
Vor 50 Jahren Vor 50 Jahren: Als der Armeesportklub Frankfurt den Handball-Europapokal gewann
Am 13. April 1975 gewinnen die Handballer des Armeesportklubs Vorwärts Frankfurt den Europapokal der Landesmeister, indem sie RK Borac Banja Luka besiegen. Ein legendärer Erfolg, der bereits im Halbfinale begann. Ein Rückblick. Von Michael Lietz
Spitzensport hatte in der DDR einen hohen Stellenwert. International wollte die DDR-Führung damit die Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren. Im Vereinshandball der Männer gab es in die 1970er Jahren allerdings eine starke westdeutsche Dominanz. Der VfL Gummersbach war das Maß aller Dinge. Nur 1975 nicht. Da gewann der Armeesportklub Vorwärts Frankfurt (Oder) im Finale gegen den jugoslawischen Meister RK Borac Banja Luka mit 19:17 Toren.
Ausgetragen wurde das Endspiel in der Dortmunder Westfalenhalle. Für die Frankfurter waren die 1970er die erfolgreichsten Jahre überhaupt. Nur 1989 gab es noch einmal einen nationalen Meistertitel. Die Chemie untereinander habe gestimmt, meint der damalige Kreisspieler Dietmar Schmidt, heute 72 Jahre alt. "Als Mannschaft waren wir eine Truppe, wo einer für den anderen da war. Und dazu kam noch, dass unsere Frauen sich untereinander wahnsinnig gut verstanden haben. Dieser Zusammenhalt ist schwer zu toppen." Es sei nicht darauf angekommen, wer wie oft in der Zeitung steht oder wer die meisten Tore wirft, ergänzt Schmidt.
Vlf Gummersbach galt damals als unschlagbar
Gleich zwei Mal spielten die Frankfurter damals hintereinander beim Klassenfeind, in der Dortmunder Westfalenhalle. Vor dem Erreichen des Finales zog der ASK das vermeintlich schwerste Los und traf auf den VfL Gummersbach. Die Mannschaft, die ihre Heimspiele vor bis zu 13.000 Zuschauern in der Westfalenhalle austrug, galt damals als unschlagbar.
Vier Mal hatten die Spieler um Heiner Brand bis dahin bereits den Pokal der Landesmeister gewonnen. Nun aber kamen die Frankfurter aus dem Osten, fegten die Gummersbacher aus der eigenen Halle und gewannen das Hinspiel mit vier Toren Differenz.
Besondere Atmosphäre: "Da ist der Funke ganz schnell übergesprungen"
Das Rückspiel zu Hause an der Oder wurde dann in der damals schon legendären "Ernst Kamieth Halle" ausgetragen. Zwischen zwei Schienen-Strängen in der Nähe des Bahnhofs steht das dunkelrote Backsteingebäude. Die ehemalige Garage für Lokomotiven war in den 60ern umgebaut worden und kaum größer als ein Handballfeld.
Anfangs wurde noch auf blau angestrichenem Beton gespielt, später kam dann ein Parkettboden rein, erinnert sich Dietmar Schmidt. "Das Besondere war die Atmosphäre. An den Seitenlinien waren die Füße der Zuschauer. Das war, wirklich, Kontakt zu den Zuschauern. Da ist der Funke ganz schnell übergesprungen."
Nur die Gummersbacher staunten nicht schlecht, sagt der damalige Stammtorhüter Wolfgang Pötzsch. "Als sie hier reinkamen, haben sie gefragt, wo wir da morgen spielen? Ich sagte: Ihr seid schon richtig", schmunzelt der heute 77-Jährige. Gummersbach gelang dennoch ein Sieg in der Kamieth-Hölle, wie die Halle damals von den Fans genannt wurde. Der 18:16-Sieg reichte dennoch nicht, den Vier-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel wettzumachen.

Talkrunde mit ehemaligen Handballspielern in Frankfurt (Oder)
Die Erinnerungen an die Helden von damals sind bis heute wach. Bei einer Talkrunde aus Anlass des 50. Jubiläums ist die Frankfurter Kneipe komplett gefüllt, viele Fans wie Jörg Plicht sind dabei: "In der Kamieth-Halle haben sie die Eintrittskarten durch den Zaun gereicht. Da sind auf eine Eintrittskarte drei Leute reingekommen."
Inoffiziell waren manchmal weit mehr als 1.000 Fans in der Halle. Sie drängelten sich in Fünferreihen am Spielfeldrand, die Kleinsten versuchten, auf Heizkörpern an der Wand stehend, ein Blick auf das Spielfeld zu erhaschen. Frank Pappusch, Sohn des damaligen Trainers Waldemar Pappusch, hatte eine besser Sicht: "Weil mein Vater Trainer war, durften wir immer auf die Tribüne. Und von dort sah das natürlich noch viel gigantischer aus."
Gefeiert wurden die Frankfurter Erfolge in der Westfalenhalle nicht, erzählt Dietmar Schmidt. Nach dem Halbfinale gegen Banja Luka sei man in der ständigen Vertretung der DDR in der Nähe von Bonn zum Abendessen eingeladen gewesen. Nach dem Finale gegen Gummersbach ging es sofort mit dem Flugzeug zurück in die DDR. Die Pokal-Party wurde dann in Frankfurt mit den Fans nachgeholt, erzählt der ehemalige Handballspieler Hans-Joachim Engel: "Wir sind im Bermuda-Dreieck abgetaucht". Vom Brunnencafé in Frankfurts Innenstadt sei es ins Hochhauscafé in der 24. Etage des Oderturms und danach in die Nachtbar des Hotels gegangen.

Ehemaliger Trainer Brand: "Jetzt, nach 50 Jahren, haben wir alles verdaut"
An der innerdeutschen Niederlage im Halbfinale des Pokals der Landesmeister haben die Gummersbacher offenbar schwer zu kauen gehabt. Zwischen den Zeilen geht das aus einer Videobotschaft hervor, die er damalige Gegner, der spätere Bundestrainer, Heiner Brand, den Frankfurtern zum Jubiläum übermittelt hat.
"Jetzt, nach 50 Jahren, haben wir alles verdaut", klingt es durch seinen ergrauten Bart. Und Brand ergänzt, dass der Tag der Niederlage noch ein guter für ihn wurde: "Am Tag des Hinspiels in Dortmund, das wir ja mit vier Toren verloren haben, habe ich erfahren, dass ich Vater werde."
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.04.2025, 15:00 Uhr