Die Baller League in Berlin Tempelhof (picture alliance/Bahho Kara)

Totenstille, Fragezeichen und Grundsatzprobleme So lief der erste "Baller League"-Spieltag in Berlin Tempelhof

Stand: 04.03.2025 09:20 Uhr

Das Hallenfußball-Event "Baller League" ist nach Berlin gezogen und hat im alten Flughafen Tempelhof seinen ersten Spieltag erlebt. Wie sich das vor Ort anfühlt und warum nicht jedes Versprechen der Macher aufgeht.

Von Ilja Behnisch

Man will eigentlich nicht, wird dann aber doch gezwungen, grundsätzlich zu werden. Die "Baller League" also (Für Basiswissen bitte hier entlang). Für ihre nun dritte Saison von Köln nach Berlin umgezogen, untergekommen in Hangar sieben des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Und überall steht ihr Slogan geschrieben, der erklärt, was das hier sein soll und weshalb man also nochmals grundsätzlich werden muss: "A new era of Football."
 
Was das also zu bedeuten hat, würde man gern wissen, und da trifft es sich bestens, dass Daniel Donaldson kurz vor Anpfiff der ersten Partie noch eben Zeit für eine kleine Medienrunde hat. Donaldson ist 38 und hat ein derart gewinnendes Lächeln, dass man zumindest kurz überlegen würde, ihm eine Kfz-Versicherung abzukaufen, selbst wenn man gar kein Auto besitzt. Vor allem aber ist er CMO der "Baller League" – Chief Marketing Officer.

Baller League (Quelle: IMAGO / Kirchner-Media)
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Eine Liga für wen?

Man wolle die Leute abholen, die der klassische Fußball aus verschiedensten Gründen nicht mehr komplett abholt, sagt Donaldson jedenfalls. Welche Gründe genau das sind, sagt er leider nicht. Und ob es tatsächlich so viele Menschen sind, die dem klassischen Fußball den Rücken kehren, ist fraglich.
 
Die Zuschauer-Zahlen in den Stadien steigen eher, als dass sie sinken. Auch die Einschaltquoten der Fernsehübertragungen sind stabil. Und das, obwohl es ja tatsächlich genügend Gründe gibt, dem "modernen" Fußball den Rücken zuzukehren. Korrupte Verbände, die gegen viel Geld auf Menschenrechte pfeifen und dem Sportswashing die Hand reichen. Wettbewerbe wie die Champions League, die die Kluft in den nationalen Ligen so groß hat werden lassen, dass dort die immer gleichen Teams Meister werden. Das Gefühl, dass alles nur noch Kommerz ist. Womit sich der Kreis schließt.

Fußball als Beiwerk

Einen Hangar sieben wie in Berlin Tempelhof gibt es auch auf dem Flughafen in Salzburg. Es ist eine Art inoffizielle Firmenzentrale des Getränke-Giganten Red Bull, der von 2005 an und rein aus Werbezwecken begonnen hat, ganze Fußball-Vereine zu kaufen. Mitbestimmungs-Möglichkeiten durch lästige Vereinsmitglieder wie ansonsten üblich? Nicht erwünscht. Die große Kraft des Fußballs aber war immer auch seine Durchlässigkeit und die Chance auf Teilhabe. Red Bull und auch die Baller League jedoch sind das Gegenteil davon.
 
Die Baller League ist ein exklusiver Zirkel, ein abgeschlossener Kreis. Er besteht aus ein paar Dutzend Amateur-Fußballern, einer Handvoll mittelmäßiger Ex-Profis und Influencern als sogenannte Team-Managern, die die Baller League in Streams und auf Social Media als Content-Generator nutzen. Dabei ist es ein bisschen so wie früher mit Stefan Raab und seiner Wok-WM oder seinem Turmspringen-Events oder seinen Stockcar-Rennen. Die Fans der Streaming-Giganten Montana Black, Hands of Blood oder Knossi hätten ihren Stars vermutlich auch bei einer Wettbügel-Liga zugeschaut. Der Fußball ist nur Beiwerk.

