Mia Schmid von Turbine Potsdam zeigt sich nach einer Niederlage enttäuscht. (Foto: IMAGO / foto2press)

Fragen und Antworten Wie es bei einem Abstieg mit Turbine Potsdam weitergehen könnte

Stand: 12.04.2025 11:14 Uhr

Turbine Potsdam steht kurz vor dem erneuten Erstliga-Abstieg. Vieles spricht dafür, dass es ein Abschied für immer sein könnte. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Situation und Zukunft des Traditionsvereins. Von Marc Schwitzky

Wie ist die sportliche Situation bei Turbine Potsdam?

Ein einziger Punkt und ein Torverhältnis von -57 – die Lage von Turbine Potsdam sieht nach 18 Spieltagen in der Frauen-Bundesliga mehr als düster aus. Bei noch vier ausstehenden Partien trennen die Brandenburgerinnen bereits sechs Punkte vom rettenden Ufer, allerdings drückt das miese Torverhältnis wie ein weiterer Punkt auf die Bilanz.
 
Eine Mischung aus unglücklichen Spielverläufen, Verletzungsproblemen, aber vor allem fehlender Qualität haben den Aufsteiger in einen Abwärtsstrudel gerissen, der ihn über weite Strecken der Saison nicht konkurrenzfähig auftreten ließ. "Wir haben den Spirit des Wiederaufstiegs nicht so mitnehmen können und uns trotz einiger guter Auftritte echt gequält", bilanziert Vereinspräsident Karsten Ritter-Lang gegenüber rbb|24.

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Gibt es noch Hoffnung auf den Klassenerhalt?

Potsdam steht vor einem echten Endspiel. Am Samstag (12 Uhr) treffen sie auf den Mitaufsteiger und direkten Konkurrenten Carl Zeiss Jena, der sechs Punkte vor ihnen steht. "Gewinnen wir es nicht, ist es vorbei. Ich bin mir aber sicher, dass bei einem Sieg gegen Jena einen riesiger Ruck durch das Team geht und alles möglich wäre", sagt Trainer Kurt Russ rbb|24.
 
Im Hinspiel holte Turbine immerhin den bislang einzigen Punkt der Saison. Auch Spielerin Viktoria Schwalm versucht, Optimismus auszustrahlen: "Wir sind noch nicht abgestiegen und haben noch die vier Spiele. Es wäre der falsche Ansatz, zu glauben, dass wir den Klassenerhalt eh nicht hinbekommen."
 
"Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, weil Potsdam von den letzten Spielen vermutlich drei gewinnen und ein Unentschieden holen müsste, um noch eine Chance zu haben. Ich würde in der Situation nichts auf Turbine setzen", zeigt sich Ex-Nationalspielerin und TV-Expertin Almuth Schult im Gespräch mit rbb|24 skeptisch.

Hat Potsdam noch eine Chance gegen Frauen-Vertretungen der großen Männervereine?

Sollte Turbine absteigen, bliebe mit der SGS Essen ein einziger Frauen-Klub ohne starke Männervertretung im Rücken in der 1. Liga. In der 2. Liga werden es auch immer weniger reine Frauen-Klubs. Sie werden mittlerweile sogar von Zweitvertretungen der großen Vereine verdrängt. Eine Entwicklung der letzten Jahre, in der Männerklubs immer mehr in den Frauenfußball drängen und dafür oftmals auch Vereine übernehmen – hier kann Turbine ohne zahlungskräftigen Hintergrund kaum mithalten.

Almuth Schult spielte 2024 noch als aktive Torhüterin des Hamburger SV gegen Turbine Potsdam. (Foto: IMAGO / Lobeca)

Almuth Schult spielte 2024 noch als aktive Torhüterin des Hamburger SV gegen Turbine Potsdam. (Foto: IMAGO / Lobeca)

"Es ist Fluch und Segen, dass jene Klubs übernommen werden. Einerseits hilft es einem Verein, der professionelle Bedingungen anstrebt extrem, wenn er von jetzt auf gleich in so große Strukturen überführt wird. Andererseits verliert man so seine Eigenständigkeit", erklärt Ex-Spielerin Schult. "Tradition und Historie sind im Männerfußball unheimlich wichtig – aber so verschwindet beides im Frauenfußball leider immer mehr."

Wie bereitet sich Turbine auf den drohenden Abstieg vor?

Die Vorbereitung auf einen möglichen Gang in die 2. Liga läuft bereits seit Februar – seitdem können die Vereine die Lizenzanträge beim DFB stellen. Turbine plant zweigleisig, was mit vielen Ungewissheiten einhergeht. "Wir haben natürlich Vorstellungen zur Kadergestaltung, aber wir müssen in beide Richtungen denken. Wenn wir es schaffen, in der Liga zu bleiben, haben wir natürlich andere Möglichkeiten bei Verpflichtungen und Vertragsverlängerungen als bei einem Abstieg", erklärt Präsident Ritter-Lang.
 
