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Dortmunds Trainer Niko Kovac Aus dem Wedding in die weite Welt - BVB-Trainer Niko Kovac im Porträt
Eigentlich müsste Borussia Dortmunds neuer Trainer Niko Kovac so etwas wie eine Berliner Fußball-Ikone sein. Tatsächlich aber wird der 53-Jährige selten mit der Hauptstadt verbunden. Auch, weil viel aussagt, wie wenig er sagt. Von Ilja Behnisch
Über Niko Kovac, Trainer von Union Berlins kommendem Gegner Borussia Dortmund (22. Februar, 18:30 Uhr), lässt sich viel lesen dieser Tage. Seit zwei Bundesliga-Spieltagen ist der 53-Jährige nun für die Profis des Ballspielverein 09 verantwortlich. Beide gingen verloren. Das hatte es 1984 zuletzt gegeben, unter Timo Konietzka, der zwar ein grandioser Spieler war, als Trainer allerdings eher glücklos agierte.
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Auch Niko Kovac war ein herausragender Spieler. Ein 83-facher Nationalspieler Kroatiens, der bei Bayern München, Bayer Leverkusen und dem Hamburger SV unter Vertrag stand, als das noch als Auszeichnung zu verstehen war. Also was den HSV angeht. Doch anders als Konietzka konnte der ehemalige Sechser sein Können auf höchstem Niveau ins Trainerfach übertragen. Er betreute Kroatien bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien und formte Eintracht Frankfurt von einem Abstiegskandidaten zum DFB-Pokalsieger 2018.
Er wurde von den Bayern abgeworben, holte sofort das Double und war damit der erste überhaupt, dem dieses Kunststück sowohl als Spieler als auch als Trainer gelang. Er trainierte erfolgreich in Monaco und weniger erfolgreich in Wolfsburg. Jetzt also soll er die zum Murks neigende Saison der Dortmunder retten.
"Ein Führungsspieler im besten Sinne"
Die einen trauen ihm das zu. Vor allem, weil Kovac als Disziplin-Fanatiker gilt, der viel von harter Arbeit hält. Die anderen halten ihn nun genau deshalb für den falschen. Weil das zu wenig Profil sei für einen so großen Klub. Dass in der Beurteilung des Trainers Niko Kovac vermutlich beides zu kurz greift, sagt viel über die Debatten-Kapazität von Fußball-Fans aus. Aber auch etwas über Niko Kovac. Der sich nie etwas daraus gemacht hat, ein anderes Bild von sich zu zeichnen als jenes, das nun also in der Welt ist.
Und es ist ja auch kein falsches. So sagt etwa der Ex-Herthaner Malik Fathi (41), der heute Co-Trainer beim VfB Stuttgart ist und immerhin 58 Mal mit Niko Kovac zusammen für Hertha BSC aufgelaufen ist zwischen 2003 und 2006, die drei Eigenschaften, die er mit Kovac verbinde, seien: "Ehrgeizig, professionell, seriös." Ein Führungsspieler im besten Sinne sei Kovac gewesen, ein Leadertyp. Mit hohen Anforderungen, auch an seine Mitspieler. Aber immer sympathisch, immer mit gesundem Maß. Als angenehm habe er ihn wahrgenommen, sagt Fathi. Vielleicht auch, weil Kovac ihm einst eine Dummheit verzieh.
Lobende Worte auch von Kevin-Prince Boateng
Mit seinem ersten Leasing-Auto als Jung-Profi (ein himmelblaues CLK-Cabriolet) sei Fathi beim Ausparken "gedankenverloren" gegen den Porsche von Kovac gefahren. "Da hatte ich ein bisschen Schiss", so Fathi in Erinnerung an den Moment, in dem der Youngster dem Leitwolf der damaligen Hertha-Mannschaft sein Malheur zu gestehen hatte. Der habe dann, so Fathi, aber "verständnisvoll Kritik geübt".