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Zuschauer als Kulisse

Das spürt man auch an diesem ersten Baller-League-Spieltag in Berlin. Während sich draußen über dem Tempelhofer Feld die rote Abendsonne über den Himmel legt, dominiert in Hangar sieben die kühle Atmosphäre eines TV-Studios vor der Aufnahme. Viele junge Menschen wuseln herum, mit Headsets und Kameras bewaffnet. Ein Gefühl von "Gleich geht’s los" liegt in der Luft. Aber was eigentlich?
 
Auch auf dem Platz herrscht in der Folge und zwischen den Spielen geschäftiges Treiben. Immer wieder betreten die Zugpferde der Baller League den Rasen. Es wird viel gelacht und dann viel gestreamt. Die rund 1.000 Zuschauer in der Halle aber sind Zaungäste. Man könnte auch sagen: Beiwerk. Kulisse. Sie bekommen nichts von dem mit, was dort live für das Internet produziert wird.
 
Während der Spiele ist es ähnlich. Was auch daran liegt, dass es zwar eine Art Hallensprecher gibt. Der aber ist rein akustisch so schlecht zu verstehen, dass man sich irgendwann gar nicht mehr bemüht, ihn verstehen zu wollen. Die eine Anzeigetafel im Hangar ist auch keine große Hilfe. Man muss schon sehr im Thema sein, um zu verstehen, wer gerade gegen wen spielt oder warum eine Partie gerade unterbrochen ist.

Der Streamer Knossi (picture alliance/Bahho Kara)

Der Streamer Knossi während eines Livestreams am Rande der "Baller League".

Minutenlange Stille

Immerhin, das Niveau auf dem Platz hat sich deutlich gesteigert, insbesondere im Vergleich zu Saison eins. Die Spieler sind athletisch und technisch gut. Auch wenn das dazu führt, dass die Begegnungen relativ statisch sind. Hallenfußball war historisch immer dann besonders ansehnlich, wenn er nicht sonderlich ernst genommen wurde. Wenn kleine Zaubermäuse und Fummelkönige unbedrängt auspacken konnten. Die Spieler der Baller League aber nehmen die Sache furchtbar ernst und egalisieren sich so zumeist gegenseitig. Bis zu den finalen Minuten einer Halbzeit, in der sogenannte Gamechanger-Regeln gelten. Dann stehen sich plötzlich nur noch jeweils drei oder gar nur jeweils ein Spieler gegenüber. Dann fallen Tore. Dann ist auch erstmals wirklich zu vernehmen, dass das hier tatsächlich stattfindet.
 
Bis dahin ist es in der Halle nämlich erstaunlich still. Oft minutenlang. Zwar hat jedes Team ein paar Anhänger, die in eigens dafür eingerichteten Bereichen Stimmung machen dürfen oder sollen oder müssen während der Spiele. Doch Ultra-Kultur lässt sich anscheinend nicht kopieren. Der Dauer-Support der Baller League hat eindeutig ein Ausdauer-Problem.

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A new era of Messe

Es sieht natürlich alles wahnsinnig cool aus in Hangar sieben. Aber vermutlich würde auch die Jahresversammlung der Lausitzer Schneckenzüchter cool wirken im Ambiente dieses historischen Flughafengebäudes. Dazu gibt es einen Foodtruck, einen Brezelstand und Getränke. Die vielen Firmen, die die Baller League unterstützen – vermutlich um diejenigen abzuholen, die der klassische Fußball aus verschiedensten Gründen nicht mehr abholt – haben alle ihre lässigen kleinen Stände. Und vielleicht ist das hier einfach auch die beste Marketing-Messe aller Zeiten, die keine Messe ist. "A new era of Messe" sozusagen.

Sendung: DER TAG, 03.03.2025, 18:30 Uhr