Vor Cottbus-Spiel gegen Dresden Jens Melzig vor Cottbus-Spiel gegen Dresden: "Es wird in keinem Fall in einem 0:0 enden"
Am Samstag kommt es zum Spitzenspiel zwischen Energie Cottbus und Dynamo Dresden. Jens Melzig hat für beide Vereine gespielt. Im Interview spricht über seine Verbundenheit zu den Klubs, Reiner Calmund und das Duell gegen den jungen Ronaldo.
rbb|24: Herr Melzig, am kommenden Wochenende (Samstag, 14 Uhr) kommt es zu einem ganz besonderen Drittligaduell: Energie Cottbus empfängt Dynamo Dresden. Ostderby, Platz eins gegen zwei – und das Aufeinandertreffen Ihrer beiden Ex-Klubs. Wie sehr kribbelt es schon in Ihnen?
Jens Melzig: Meine Erwartungshaltung ist ohne Frage sehr groß. Ich bin gespannt, ob Dynamo die eher unnötige Niederlage gegen Viktoria Köln wegsteckt. Energie befindet sich in einem Rausch, die vielen Siege und der erste Tabellenplatz sind für die Region ein riesiges Ding. Daher kribbelt es schon, die Stimmung wird riesig sein.
Was für ein Spiel erwarten Sie am Samstag? Und werden Sie sich diese besondere Begegnung womöglich auch im Stadion ansehen?
Ja, ich werde im Stadion sein. Es wird in keinem Fall in einem 0:0 enden. Ich gehe von einem laufintensiven Spiel mit viel Einsatz aus und hoffe, dass es hin- und hergehen wird. Beide Teams können es nicht, nur tief hinten drin zu stehen.
Wie bewerten Sie die bisherige Saison von Energie Cottbus und die Arbeit von Trainer Claus-Dieter Wollitz in den letzten Jahren? Hätten Sie dem Klub solch eine Entwicklung zugetraut?
Ich habe es zumindest gehofft. Nun ist ja auch Jonas Hildebrandt als Co-Trainer hinzugekommen. Ich denke, er wird eine gute Bindung zur Mannschaft haben. Ein Team braucht immer Zuckerbrot und Peitsche, so ging es uns früher auch. Wir brauchten eine gute Bindung zum Co-Trainer, wenn der Alte mal wieder durchgedreht ist.
In der ersten Halbserie haben wir auch den einen oder anderen glücklichen Punkte geholt, doch Torhüter Elias Bethke hat einen riesigen Entwicklungsschritt gemacht. Er hatte zunächst noch ein paar kleine Patzer, die er aber weggesteckt hat und nun ist er ein super Rückhalt für Energie. Das wissen auch die Spieler, die vor ihm stehen – das macht viel aus.
Ihr anderer Ex-Klub Dynamo Dresden spielt das dritte Jahr in Folge in Liga drei, aber immer oben mit. Was hat aus Ihrer Sicht in den letzten Saisons gefehlt, um wieder aufzusteigen? Und klappt es in der laufenden Spielzeit?
Ich hoffe es auf jeden Fall. Wenn es richtig gut läuft, können mit Cottbus, Dresden und Rostock sogar drei Ost-Klubs aufsteigen, was mich sehr freuen würde. Selbst Aue kann man aktuell noch nicht abschreiben. Ich wünsche Dynamo mit dieser sensationellen Verbindung zu Stadt und Fans in jedem Fall den Aufstieg.
Sie haben nicht nur von 1983 bis 1991 sowie 1996 bis 1997 insgesamt 203 Spiele für Energie bestritten, sie sind sogar gebürtiger Cottbuser. Können Sie in Worte fassen, was Ihnen dieser Verein bedeutet?
Hier habe ich den Grundstein für meine Laufbahn gelegt. Die Bindung ist riesengroß, ich bin hier immer wohnhaft geblieben und habe daher hier mein gesamtes Umfeld. Familie, Freunde – alles ist hier. Das prägt.
Wie muss man sich den FC Energie zwischen 1980 und 1990 vorstellen? Wie waren die damaligen Bedingungen und was waren die sportlichen Ziele?
Als ich 1983 dazukam, war Energie eine Fahrstuhl-Mannschaft. Wir wollten immer oben mitspielen und aufsteigen, das hat nur nicht immer geklappt. So haben wir meist in der DDR-Liga mitgespielt, dort aber meist eine gute Rolle spielen können. In den Aufstiegsspielen hatten wir mal Glück oder eben nicht, dann ging es rauf oder runter. Die damaligen Bedingungen sind nicht mit heute zu vergleichen, wir hatten damals nur unseren Ascheplatz. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Besonders war meine vorletzte Saison in Cottbus, in der wir die Klasse gehalten und uns für den Intertoto Cup (auch "UI Cup" genannt, Anm. d. Red.) qualifiziert hatten. Dort haben wir gegen den damaligen Deutschen Meister Kaiserslautern gewonnen und sind nach Prag und Malmö gereist. Eine Riesenerfahrung für uns, da wir so auch mal das Land verlassen konnten.
1991 verließen Sie Cottbus und schlossen sich Dynamo Dresden an. Was waren die Gründe für jenen Schritt? Und wie blicken Sie auf die zwei Jahre in Dresden zurück?
In dem damaligen Entscheidungsjahr bin ich mit Cottbus abgestiegen, Dresden dafür in die Bundesliga aufgestiegen. Es war abzusehen, dass wir es nicht schaffen, weshalb ich schon früh ein Gespräch mit Bernd Jakubowski von Dynamo und auf einem Parkplatz die Vertragsbedingungen festgelegt hatte. Dresden brauchte noch einen Innenverteidiger, so gab es eine Lücke für mich.
