Premiere in der Bundesliga VfL Potsdam vs. Füchse Berlin - ein Derby unter Freunden
Am Wochenende treffen in der Bundesliga erstmals die Füchse Berlin und der VfL Potsdam aufeinander. Sportlich trennen beide zurzeit zwar Welten und doch wird das Duell für viele Akteure besonders werden.
Bob Hanning ist zwiegespalten – sogar so sehr, dass er am kommenden Sonntag (15 Uhr) nicht wie sonst auf der Tribüne Platz nehmen wird. Wenn der VfL Potsdam die Füchse Berlin in der MBS-Arena empfängt, hat er sich extra eine Aufgabe gesucht, bei der er möglichst neutral bleiben kann. Als Experte wird er die Premiere des Berlin-Brandenburg-Derbys in der Bundesliga mitkommentieren.
Der Geschäftsführer der Füchse hatte den VfL in den vergangenen Jahren mit aufgebaut und diesen in der letzten Saison als Trainer überraschend in die 1. Liga geführt. Dass es jetzt zum Aufeinandertreffen seiner beiden Herzensteams in der höchsten Spielklasse kommt, sei für ihn eine große Freude, sagt er.
Sich dabei zu hundert Prozent auf eine der beiden Seiten zu stellen, falle ihm schwer. "Die Wahrheit ist: Mein Arbeitgeber sind die Füchse. Und die müssen aus meiner Sicht auch dieses Spiel gewinnen. Dass mein Herz für die jungen Spieler hier in Potsdam schlägt, kann ich aber nicht verleugnen", so Hanning.
Partner seit 2020
Es wird ein Duell unter Freunden: Seit vier Jahren verbindet die Klubs eine enge Kooperation. Vor dem Aufstieg war der VfL das Ausbildungsteam der Füchse. Viele junge Talente standen mit Doppellizenzen regelmäßig für beide Teams auf der Platte und konnten so jede Menge Spielzeit und Erfahrungen sammeln.
Seitdem beide in einer Liga spielen, ist das jedoch vorbei. Die Kader der beiden Vereine müssen voneinander getrennt sein. "Der Aufstieg war deshalb eigentlich gar nicht vorgesehen. Aus Sicht der Füchse war es natürlich nicht der optimale Weg, aber für den VfL war es ein Traum", erklärt Hanning.
Trotzdem bleiben die Nachbarn eng miteinander verbunden. Viele der Spieler, die bei dem Duell auf der Platte stehen werden, trugen bereits beide Trikots. So haben sich zum Beispiel mit Nicolas Paulnsteiner, Max Günther, Nicholas Schley, Marvin Siemer und Frederik Höler einige der Berliner Top-Talente im Sommer dem VfL angeschlossen. Auf der anderen Seite wechselten mit Torhüter Lasse Ludwig und U21-Weltmeister Max Beneke zwei Aufstiegshelden der Potsdamer zu den Füchsen. "Intern haben wir schon gescherzt, ob wir vor dem Duell nicht alle zusammen trainieren wollen", sagt Füchse-Trainer Jaron Siewert
In Potsdam ein Star - in Berlin im Schatten eines Stars
Gerade Beneke ist wohl das Paradebeispiel der gelungenen Kooperation. Der 21-Jährige war in der vergangenen Saison beim VfL mit 291 Treffern Torschützenkönig der 2. Liga geworden und war zum besten Nachwuchsspieler gekürt worden. Zugleich sammelte er aber auch immer wieder Bundesliga-Erfahrung in der Hauptstadt. Seit dieser Saison steht er nun voll in den Diensten der Füchse und hat Ambitionen in der Nationalmannschaft.
Seine Vorfreude auf das Wiedersehen mit den alten Teamkollegen ist groß. "Ich habe noch immer ein sehr gutes Verhältnis zu Potsdam. Von meinen 21 Jahren im Leben habe ich sechs in Potsdam verbracht. Ich freue mich sehr auf das Spiel und habe noch viele alte Bekannte da. Es wird, denke ich, sehr ansehnlich und die Halle voll", sagt er.
Bei seiner Rückkehr in die voraussichtlich ausverkaufte MBS-Arena hofft das Ausnahmetalent endlich mal etwas mehr Zeit auf der Platte zu bekommen als bislang in dieser Saison. Nach einer Verletzungspause und mit Welt-Handballer Mathias Gidsel auf seiner Position vor der Nase, tut sich der Rückraumspieler noch schwer damit, die richtige Rolle im Kader zu finden. "Zurzeit bin ich eher für die Rotation da. Wenn Mathias mal eine Pause braucht, dann komme ich rein und versuche mein Bestes zu geben und dem Team bestmöglich zu helfen", sagt er.
Ein ungleiches Duell
Die Chancen darauf stehen jedoch nicht schlecht, schließlich haben die Füchse derzeit ein strammes Programm zu bewältigen und müssen noch am Donnerstagabend in der Champions League auswärts beim Top-Team Paris ran. Gegen die Potsdamer bietet sich also eine Verschnaufpause für die Leistungsträger an.
Denn wirklich gefährlich dürfte das Tabellenschlusslicht den Berlinern nicht werden. Während Jaron Siewert und sein Team in der Bundesliga inmitten der Spitzengruppe mitspielen und in der europäischen Königsklasse antreten, wartet der neue VfL-Trainer Emir Kurtagic gemeinsam mit seiner Mannschaft weiter auf die ersten Punkte in der Bundesliga.
Auch wenn es sportlich also nicht unterschiedlicher laufen könnte: Auf die leichte Schulter wollen die Füchse ihren Kooperationspartner nicht nehmen. "Wir werden alles daransetzen, dass es kein Trainingsspiel wird und eine Art Derbycharakter haben wird. In diesen 60 Minuten werden alle Freundschaften bei Seite geschoben und es geht um zwei Punkte. (…) Wir wollen sicherlich nicht die Mannschaft sein, die gegen Potsdam als Erstes schwankt", stellt Siewert klar.
Hanning bleibt nur eine Sorge
Dass es bei dieser Herangehensweise am Sonntag zu einer Überraschung kommt, hält Hanning für unwahrscheinlich. Er prophezeit den Füchsen einen entspannten Nachmittag, sollten sie motiviert und konzentriert sein. "Wenn sie aber ein bisschen weniger machen und der VfL kommt auf einmal mit hohem Emotionslevel, dann kann was passieren", sagt er.
So oder so: Am Ende wird Experte Hanning am Mikrofon wohl ein positives Fazit ziehen – denn einer seiner Herzensvereine wird in jedem Fall jubeln. Es bleibt nur eine Sorge. "Es darf sich nur niemand verletzten", so der 56-Jährige.
Sendung: Der Tag, 29.11.2024, 19:15 Uhr