Es passt zum Trainer Kovac, der sich jüngst auch nach schmalen Leistungen seiner Dortmunder Spieler vor diese stellte. Zwar gibt es auch anders lautende Einzelmeinungen wie jene von Max Kruse, der von Kovac in Wolfsburg schnell aussortiert wurde und der nun keine Gelegenheit auslässt, Kovac als eine Art Steinzeit-Hardliner zu diskreditieren. Allerdings war Kovac nun beileibe nicht der einzige Trainer in der Karriere von Max Kruse, der mit der Arbeitseinstellung von Max Kruse wenig anzufangen wusste.
Ein anderer, nicht ganz pflegeleichter Ex-Profi hingegen ist voll des Lobes. Er könne es jedem Spieler der Welt nur ans Herz legen, unter Niko Kovac zu trainieren, sagte Kevin-Prince Boateng einmal, denn der "macht jeden Spieler besser". Das könne zwar in "harte Arbeit ausarten", würde sich aber lohnen.
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Kovac fühlt sich als Kroate
Dabei darf das Boateng-Lob kein Stück verwundern. Denn Kovac und er teilen mehr als sie voneinander unterscheidet. Sie erzählen ihr Leben nur anders.
Zwar trennen die beiden 16 Lebensjahre. Und doch nur eine Straße. Beide sind groß geworden im Wedding. Kovac in der Turiner Straße. Boateng in der Malplaquestraße. Und während sich die Boateng-Brüder ihre Nachmittage auf dem "Panke"-Bolzplatz um die Füße und daraus später werbeträchtige "Geboren auf Beton"-Slogans schlugen, zog es Niko und seinen Bruder Robert auf einen Platz in der Ruhestraße, die ihrem Namen nicht gerade Ehre macht, aber gut zu Kovac passt.
Er habe sich nie als Ausländer oder fremd gefühlt, sagte der Sohn zweier Immigranten einmal. Und doch "immer als Kroate". Vielleicht hat Kovac auch deshalb nie berlinert. Oder auch nur den Anschein gemacht, aus Berlin zu kommen. Man kann es nur vermuten. Viel über sich erzählt hat Kovac nie. Was man weiß: Abitur mit 2,9. Die spätere Frau auf dem Schulhof kennengelernt. Eine Tochter. Und sonst?
Es müssen andere herhalten, um von ihm zu erzählen. So wie der Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe, der einst zusammen mit Bruder Robert Kovac bei Rapide Wedding spielte. Der drei Jahre jüngere Robert sei der "technisch bessere gewesen, Niko dafür cleverer. Ein echter Anführer und Stratege, das war damals schon zu sehen", so Gräfe einst gegenüber dem Berliner Tagesspiegel.
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Ein Wechsel für 100 D-Mark
Dass Niko, damals neun, und Robert bei Rapide landen, ein Verein, der inzwischen längst aufgelöst wurde, war allerdings weniger strategisch geplant, als einem Zufall zu verdanken. Zusammen mit ihrem Vater Mato spielten die Brüder im Park. Rapide-Trainer Andreas Beese, der auch Jerome Boateng und Maximilian Philipp entdeckt hat, sah ihnen zu und lud zum Training ein.
Später teilte er seine Erinnerung an diesen Moment mit der Süddeutschen Zeitung: "Wie sie sich beim Eins-gegen-eins gegenüberstanden: Da gab es keine Geschwisterliebe. Man beobachtet, was passiert, wenn sie den Ball verlieren. Die sind volles Tempo gegangen. Die wollten ihr Spielzeug wiederhaben."
Der Rest ist Geschichte. Und ein Teil davon auch, dass es immerhin 100 D-Mark waren, die der Klub aus Ausbildungsentschädigung erhielt, als Kovac 1989 schließlich zu Hertha 03 Zehlendorf weiterzog, damals Berlins Talente-Schmiede schlechthin. Dann folgte Hertha BSC. Dann die große Welt.
"Wir haben das nötige Glück gehabt, meist zu richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein", hat Niko Kovac einmal gesagt. In Dortmund werden sie hoffen, bald mit gemeint zu sein. Egal, was man so liest derzeit.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.02.2025, 09:15 Uhr