
Rücktritt vom Amt bei Hertha Rücktritt vom Amt bei Hertha: "Zecke" Neuendorf geht mit ernüchternder Bilanz - und wohl eher unfreiwillig
Mit seinem überraschenden Rücktritt ist Zecke Neuendorf möglicherweise den Plänen des Vereins zuvorgekommen. Nach ernüchternder sportlicher Bilanz in den vergangenen zwei Jahren steht Herthas Führungsebene ein Umbruch bevor. Von Lukas Witte
Eigentlich kann man bei Hertha BSC mit den vergangenen Wochen mehr als zufrieden sein. Unter Trainer Stefan Leitl ging es zuletzt wieder nach oben, die Berliner sind seit fünf Spielen in Folge ungeschlagen (4 Siege, ein Remis) und haben mit dem 3:2-Auswärtssieg beim SSV Ulm am Sonntag den Klassenerhalt praktisch sicher.

Doch die aktuelle Erfolgssträhne kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hertha in dieser Saison weit hinter den eigenen Zielen geblieben ist und es hinter den Kulissen schon länger rumort. Und so folgt am Ostersonntag beim Zweitligisten auf den Auswärtssieg ein Paukenschlag: Andreas "Zecke" Neuendorf gab mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt vom Amt des Direktors Akademie und Lizenzspielerbereich bekannt und nannte dafür persönliche Gründe.
Zwei Jahrzehnte Alte Dame
Anfang 2023 hatte Zecke den Posten übernommen, war eines der Gesichter des vom verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein ausgerufenen Berliner Wegs. Durch die Adern des Ex-Profis fließt blau-weißes Blut: Der gebürtige Hauptstädter absolvierte insgesamt 196 Pflichtspiele für die Alte Dame, war nach seinem Karriereende in den letzten zehn Jahren in verschiedenen Funktionen im Verein tätig und bei den Fans für sein direktes und emotionales Auftreten beliebt.
Noch im Oktober waren sein Vertrag und der von Sportdirektor Benjamin Weber vorzeitig bis 2027 verlängert worden – nun ist Schluss für die Vereinslegende Neuendorf bei Hertha BSC. Und auch wenn der Zeitpunkt so kurz nach dem Auswärtssieg etwas verwundert, wirklich überraschend kommt der Abschied nicht.
Der große Fehler Cristian Fiél
Schon seit geraumer Zeit gibt es Kritik an der Arbeit von Herthas Führungsriege, speziell an Neuendorf. Dieser hatte zuletzt großen Einfluss im Verein, soll maßgeblich auf die Geschicke eingewirkt haben. So ist beispielsweise wohl die enttäuschende Amtszeit von Trainer Cristian Fiél als sein persönliches Versagen anzusehen.
Schließlich war Zecke der größte Fürsprecher des Trainers, soll dessen Wechsel von Nürnberg in die Hauptstadt im vergangenen Sommer persönlich eingefädelt haben. Die beiden gelten als enge Vertraute, kennen sich bereits seit vielen Jahren. Sogar eine Ablösesumme hatte Hertha für Zeckes Wunschtrainer nach Franken überwiesen. Und das, obwohl der Deutsch-Spanier in seiner Trainerkarriere zuvor kaum Erfolge vorzuweisen hatte.

Statt um den Aufstieg in die Bundesliga zu spielen, fanden sich die Berliner unter Fiél plötzlich im Abstiegskampf wieder. Lange schauten die Hertha-Bosse um Zecke dabei tatenlos zu und stärkten dem Trainer den Rücken. Nach den jüngsten Erfolgen von Stefan Leitl muss man sich fragen, was in dieser Saison wohl noch möglich gewesen wäre, hätte man den Trainerwechsel bereits zu Winterpause vollzogen. Im Nachhinein wohl einer der größte Fehler Neuendorfs.
Nachfolger bereits im Anflug?
Aber auch sonst fällt seine Bilanz im Amt ernüchternd aus. Misslungene Transfers wie Luca Schuler, Jon Dagur Thorsteinsson, Kevin Sessa oder Andreas Bouchalakis, fragwürdige Personalentscheidungen - gerade in der Akademie - und eine ausbleibende sportliche Weiterentwicklung – all das hat er neben Sportdirektor Benjamin Weber und Geschäftsführer Thomas Herrich zumindest mitzuverantworten.
Auch Zeckes persönliche Nähe zu einer Spielerberateragentur, über welche Hertha zuletzt besonders viele Geschäfte abwickelte, sorgte sowohl unter den Fans als auch vereinsintern für Kritik.
Hinter den Kulissen hatte man sich im Verein deshalb wohl schon länger mit einer Neuaufstellung der sportlichen Führung beschäftigt. Bereits Anfang März hatte Hertha in einer Mail an seine Mitglieder eine schonungslose Analyse des Misserfolgs versprochen – und will nun wohl mit neuem Personal das Ruder rumreißen.
Medienberichten zufolge soll Jonas Boldt im Sommer an die Spree gelockt werden. Der 43-Jährige war zuletzt fünf Jahre lang als Sportvorstand beim Hamburger SV tätig, scheiterte allerdings am Plan, diesen zurück in die Bundesliga zu führen. Zuvor war er Sportdirektor bei Bayer Leverkusen.
Zecke kam Entlassung zuvor
Dessen Verpflichtung wäre wohl zumindest mit erheblichen Einschränkungen der Kompetenzen von Weber und Neuendorf verbunden, oder würde die beiden ihre Führungsrollen eventuell sogar komplett kosten. Nach Informationen des "Kickers" soll sich darüber auch Zecke im Klaren gewesen und mit seinem freiwilligen Abschied nun der eigenen Entlassung am Saisonende zuvorgekommen sein.
Wer zunächst seine Aufgaben übernehmen wird und ob ein Nachfolger für den Sommer tatsächlich bereits in den Startlöchern steht, blieb zunächst unklar. "Selbstverständlich laufen bereits seit geraumer Zeit die Planungen für die kommende Saison. Dabei haben wir die Aufgaben von Zecke Neuendorf intern verteilt und werden uns in diesem Bereich künftig neu aufstellen", teilte der Verein am Montag auf rbb-Anfrage mit.
Zu den Einzelheiten wolle sich Hertha zu gegebener Zeit äußern. Doch möglicherweise steht ein Wandel in der Führungsbne bevor - weg vom Berliner Weg, hin zu externen Gesichtern.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.04.2025, 12:15 Uhr