In der 2. Liga sähe der Kader natürlich anders aus, "auch bei der Größe des Trainerteams gäbe es dann punktuell Fragezeichen. Diese Szenarien gehen wir durch, aber es ist derzeit nichts konkret", so Ritter-Lang. Demnach könne der Verein derzeit keine zielführenden Gespräche mit finalen Zu- und Absagen an Mitarbeitende und Spielerinnen führen.

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Wie groß wird der finanzielle Schaden eines Abstiegs sein?

Laut Präsident Ritter-Lang müsste Turbine deutliche Einsparungen vornehmen, sollte der Verein direkt wieder absteigen: "Der Unterschied zwischen Liga eins und zwei ist hochrelevant. Das macht im Haushalt ordentlich etwas aus." Fakt ist, dass die Brandenburgerinnen einen immensen Verlust an TV-Geldern hinnehmen müssten. Für die Saison 2024/25 werden 388.000 Euro von der Liga an den Traditionsverein ausgeschüttet. Die Höhe der TV-Einnahmen in der 2. Liga ist nicht bekannt, dürfte aber nur ein Bruchteil der Erstligagelder betragen.
 
Mit Blick auf die Sponsorensituation zieht Ritter-Lang eine durchwachsene Bilanz. Die Gespräche über Folgeverträge würden trotz der ungewissen Ligazugehörigkeit gut verlaufen. Das nach wie vor größte und schwierigste Thema sei die Suche nach einem Hauptsponsor. Seit Juni 2024 besteht hier eine Lücke, nachdem Wettanbieter "Crazybuzzer" die bis eigentlich 2026 angelegte Zusammenarbeit vorzeitig beendet hatte.
 
"Das ist weiterhin eine beinahe unlösbare Aufgabe. Wir versuchen alles, aber die Bereitwilligkeit ist nicht hoch ausgeprägt", zeigt sich Ritter-Lang frustriert. Es würden sich einfach keine Türen öffnen. "Das finde ich schade, denn so werden Traditionen abgeschafft." Ein Abstieg würde die Suche nach einem Hauptsponsor weiter erschweren.

Kann Turbine die direkte Erstligarückkehr anpeilen?

"Wirtschaftlich wird es anders als beim ersten Abstieg sein. Wir haben uns in der letzten Saison mit dem Ziel des direkten Wiederaufstiegs einen gewissen Luxus leisten können, weil wir gut gewirtschaftet hatten. Das wird dieses Mal nicht so sein", stellt Ritter-Lang klar. "Das wird bis in die Geschäftsstelle reichen, wir werden womöglich nicht alle Mitarbeitenden halten können", zeichnet der Vereinspräsident ein düsteres Szenario.
 
Ein erneuter Abstieg würde auch Auswirkungen auf den Kader haben, Turbine müsste auch hier größere Abstriche machen als zur Saison 2023/24. "Wir wollen natürlich versuchen, den bestmöglichen Kader aufzustellen, um in der 2. Liga konkurrenzfähig zu sein. Das wird letztendlich von unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten abhängen. Es wird schwer", so Ritter-Lang.

Karsten Ritter-Lang ist seit November 2022 Präsident von Turbine Potsdam. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Karsten Ritter-Lang ist seit November 2022 Präsident von Turbine Potsdam. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Was passiert, wenn Potsdam nach einem Jahr nicht wieder aufsteigt?

Während Potsdam der erneute Abstieg droht, schläft der deutsche Frauenfußball nicht - auch regional. "Grundsätzlich haben sich die Ausgangslage für Turbine Potsdam und ihr Einfluss auf die Region in den letzten Jahren stark verändert. Früher gab es in Berlin keinen großen Klub, dadurch hatte Turbine die Region für sich allein", führt Expertin Schult aus.
 
Mittlerweile gibt es mit Union Berlin, Viktoria Berlin und Hertha BSC jedoch eine große aufstrebende Konkurrenz mit guter Infrastruktur. "Natürlich belebt Konkurrenz das Geschäft, da es allgemein für eine größere Aufmerksamkeit sorgt, aber für den einzelnen Verein wird es vermutlich schwieriger, die Talente und Sponsoren für sich zu gewinnen."
 
Eine unbefriedigende Sponsorensuche, aufgebrauchte finanzielle Rücklagen, die wachsende regionale Konkurrenz und die grundsätzliche Entwicklung im deutschen Frauenfußball – für Turbine Potsdam hat sich in den letzten Jahren eine Suppe an Unwägbarkeiten zusammengebraut, die kaum auszulöffeln scheint. Sollte nicht erneut die direkte Erstliga-Rückkehr gelingen, droht dem großen Traditionsverein womöglich der endgültige Abschied aus dem Oberhaus.

Sendung: rbb Der Tag, 11.04.2025, 18 Uhr