidigung bleiben dem Hauptstadtklub wohl erhalten. Marton Dardai hat eine durchwachsene Saison hinter sich. Zwar war der 23-Jährige abseits von Sperren und Verletzungen stets Teil der Startelf, doch er konnte nur selten Sicherheit ausstrahlen.
 
Der 13-fache ungarische Nationalspieler profitiert sehr von der Systemumstellung, er kann sich dank der Rückendeckung Leistners mehr seinen Stärken im Spielaufbau und proaktiven Verteidigen widmen. Dardai verlängerte seinen Vertrag erst im August 2024 bis zum Sommer 2027. Zwar wird immer wieder von Interesse aus der Bundesliga berichtet, aber nach dieser Saison ist es schwer vorstellbar, dass die Vereine Schlange stehen. Aktuell sieht es nach einem weiteren Hertha-Jahr für Dardai aus.
 
Dasselbe gilt für Linus Gechter. Er ist einer der wenigen Lichtblicke der laufenden Saison. Bereits unter Leitl-Vorgänger Cristian Fiél zeigte der 21-Jährige ansprechende Leistungen, auch Leitl setzt voll auf das Eigengewächs. Gechter ist ein kompletter Abwehrspieler: Er ist groß und robust, verteidigt clever. Dazu kommt sein Mut mit dem Ball und seine gute Spieleröffnung.
 
Auch Gechter verlängerte im vorigen August bis zum Sommer 2027. Er wird wohl mindestens noch ein Jahr bleiben, um unter Leitl weiter zu reifen.

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Abschied von Klemens recht wahrscheinlich

Weitaus größere Fragezeichen stehen hinter Pascal Klemens. Das Berliner Eigengewächs würde zukünftig wohl wieder auf seiner angestammten Position in der Innenverteidigung zum Einsatz kommen und nicht wie meist in den letzten zwei Jahren im defensiven Mittelfeld. Diego Demme hat sich dort nach mehreren Verletzungen festgespielt, zudem kehrt auch das 17 Jahre alte Talent Boris Mamuzah Lum nach einer langwierigen Verletzung zurück.
 
Doch Klemens' Vertrag läuft im Sommer 2026 aus, sodass Hertha nun die eigentlich letzte Chance hat, eine gute Ablösesumme für den 20-Jährigen zu erzielen. Klemens wird immer wieder mit Erstligisten in Verbindung gebracht, eine Vertragsverlängerung scheint weit weg. So ist ein Abschied am Saisonende durchaus wahrscheinlich.

Welche Rolle wird Neuzugang Kolbe spielen?

Ein weiteres Fragezeichen steht hinter John Anthony Brooks. Er sollte in der laufenden Saison den abgewanderten Marc Oliver Kempf ersetzen, verletzte sich jedoch im allerersten Training am Sprunggelenk und fehlt seitdem. Wie er mit mittlerweile 32 Jahren von solch einer schweren Verletzung zurückkommt, ist kaum einzuschätzen. Brooks' Vertrag läuft bis 2026, er peilt laut eigener Aussage das Comeback noch in der laufenden Spielzeit an, um in der nächsten Saison voll angreifen zu können. Der 45-fache US-Nationalspieler wäre dann der Konkurrent von Marton Dardai.
 
Aber wohl auch von Niklas Kolbe. Der 28-Jährige steht derzeit noch bei Herthas kommendem Gegner SSV Ulm unter Vertrag, sein Wechsel im Sommer nach Berlin soll aber bereits feststehen. Der Innenverteidiger bringt ein spannendes Profil mit, wechselte erst 2024 aus der Oberliga zum Zweitliga-Aufsteiger. Dort konnte sich Kolbe direkt behaupten und wurde zum phasenweise festen Bestandteil der drittbesten Abwehr der Liga.

Ulms Niklas Kolbe (r.) im Zweikampf mit Herthas Florian Niederlechner. (Foto: IMAGO / Nordphoto)

Noch-Ulmer Niklas Kolbe erlebte im Hinspiel gegen Hertha BSC erstmals das Berliner Olympastadion. (Foto: IMAGO / Nordphoto)

Kolbe ist mit seinen 1,97 Metern Körpergröße zwar der Mann für die Luftduelle, am Boden aber kommt er deutlich feiner daher als erwartet. Der Linksfuß ist zudem schnell und bringt eine gute Spieleröffnung mit, verteidigt sehr modern. Lange Zeit war er Stammspieler in Ulm, ehe körperliche Probleme und sein wohl nahender Wechsel seine Position schwächten.
 
Bei Hertha dürfte Kolbe in einen offenen Zweikampf mit Leistner gehen. Dardai und Gechter wären gesetzt. Dahinter werden sich Spieler wie Brooks, Tim Hoffmann (derzeit an Erzgebirge Aue verliehen) und Egor Greber (ein 18 Jahre altes Eigengewächs vor dem Sprung zu den Profis) aufdrängen wollen. Eine interessante Mischung - wenn auch noch mit Fragezeichen versehen.

Sendung: rbb Der Tag, 17.04.2025, 18:00 Uhr