Menschlich hat es in der Mannschaft super gepasst. Es waren viele Ossis, die wenigen Wessis haben sich an unseren Humor angepasst. Unser sportliches Ziel war stets der Klassenerhalt, das haben wir auch viele Jahre geschafft. Nur leider hat es menschlich nicht mit dem damaligen Vereinspräsident Rolf-Jürgen Otto gepasst. Nach unserem erneuten Klassenerhalt gab es ein Vertragsgespräch, das nicht gerade optimal lief. Das war auch der Grund für meinen Abgang. Aber durch meine Leistungen hatte ich mich für andere Vereine empfohlen.
Jens Melzig im Einsatz für Dynamo Dresden. (Foto: IMAGO / Claus Bergmann)
Wie so manchen Spieler aus der ehemaligen DDR zog es Sie Anfang der 1990er zu Bayer Leverkusen. Der damalige Manager Reiner Calmund hatte ein besonderes Auge auf Spieler aus dieser Region gelegt. Wie konnte er Sie 1993 für den Schritt in den Westen gewinnen? Was für ein Typ ist Calmund?
Leverkusen hatte einen Manndecker gesucht und neben mir noch einen weiteren Spieler aus der DDR auf dem Zettel. Dann hat sich Ulf Kirsten für mich starkgemacht. Er kannte mich aus den Jahren davor als Gegenspieler und sagte zu Calmund: "Calli, ich will nicht mehr gegen den spielen!" Dann haben sie mich geholt. Calmund ist ein Pfundskerl, sehr menschlich und offen. So war auch Leverkusen ein sehr familiär geführter Verein, was ich mir vorher gar nicht hätte vorstellen können. Das war eine richtig geile Zeit.
Bei der "Werkself" haben Sie sogar sieben Partien im Uefa-Cup gespielt. Ihre sportlich erfolgreichste Zeit?
Zusammen mit dem dritten Tabellenplatz, den wir damals erreicht haben, kann man das sagen, ja. Besonders das Rückspiel gegen die PSV Eindhoven gegen den jungen Ronaldo war ein Höhepunkt.
Wie war es, gegen eine angehende Fußball-Legende zu spielen?
Ich war schon im gesetzten Alter und dann kam da so ein junger Pimpf. Wenn ich fürs Tackling nach unten ging, war ich mir sicher, ihn zu haben, doch dann spitzelte er den Ball einfach über mich rüber. So musste ich dann wieder hinterherkrauchen, aber weil er auch noch schnell war, habe ich ihn gar nicht mehr eingeholt. Allein wie er sich im Spiel bewegt hat, war eine Augenweide.
Über den Umweg Chemnitz kehrten Sie 1996 für ein Jahr zu Energie Cottbus zurück. 1997 waren Sie Teil der Cottbuser Mannschaft, die überraschend das DFB-Pokalfinale erreichte, wo Sie letztendlich mit 0:2 dem VfB Stuttgart mit Spielern wie Giovane Elber oder Fredi Bobic unterlagen. Was waren die Erfolgsfaktoren für diesen Pokallauf? Blicken Sie eher stolz oder aufgrund des verlorenen Finals etwas verbittert zurück?
Unser oberstes Ziel war der Aufstieg, der Pokal war für uns nur Bonus. Wir waren durch das Konditionstraining von Ede Geyer topfit und konnten die Pokalspiele bis in die Verlängerung und das Elfmeterschießen mit voller Kraft absolvieren. Ein weiterer Faktor war die Teamchemie, die einfach gestimmt hat. Wir haben auch außerhalb des Platzes viel zusammen unternommen. Die Pokalspiele haben wir zunächst einfach mitgenommen, mit der Zeit wurde es natürlich spannender. Das Spiel gegen den VfB Stuttgart … tja … vielleicht hat der eine oder andere im Vorfeld zu viele Schulterklopfer bekommen. Nach dem 0:1-Gegentreffer hatten wir sogar noch die Chance auf den Ausgleich, aber es sollte nicht sein. Es war trotzdem ein riesiges Erlebnis für uns alle, diese Medaille um den Hals gelegt zu bekommen.
Anschließend spielten Sie bis 2000 noch drei Jahre für Tennis Borussia Berlin. Wie blicken Sie mit mittlerweile 59 Jahren auf Ihre aktive Fußballerkarriere? Alles rausgeholt?
Ich habe auf jeden Fall alles gegeben, sowohl im Spiel als auch im Training. Ich habe in der ganzen Zeit sicherlich viele Freunde gewonnen, die ich bis heute habe. Es wurden teilweise sogar Feinde noch zu Freunden. Das ein oder andere hätte man vielleicht noch besser machen können, aber ich bin zufrieden.
Wie verlief Ihr Leben, nachdem Sie die Profi-Schuhe an den Nagel gehangen haben? Sind Sie dem Fußball noch verbunden?
Ich war 21 Jahre erfolgreicher Verbandssportlehrer beim Fußball-Landesverband Brandenburg, bis wir uns im beiderseitigen Einvernehmen getrennt haben. In der Zeit habe ich verschiedene Jahrgänge für die DFB-Maßnahmen, aus denen sich die Jugendnationalmannschaften formen, gesichtet und trainiert. Dafür haben wir die besten Fußballer der Region präsentiert. So sind beispielsweise spätere Profis wie Tim Kleindienst (heute bei Borussia Mönchengladbach) und Leonardo Bittencourt (heute bei Werder Bremen) durch unsere Hände gegangen. Wir haben vielen Jungs unsere Erfahrungen weitergeben können, mit denen sie teilweise in den Profi-Fußball gekommen sind.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Marc Schwitzky.
Sendung: rbb24, 21.01.2025, 21.45 Uhr